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Offene Standards für 3D-Audio

Was der immersive Klang bringt - und welcher Hürden er zu überwinden hat

Sebastian Goossens - Bereichsleiter Audio/Video Technologien, Institut für Rundfunktechnik GmbH Quelle: IRT Sebastian Goossens Bereichsleiter Audio/Video Technologien Institut für Rundfunktechnik 10.02.2020
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Uwe Schimunek
Freier Journalist
Meinungsbarometer.info
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Wie IRT-Experte Sebastian Goossens weiß, "kommt 3D-Audio dem natürlichen Hören am Nächsten". In seinem Institut wird intensiv am neuen Sound und den entsprechenden Standards gearbeitet. Denn 3D-Audio hat für den Hörer handfeste Vorzüge.







Welche Vorteile hat 3D-Audio im Auto gegenüber klassischen Stereoklang?
3D-Audio ermöglicht es dem Hörer, Schall aus allen Richtungen wahrzunehmen. Er hört Schallquellen auch aus dem hinteren Bereich oder auch von oben und nicht nur aus dem vorderen Bereich wie bei klassischem Stereoklang. Man spricht von einem immersiven Klangerlebnis. Damit kommt 3D-Audio dem natürlichen Hören am Nächsten. Das IRT erforscht und entwickelt schon seit vielen Jahren Technologien und Formate im Bereich 3D-Audio für Lautsprecher und Kopfhörerwiedergabe. Dafür haben wir ein 3D-Audio-Labor (https://lab.irt.de/recent-upgrade-of-our-3d-audio-lab/) eingerichtet, in dem wir Untersuchungen zu allen relevanten Lautsprecheraufstellungen und Wiedergabetechnologien durchführen.

Auch im Auto kann der Hörer mitten in eine Audioszene hineinversetzt werden und ganz von Schall umhüllt sein. Der volle Mehrwert von 3D-Audio im Auto gegenüber Stereoklang wird sich entfalten, wenn zukünftig das autonome Fahren die Reisenden von der Fahrzeugführung entlastet und damit mehr Aufmerksamkeit z.B. für gewünschten Medienkonsum aufgewendet werden kann.

Die Entwicklung von Stereo hin zu 3D-Audio kann durch die Kombination mit dem sog. objektbasierten Audiokonzept äußerst effektiv und gewinnbringend unterstützt werden: Dabei werden nicht wie beim heutigen Stereosignal feststehende Audiokanäle abgemischt und übertragen, sondern es werden Audioobjekte und zugehörige Metadaten (bspw. Positionswerte oder der Inhalt eines Audioobjektes) erzeugt und übertragen. Ein sogenannter Renderer erstellt aus diesem Datenstrom jeweils für die beim Empfänger vorhandene Wiedergabeanlage die optimalen Signale. Somit kann eine objektbasierte Audioproduktion auf den verschiedensten Endgeräten wiedergegeben werden. Ob Mono, Stereo, 5.1, für Kopfhörer oder volles 3D-Audio mit bis zu 24 Lautsprechern, der Renderer ermöglicht die Wiedergabe auf jedem Endgerät in optimal angepasster Form. Das IRT ist seit einigen Jahren international eine treibende Kraft für den Themenkomplex Next Generation Audio (NGA) und realisiert neben der Standardisierungsarbeit und open-source Bibliotheken mit prototypischen Implementierungen die gesamte Kette von der Produktion bis zum Konsumenten.

Darüber hinaus ermöglicht objektbasiertes Audio Personalisierung. Hierin sehen wir im IRT ein enormes Potential: Der Renderer kann z.B. auf Wunsch dafür sorgen, dass Dialoge lauter und deutlicher wiedergegeben werden als Musik oder Atmosphäre. Die Wiedergabe kann optimal an die Bedürfnisse des individuellen Hörers und die akustische Situation angepasst werden. Gerade im Auto bietet die Personalisierung weiteres Potenzial: Durch die Fahrgeräusche werden leise Passagen des Programms oft verdeckt und damit nicht gehört. Der Renderer könnte z.B. die Wiedergabe abhängig von der Fahrsituation so anpassen, dass auch leise Passagen zu hören sind.

Welche Möglichkeiten eröffnen neue Technologien wie das lautsprecherlose System von Continental und Sennheiser für 3D-Audio?
Neue Technologien wie das lautsprecherlose System von Continental und Sennheiser ermöglichen es den Konstrukteuren, vorhandene Innenraumverkleidungen zugleich für die Schallabstrahlung zu nutzen. Das spart Gewicht und Einbauvolumen, welches sonst für die Montage von Lautsprechern im Fahrzeug aufgewendet werden müsste. Insbesondere für elektrisch betriebene Fahrzeuge im Batteriebetrieb ist geringes Gewicht ein wesentliches Konstruktionsziel. Für den Erfolg dieser neuen Technologie wird es entscheidend sein, dass die Klangqualität der abstrahlenden Flächen dauerhaft das Niveau von guten Lautsprechern bietet. Ebenso sollte der Wirkungsgrad gut und damit der Energieverbrauch bei der Wiedergabe niedrig sein.

Welche Potenziale ergeben sich aus Augmented-Reality-Anwendungen in diesem Zusammenhang?
Für Augmented-Reality-Anwendungen (AR) im Auto bietet 3D-Audio bereits heute großes Potential. Besonders in Verbindung mit AR im Bildbereich sind neue Informations- und Bedienkonzepte im Fahrzeug möglich. 3D-Audio sorgt dafür, dass akustische Signale aus der dazugehörenden visuellen Signalrichtung kommen und unterstützt damit die intuitive Bedienung im Fahrzeug.

Die Henne-Ei-Frage: Gibt es überhaupt genug attraktive Inhalte, um 3D-Audio zum Durchbruch zu verhelfen?
Attraktive Inhalte sind die Voraussetzung dafür, dass Konsumenten sich für 3D-Audio interessieren. Für reine Audioinhalte gibt es derzeit neben klassischem 5.1 Mehrkanalton kaum bis gar keine immersiven Inhalte. Im (Heim-)Kinobereich jedoch ist 3D-Audio seit ein paar Jahren schon Standard, dementsprechend gibt es für Filme und Serien bereits ein breites Angebot an Inhalten mit 3D-Audio. Dafür haben sich parallel mehrere Hersteller-getriebene 3D-Audio-Formate entwickelt (z.B. E-AC-3, AC-4 oder MPEG-H), die sowohl auf der Produktions- wie auf der Wiedergabeseite zueinander in Konkurrenz stehen. In der gegenwärtigen Aufbauphase von 3D-Audio- bzw. personalisierbaren Inhalten hemmt die Inkompatibilität dieser konkurrierenden Formate jedoch den Durchbruch von Innovation. Im IRT investieren wir daher viel Arbeit und Energie in die Entwicklung und Etablierung von offenen Standards, mit deren Hilfe die Kompatibilität und der Austausch gefördert werden. Ein solcher Standard für die objektbasierte Produktion ist das ADM-Format (Audio Definition Model, ITU-R BS.2076). Auch aus Sicht der Audioproduktion bietet ADM als offener Standard die Sicherheit, dass Investitionen nicht auf Marktsegmente beschränkt bleiben. Aus diesem Grund gibt es aktuell von mehreren Akteuren (Produktionsfirmen, Medienunternehmen) durchaus Bestrebungen, attraktive Inhalte zu produzieren.

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