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Experte strikt gegen Digitalpflicht beim Bezahlen

Wie digitale Währungen und Stable Coins die Finanzwelt verändern können

Prof. Dr. Christian M. Piska - Rechtswissenschaftliche Fakultät - Universität Wien Institut für Staats- und Verwaltungsrecht Quelle: Uni Wien Uwe Schimunek Freier Journalist Meinungsbarometer.info 07.02.2020
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"Ein weltweit erhältlicher coin lässt sich nicht durch regionale Einzelmaßnahmen stoppen", sagt der Staats- und Verwaltungsrechtler Prof. Dr. Christian M. Piska. Der Experte für disruptive Technologien hält Verbote zudem aus rechtlicher Sicht für problematisch und spricht über unserer Debatte über Vorzüge und Grenzen digitaler Währungen und privater virtueller Währungen.







Die EU will Digitalwährungen von Privatunternehmen wie die geplante Facebook-Währung Libra vorerst nicht erlauben. Wie bewerten Sie das?
Ich habe nichts anderes erwartet. Derartige Innovationen, noch dazu wenn sehr mächtige Digitalkonzerne dahinter stehen, fordern das eingeschworene Establishment extrem heraus. Man fürchtet die Disruption und den Verlust der Vormachtstellung des bestehenden Finanzsystems. Staaten fürchten einen Angriff auf ihre Geldpolitik. Rigide Verbote sind aus rechtlicher Sicht immer problematisch, weil sie Grundrechtseingriffe bedeuten, die sich zum jetzigen status quo nicht rechtfertigen lassen. Darüber hinaus bringt das nichts. Ein weltweit erhältlicher coin lässt sich nicht durch regionale Einzelmaßnahmen stoppen.

Manche fordern – frei nach dem Prinzip "same business, same risk, same rules" – grundsätzlich die gleichen Regeln wie im traditionellen Finanzsektor auch. Ich gehe da viel weiter. Da virtuelle Währungen – ganz anders als staatliche Währungen - kein Geld, sondern Tauschmittel, also Waren aus privater Hand darstellen, sind sie keine Finanzprodukte, was die EU auch in der neuen Definition der 5. Geldwäscherichtlinie klargestellt hat. Sollte Libra als virtuelle Währung ausgestaltet sein, ist dieser stable coin legal und löst eine bloße Registirierungspflicht aus. Darüber hinau reichende Gegenmaßnahmen von EU-Mitgliedstaaten wären unionsrechtswidrig. Nachlesen kann man das alles in meinem neuen Buch „Blockchain rules“, das beim österreichischen Verlag MANZ erschienen ist. Dort arbeite ich gemeinsam mit meinen Autoren ungelöste Fragen rund um virtuelle Währungen leicht verständlich auf. Auch in meinem Interview mit dem BTC-Echo beantworte ich Fragen rund um Libra.*

Ich möchte in diesem Zusammenhang, aber auch betonen, dass gerade die Blockchain-Technologie im Finanzbereich zahlreiche Potentiale bietet. Beispielsweise können Compliance-Bestimmungen technisch in die Blockchain integriert werden, womit deren sichere Einhaltung garantiert wird. Außerdem bringt die Blockchain bei entsprechender Ausgestaltung auch eine Stärkung von Datenschutz und Informationssicherheit für die Nutzer.

Libra und andere sogenannte Stablecoins gelten als weniger schwankungsanfällig und könnten neue Märkte für Finanzdienstleistungen eröffnen. Könnte Europa im weltweiten Vergleich ins Hintertreffen geraten, wenn derartige Währungen verhindert werden?
Libra ist nach dem Motto „bank the unbanked“ vor allem für Schwellenländer mit volatilen nationalen Währungen konzipiert. Europa ist als funktionierender stabiler Wirtschaftsraum nicht Hauptzielgebiet von Libra, weswegen für den Wirtschaftsstandort Europa per se zumindest keine unmittelbaren Standortnachteile zu erwarten wären. Wozu braucht ein environment, das eine der stabilsten Weltwährungen zur Verfügung stellt und zahlreiche Paymentsysteme nutzt, einen stable coin? Facebook wird hier mit goodies wie cashback oder Rabatten die Nutzung von Libra schmackhaft machen müssen. Unabhängig davon, ist es aber nicht auszuschließen, dass eine Akzeptanz gegenüber Stablecoins entsteht, die in weiterer Folge zu Disruptionen des bestehenden Finanzsystems führt. Außerdem sind die Möglichkeiten, virtuelle Währungen in neue Geschäftsmodelle zu integrieren vielfältig, insbesondere wenn man an die Entwicklungen im Bereich Internet of Things und Machine Economy denkt. Hier besteht für Libra auch in Europa ein Hoffnungsmarkt.

Statt privater Digitalwährungen fordert etwa die deutsche Bundesregierung einen digitalen Euro. Was halten Sie davon?
Angesichts des stetigen Voranschreitens der Digitalisierung und der Ausbreitung des digitalen Raums auf sämtliche Lebensbereiche des Menschen, kann es nur folgerichtig sein die gesetzlichen Zahlungsmittel an die Gegebenheiten unserer Zeit anzupassen. D.h. ein Zahlungsmittel zu schaffen, das im digitalen Raum nativ ist und nicht künstlich in diesen hineingehoben werden muss. Der große Vorteil der staatlichen Emission eines digitalen Euros liegt hierbei insbesondere in der hohen Vertrauenswürdigkeit und Transparenz. Wogegen ich mich aber dezidiert ausspreche, ist eine gesetzliche Verpflichtung, digital bezahlen zu müssen.

Immer wieder wird angesichts der Digitalisierung auch das Ende des Bargeldes debattiert. Wie stehen Sie dazu?
Obwohl es sich vielleicht nicht so anfühlt, ist bereits zum jetzigen Zeitpunkt der Großteil unserer Zahlungsmittel kein Bargeld mehr, sondern digitales Buchgeld. Dies bringt große Sicherheitsvorteile und erleichtert die Bekämpfung von Geldwäsche, Terrorismus und Schwarzmarktgeschäften. Demgegenüber ist aber zu erwägen, das Bargeld ein sozialadäquates Zahlungsmittel für die gesamte Bevölkerung darstellt und auch ein Sicherheitsnetz für etwaige Störungen oder (Cyber-)Angriffe darstellt. Auch wenn sich im Lichte von Transparenz und Sicherheit durchaus stichhaltige Argumente für ein reines Buchgeld-Finanzsystem finden ließen, ergibt sich für mich in einer Interessanabwägung, dass die völlige Abschaffung des Bargelds ein zu radikaler Ansatz ist, der auch den letzten Rest einer Privatsphäre des Bürgers verschwinden lässt.

* https://www.btc-echo.de/prof-dr-christian-piska-von-der-uni-wien-im-interview/

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