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Das Auto als Konzertsaal

Wie 3D-Audio den Sound beim Fahren verändert

Martin Rieger - Tonmeister, VRTONUNG – 360° Sound Production Quelle: Medien.Bayern GmbH Martin Rieger Tonmeister VRTONUNG – 360° Sound Production 06.02.2020
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Uwe Schimunek
Freier Journalist
Meinungsbarometer.info
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"3D-Audio kann wesentlich realistischer als Stereo wiedergeben, wie wir Menschen den Ton in unserer natürlichen Umgebung wahrnehmen", sagt Martin Rieger. Der Tonmeister hat den Ton für zahlreiche VR- und AR-Projekte bearbeitet und ist auch als Speaker zum Thema gefragt. Im Auto ergeben sich für ihn eine Reihe von Möglichkeiten durch 3D-Audio.  







Welche Vorteile hat 3D-Audio im Auto gegenüber klassischen Stereoklang?
3D-Audio kann wesentlich realistischer als Stereo wiedergeben, wie wir Menschen den Ton in unserer natürlichen Umgebung wahrnehmen. Deswegen spricht man auch von Immersive Audio, da man förmlich in den Sound eintauchen kann. So lässt sich etwa das Auto akustisch in einen Konzertsaal verwandeln und gibt einem das Gefühl, vor einer echten Bühne zu sitzen. Vorne hört man das Orchester, hinten das Publikum und wird dabei in den dreidimensionalen Ton gehüllt – ganz wie in der Realität.

Außerdem lässt sich das Auto in sogenannte Höhr-Zonen einteilen, was 3D-Audio im herkömmlichen Sinn weniger beschreibt aber ebenso spannend ist. Im Idealfall können damit auf jedem Sitzplatz andere Audioinhalte, gespielt werden, ohne dass die jeweils anderen Mitfahrer mithören können, obwohl dasselbe Lautsprechersystem genutzt wird. Vorangetrieben wird diese Technologie aber v.a. durch Lautsprecher, die in Kopfstützen eingebaut werden und trotz der Positionierung direkt am Hinterkopf, einen dreidimensionalen Klangeindruck erzeugen können.

Welche Möglichkeiten eröffnen neue Technologien wie das lautsprecherlose System von Continental und Sennheiser für 3D-Audio?
Genau genommen entsprich das Hören mit nur zwei Lautsprechern nicht unseren Hörgewohnheiten, da wir den Schall deutlich als Punkt- oder Phantomschallquelle aus Richtung der Wiedergabegeräte lokalisieren können. Stellt man sich aber zum Beispiel eine akustische Band in einem Jazz-Club vor, so wird der Schall durch verschiedenste Schallquellen, in Form von Musikinstrumenten, mit unterschiedlicher Größe und Abstrahlcharakteristiken in den Raum getragen. Durch lautsprecherlose Systeme könnte sich das Problem der Lokalisierbarkeit lösen lassen und ein Höreindruck erzeugt werden, der noch natürlicher sein kann.

Die größten Vorteile liegen aber weniger in der Tontechnik. Es lässt sich nämlich Gewicht einsparen und Designer müssen bei der Gestaltung des Interieurs weniger Kompromisse mit sichtbaren Lautsprechern eingehen.

Welche Potenziale ergeben sich aus Augmented-Reality-Anwendungen in diesem Zusammenhang?
Im Auto kann 3D-Audio-Technologie gut eingesetzt werden, um dem Fahrer exakte Richtungs-Informationen zu übermitteln. Warnsignale im Auto gehen bisher selten über ein designtes Piepen in Mono hinaus. Meine Kollegen von Impulse Audio Lab arbeiten unter anderem am Sounddesign für E-Autos. Nutzt man solche speziell gestalteten Fahrgeräusche als Audi-Objekte, die sich frei im 3D-Raum bewegen lassen, könnte dem Fahrer zum Beispiel vermittelt werden, dass man gerade von einem Auto überholt wird, welches sich links im toten Winkel befindet. Und zwar ohne, dass der Fahrer seinen Kopf bewegen muss. Vergleichbare Alarmsysteme sind oft im Seitenspiegel verbaut und kommunizieren meist nur visuell.

So würde man mit 3D-Audio einen Mehrwert für das Umgebungsbewusstsein des Fahrers schaffen und es klanglich elegant ohne Piep-Töne und stattdessen mittels Sounddesign lösen, welches sich dabei noch charmant in die aktuelle Musikwiedergabe mischen könnte.

Die Henne-Ei-Frage: Gibt es überhaupt genug attraktive Inhalte, um 3D-Audio zum Durchbruch zu verhelfen?
Es werden bereits, über die offensichtlichen Musik- und Filmproduktionen hinaus, etliche immersive Audio-Inhalte erstellt, wie etwa bei Virtual Reality und Augmented Reality, Soundbars, Smart Speaker etc. Es fehlt lediglich noch ein Standard, welcher es ermöglicht, ein Master-File auf allen Endgeräten richtig abzuspielen, unabhängig von der Anzahl der Lautsprecher oder ob etwa Kopfhörer für eine binaurale Wiedergabe genutzt werden. Darüber hinaus passiert in der Welt der Streaming-Anbieter hier gerade sehr viel. So arbeitet zum Beispiel Dolby Atmos Music mit Amazon Music und Sony hat mit seinem Format „360 Reality Audio“ über 1000 Titel neu in 3D-Audio mischen lassen und verbreitet diese unter anderem auf Deezer und Tidal.

Spätestens, wenn Autos auch wirklich mit einem 3D-Audio-System auf dem Markt sind, wird es bereits unzählige Stunden an Material geben. Doch selbst wenn nicht, liefern sogenannte Upmixer aus bloßen Stereosignalen bereits eindrucksvolle 3D-Audio-Erlebnisse, auch wenn nicht mit ganz so viel Gänsehaut, wie eigens produzierte Inhalte, welche seit Jahren in der Tonmeister-Szene ein großes Thema sind.

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