VERIMI, netID - zwei Startups mit großen Investoren im Rücken treten an, um Facebook und Google das Geschäft mit der einfachen Anmeldung im Netz streitig zu machen – haben diese Dienste aus Ihrer Sicht eine Chance gegen die etablierten Platzhirsche?
Die Zeit für alternative Login-Systeme zu den datenschutzrechtlich äußerst fragwürdigen Anmeldemöglichkeiten zu Google, Facebook & Co. ist in der Sache mehr als reif. VERIMI ist ja schon länger am Markt. Der Start von netID fiel mit dem Missbrauch der Facebook-Daten durch Cambridge Analytica zusammen, der zeigte, wie verletzlich wir alle im Netz sind. Aus meiner Sicht sind Gesellschaft, Wirtschaft und Politik an einen Punkt gelangt, an dem alternative und datenschutzkonforme Login-Möglichkeiten ihrerseits alternativlos sind, wenn wir die Anforderungen der DS-GVO erfüllen wollen. Zudem wird sich die Internetwirtschaft nach allem was derzeit erkennbar ist, von dem Einsatz von Cookies im Onlinemarketing lösen müssen. Der Login wird dann der einzige Flaschenhals für Kundendaten sein. Will man den Kundenkontakt nicht völlig Google & Co. überlassen, dann ist die Wirtschaft gut beraten, eine alternative und datenschutzkonforme Lösung für Logins anzubieten. Darin liegt eine große Chance für alle Beteiligten, sieht man einmal von Google, Facebook und Amazon ab, die über die alternativen Logins, die monopolisierte Hoheit über die Daten der europäischen Kunden verlieren.

VERIMI bietet mit Video-Ident ein Verfahren, das auch zur Identifizierung bei Bank-Geschäften oder Behördengängen dienen soll. Inwieweit kann dieses Feature den Unterschied machen?
Während NetID nur einen technisch offenen und datenschutzkonformen Standard zur  Anmeldung anbietet, der in einer Stiftung organisiert ist, geht der Ansatz von VERIMI weiter. Ich selbst bin unabhängiges Mitglied im Stiftungsrat von netID. Im zurückhaltenderen Ansatz von netID liegen Vor- und Nachteile zugleich. VERIMI will im Zusammenhang mit dem Login-Angebot ausgewählte weitere Dienstleistungen ermöglichen. Das ist datenschutzrechtlich komplexer. Dafür benötigt man etwa besondere Authentifizierungsverfahren. Hier verfolgen die beiden neuen Angebote eine unterschiedliche Philosophie. Ob der Kunde sich das komplexere oder das auf den reinen Login beschränkte Angebot attraktiver findet, dürfte auch eine Frage seiner Mentalität sein.

Die Dienste versprechen mehr Datenschutz, mehr Sicherheit. Wie schätzen Sie die Chancen für Geschäftsmodelle jenseits der Vermarktung von Nutzerdaten ein?
Jenseits der Vermarktung der Nutzerdaten bieten die Dienste dem den Vorteil, das Netz sicherer und vertrauensvoller zu nutzen. So dürften sich Kunden leichter tun, die Angebote der angeschlossenen Unternehmen zu nutzen. Zugleich werden die Daten nach den Regeln des europäischen Datenschutzrechts gespeichert und europäische Unternehmen werden in den Stand versetzt, rechtskonform Verträge mit ihren Kunden über deren Daten zu schließen. Zudem kann der Monopolisierung der Daten insbesondere bei Google, Facebook und Amazon entgegengewirkt werden. So gesehen können die Ansätze nachhaltig Rechtskonformität und Sicherheit erzeugen.

Nun treten gleich zwei verschiedene deutsche Projekte gegen die US-Riesen an – inwieweit würden durch eine eventuelle Allianz aus Ihrer Sicht die Chancen am Markt steigen?
Ob die unterschiedlichen Ansätze von VERIMI und netID so kompatibel sind, dass eine Allianz möglich ist, kann ich nicht beurteilen. Grundsätzlich kann ein vereinter europäischer Standard ein größeres Gegengewicht zu den Datenmultis entfalten, als unterschiedliche Angebote.