Radio beim Frühstücken, TV als wichtigstes Medium – die Mediennutzung von Kindern scheint nach der aktuellen KIM-Studie in der Tradition der Eltern zu stehen. Ist das Bild von einer heranwachsenden digitalen Generation übertrieben?
Auch, wenn Kinder weiterhin klassische Medien wie Radio und Fernsehen nutzen, wächst eine digital geprägte Generation heran. Kinder wachsen heute in Haushalten auf, die fast zu 100 Prozent über einen Internetzugang und einen Computer oder Laptop verfügen. 84 Prozent der Haushalte haben ein Smartphone und die heutige Elterngeneration ist auch aktiv im Netz unterwegs, die Eltern verbringen nach eigenen Angaben 76 Minuten im Netz, 62 Prozent nutzen zumindest einmal pro Woche Facebook und 81 Prozent WhatsApp. Das digitale Umfeld ist also gegeben. Nur die Bedürfnisse der Kinder unterscheiden sich je nach Alter. So ist im Grundschulalter Fernsehen nach wie vor das wichtigste Medium, das Internet ist vor allem als Plattform für Spiele und für Videos sowie als Recherchetool für die Hausaufgaben relevant. Erst ab etwa zehn Jahren orientieren sich Kinder dann mehr nach außen, erweitern ihren Freundeskreis und dem Thema Kommunikation kommt dann eine bedeutende Rolle zu. Dann ändert sich auch das Freizeitverhalten und das eigene Smartphone mit WhatsApp und Co. bekommt eine zunehmende Alltagsrelevanz.
Die beliebteste Internetseite bei Kindern ist die Videoplattform YouTube – wie können die beliebten kurzen Formate die Mediennutzung dauerhaft verändern?
Die Nutzung von YouTube erweitert das Angebot an Bewegtbild. An erster Stelle stehen bei der Nutzung von YouTube Videos lustige Clips, Musik und Tiervideos. Auch viele andere Inhalte die bei YouTube genutzt werden unterscheiden sich von Fernsehinhalten. Somit kann man sagen, dass sich das Fernsehangebot und damit die Fernsehnutzung mit YouTube um neue inhaltliche wie formale Aspekte erweitert. Es gibt also einerseits mehr Content, andererseits aber auch mehr Möglichkeiten, Inhalte zu konsumieren. Insofern kann man davon ausgehen, dass die gelernte Erwartungshaltung von Kindern sich dahingehend ändert, dass man die gewünschten Inhalte jederzeit und überall zur Verfügung hat. Auf der Ebene der Inhalte unterstützt sicherlich das Phänomen der zum Teil jugendlichen YouTuber wie auch der Kult des Selfies das Bedürfnis sich zu präsentieren und in Szene zu setzen.
Mindestens 38 % der befragten Kinder haben schon Games gespielt, für die sie nach der Empfehlung der USK zu jung sind. Oft haben sie diese Spiele von den Eltern bekommen. Was empfehlen Sie Eltern in Sachen Games?
Fast zwei Fünftel der Spieler haben nach eigenen Angaben schon Spiele gespielt, für die sie laut Alterskennzeichnung zu jung waren. Hier gilt es, die Eltern dafür zu sensibilisieren, ihre Kinder auch beim Thema digitales Spielen zu begleiten und ggf. auch die Wünsche der Kinder zu hinterfragen. Zu konkreten Spielen kann man sich vorab informieren, zum Beispiel direkt auf der Seite der USK, auf spielbar.de oder bei internet-ABC (https://www.internet-abc.de/nc/kinder/spiel-spass/spieletipps/). Neben der Frage des Jugendschutzes ist auch noch die Frage zu klären, ob das Spiel für das konkret betroffene Kind geeignet und sinnvoll ist. Oft werden Spiele auch im Freundeskreis getauscht oder bei Freunden gespielt. Hier sollte man den Eltern befreundeter Kinder signalisieren, dass man auf altersgerechte Spiele Wert legt.
Im Idealfall zeigen Eltern Interesse an den Computerspielen, lassen sich diese erklären und spielen auch mal gemeinsam mit dem Kind. An Computerspielschulen haben Eltern auch die Gelegenheit selbst Spiele zu testen und sich beraten zu lassen. Mit einer gemeinsamen Basis kann man besser diskutieren und dann auch gemeinsam Kriterien für gute und geeignete Spiele entwickeln, die auch Spaß machen.
53 % der Haupt- oder Realschüler und 56 % der Gymnasiasten haben schon einmal einen Computer in der Schule benutzt. Wie bewerten Sie diese Zahlen?
Schon im Grundschulalter spielt der Computer und auch das Internet eine wichtige Rolle als Arbeitsgerät – allerdings eher/stärker zuhause als in der Schule. Dies setzt sich an den weiterführenden Schulen fort. Vor allem ältere Schüler recherchieren zuhause im Netz, erarbeiten Präsentationen und Texte, koordinieren sich via WhatsApp. An den Schulen findet dies – nach Angabe der von uns in der JIM-Studie befragten 12- bis 19-jährigen – eher selten statt. Anderseits wäre es notwendig Kinder und Jugendliche auf die Potentiale und Chancen hinzuweisen, ihnen einen kompetenten und produktiven Umgang mit Medien beizubringen und sie auf die Herausforderungen der digitalen Welt vorzubereiten. Hier sind Jugendliche oft sich selbst (und den Kenntnissen der Eltern und Geschwister) überlassen. Nur weil Jugendliche privat intensiv Medien nutzen und diese bedienen können, sind sie noch lange nicht medienkompetent, hierzu bedarf es mehr. Wer heute eine Schule verlässt, sollte das nötige Handwerkszeug vermittelt bekommen haben, Medien für sich einzusetzen und souverän damit umzugehen.