KI-Roboter gibt es schon länger in der Industrie, auf der IFA war Physical AI auch im Consumer-Bereich ein Trend-Thema – wo sehen Sie in nächster Zeit die größten Potenziale in diesem Bereich?
Physical AI ist kein nächster Schritt der Technik, sondern der Beginn einer neuen Epoche. Wenn Intelligenz einen Körper bekommt, verschiebt sich die Beziehung zwischen Denken und Welt. Bisher war KI wie ein Gehirn ohne Hände – sie konnte verstehen, aber nicht handeln. Jetzt entsteht die Verbindung von Wahrnehmung, Sprache, Bewegung und Umwelt. Das ist kein Gimmick, sondern der Punkt, an dem aus Künstlicher Intelligenz Handlungsintelligenz wird.
Ich sehe die größten Potenziale dort, wo Maschinen nicht für, sondern mit Menschen handeln: in der Pflege, in der Landwirtschaft, in der Katastrophenhilfe, im Handwerk, vielleicht sogar in der Kunst. Wir werden erleben, dass Maschinen beginnen, Teil der Welt zu werden – tastend, lernend, durchaus unvollkommen. Das könnte der Moment sein, in dem Technik eher menschlich wirkt.
Welche Auswirkungen könnte immer häufigere Mensch-Maschine-Interaktion durch KI-Roboter auf die Gesellschaft haben?
Die Maschine verlässt den Bildschirm. Das ist eine radikale Zäsur. Plötzlich steht sie im Raum, sieht uns, antwortet uns, bewegt sich auf uns zu. Wir werden mit ihr nicht nur kommunizieren, sondern leben. Damit verschwimmt eine alte Grenze: Die Trennung zwischen Werkzeug und Gegenüber.
Gesellschaftlich heißt das: Wir werden neue Formen von Nähe und Distanz lernen. Wenn eine Maschine mir das Glas Wasser reicht, ist das eine Handlung, kein Datenprozess. Wir werden Empathie empfinden, vielleicht auch Misstrauen oder Zärtlichkeit. Unsere sozialen Instinkte werden reagieren – und wir müssen lernen, sie einzuordnen.
Ich glaube, Physical AI wird uns lehren, was „menschlich“ wirklich bedeutet – indem sie es imitiert, übertreibt oder neu definiert. Wir könnten als Gesellschaft bewusster werden, weil die Maschine uns spiegelt.
Welche Herausforderungen sehen Sie durch Physical AI speziell auf den Arbeitsmarkt zukommen?
Die Arbeitswelt der Zukunft wird weniger in Branchen und Berufen gedacht, sondern in Räumen gemeinsamer Intelligenz. Menschen und Maschinen werden dort kooperieren, wo beide ihre Stärken einbringen: der Mensch im Kontext, die Maschine im Muster.
Physical AI könnte den Menschen körperlich entlasten – und geistig herausfordern. Wir werden Arbeit neu definieren müssen: nicht als das, was wir tun, sondern als das, was wir gestalten.
Die Herausforderung liegt also nicht in der Verdrängung, sondern in der Orientierung. Wir müssen herausfinden, welche Aufgaben uns als Menschen bleiben – und welche neuen hinzukommen. Vielleicht werden wir künftig weniger „Arbeiter“ oder „Angestellte“ sein, sondern Kuratoren maschineller Handlungsspielräume. Das ist nicht das Ende der Arbeit, sondern der Anfang einer neuen Form von Verantwortung.
Welchen rechtlichen Regelungsbedarf sehen Sie in diesem Feld?
Wir betreten juristisches Neuland. Wenn eine physische KI selbstständig agiert, zerstört sie die Idee, dass Verantwortung linear verläuft – vom Menschen über die Maschine zur Handlung. Wir brauchen eine neue Architektur von Verantwortung, die vernetzt denkt.
Aber das Wichtigere ist: Wir sollten Regulierung nicht nur als Schutz sehen, sondern als kulturellen Rahmen. Wenn Maschinen Teil unserer Lebenswelt werden, muss das Recht menschliche Würde nicht nur bewahren, sondern übersetzen – in neue Kontexte, in denen Maschinen zuhören, berühren, helfen, entscheiden.
Vielleicht werden wir in Zukunft so etwas wie eine „Charta der geteilten Präsenz“ brauchen: Regeln, wie sich Intelligenz im Raum verhalten darf. Physical AI ist kein technisches Feld – es ist der Beginn einer neuen sozialen Evolution. Wir sollten sie mit Bewusstsein gestalten, nicht mit Angst.

