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Das riskante Spiel mit Wetter und Klima

Was Wettermanipulation und Geo-Engineering bringen können

Dr. Michael Sachweh als Studio-Gast beim BR Quelle: WetterService Dr. Sachweh Dr. Michael Sachweh Inhaber WetterService Dr. Sachweh 27.06.2018
INITIATOR DIESER FACHDEBATTE
Uwe Schimunek
Freier Journalist
Meinungsbarometer.info
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"Vom Menschen bewirkte, d.h. anthropogene Eingriffe in das natürliche Wetter- und Klimasystem gibt es schon seit Jahrzehnten in vielen Regionen der Erde", konstatiert Experte Dr. Michael Sachweh. Er beobachtet auch, dass sich Geo-Engineering als großräumige, staatenübergreifende Maßnahme etabliert. Eine riskante Sache.







Wolkenimpfungen für mehr Regen oder gegen zu viel Hagel – wie sehr lässt sich das Wetter heute schon steuern?
Vom Menschen bewirkte, d.h. anthropogene Eingriffe in das natürliche Wetter- und Klimasystem gibt es schon seit Jahrzehnten in vielen Regionen der Erde.

Mittels Bodenraketen oder aus der Luft durch Flugzeuge werden Wolken mit chemischen Substanzen "geimpft", um sogenannte Eiskeime in der Wolke - wichtige Geburtshelfer bei der Niederschlagsbildung - entstehen zu lassen oder zu vermehren. So können Regenfälle dort ausgelöst oder verstärkt werden, wo der Landwirtschaft das nötige Regenwasser fehlt.

Hagelflieger impfen entstehende Hagelunwetter mit einem Silberiodid-Aceton-Gemisch, um die natürliche Hagelbildung zu manipulieren. Sie verstärken durch diesen Eingriff die Hagelproduktion in der Gewitterwitterwolke. Klingt zunächst paradox und kontraproduktiv. Doch im Endeffekt entsteht dadurch mehr Kleinhagel auf Kosten großer, schadensträchtiger Hagelsteine.

An nebelreichen aber regenarmen Küsten mit wüstenhaftem Binnenlandklima (Namibia, Peru z.B.) werden große Netze gespannt, die die winzigen Nebeltröpfchen abfangen und Speichern zuführen. So kann durch das "Melken" von Nebelwolken wertvolles Trinkwasser gewonnen werden. 

Welche Chancen und Risiken ergeben sich aus der Wettermanipulation in Sachen Klimawandel?
Der Klimawandel tritt am deutlichsten und mit der größten räumlichen Verbreitung in Gestalt der Erderwärnung zutage (der Mensch vermehrt die Treibhausgase, besonders CO2, die Atmosphäre wird dadurch wärmer, Rückkopplungsprozesse wie das nachfolgend beschleunigte Schmelzen von Gletschern und Meereis befeuern zusätzlich dieses "Global Warming"). Durch Luftreinhaltemassnahmen ließe sich wirksam gegensteuern, wenn alle Staaten hier an einem Strang ziehen würden. Das tun sie aber nicht, weil wirtschaftliche Interessen und nationale Egoismen das Handeln bestimmen. Daran wird sich auch künftig nichts ändern. Das Geo-Engineering als großräumige, staatenübergreifende Maßnahme etabliert sich deshalb zunehmend als Mittel der Wahl. So kann man den anthropogenen Erwärmungstrend stoppen oder zumindest reduzieren, indem man winzige Aerosolpartikel in der hohen Atmosphäre ausbringt, die die einfallende Sonnenstrahlung mindert (SRM, "Solar Radiation Management"). Oder das Treibhausgas CO2 wird aus der Atmosphäre herausgefiltert und in Boden, Ozeanen und in der Biosphäre verklappt (CDR, "Carbon Dioxide Removal"). Im Fokus des Geo-Engineering und in der theoretischen Konzeption schon weit fortgeschritten ist die Düngung großer Ozeanareale mit Eisen- oder Phosphorpartikel, um deren Aufnahmefähigkeit für das unerwünschte atmosphärische CO2 zu erhöhen.

Die Risiken bestehen darin, dass bislang keinerlei praktische Erfahrungen mit diesen Manipulationsmethoden im großen Stil gemacht wurden und sich ihre möglichen negativen Nebenwirkungen (bei SRM Schädigung der Ozonschicht, bei CDR Gefährdung mariner Ökösysteme und der menschlichen Gesundheit) nur schwer abschätzen lassen.

Mehr Regen in einer Region könnte eventuell weniger Niederschläge in einer anderen bedeuten – wer sollte über Wettermanipulationen bestimmen dürfen?
Denken wir an den berühmten Flügelschlag des Schmetterlings am Amazonas, der angeblich einen Tornado in den USA auslöst. Dieses Beispiel ist zwar maßlos übertrieben, hat aber einen wahren Kern und erinnert an einen elementaren physikalischen Grundsatz: In der Atmosphäre gibt es über Hunderte, ja Tausende Kilometer hinweg zahlreiche Wechselwirkungen, die entsprechend der Chaos-Theorie nie exakt berechnet werden können. Die Zusammenhänge sind zudem nichtlinear, das heißt kleine Ursachen können sich zu großen Wirkungen aufschaukeln. Das Gesagte gilt übrigens im Prinzip auch für Ozeane, und da es Wechselwirkungen zwischen Ozeanen und der Atmosphäre gibt, kann ein begrenzer Eingriff in Wetter und Klima unvorhersehbare, staatenübergreifende Folgen für eine größere Erdregion haben. Werden Wolken hier zum Ausregnen gebracht, kann als Folge dort lebenswichtiges Wasser fehlen. Wer mag da für die Konsequenzen seiner Manipulationen geradestehen wollen? Rechtlich gesehen, kann nur die Weltgemeinschaft in einer absoluten Konsensentscheidung Grünes Licht für solche Maßnahmen geben.

In der Praxis aber werden vom Klimawandel besonders betroffene Staaten nicht auf diesen Sanktnimmerleinstag warten, und sie haben gute Chancen, für ihr Vorgehen in Eigenregie niemals belangt zu werden: Ein sauberer Nachweis der Auswirkungen von Wetter- und Klimamanipulationen ist nämlich nicht möglich. Zu kompliziert sind die atmosphärisch-ozeanischen Wechselwirkungen, zu sehr sind anthropogene und natürliche Prozesse miteinander verwoben, um einen wissenschaftlich belastbaren Beweis für schädliche Nebenwirkungen der Manipulationen erbringen zu können.

Nach einer UN-Konvention sind Wettermanipulationen zu militärischen Zwecken verboten. Wie lässt sich das von ziviler Nutzung zuverlässig abgrenzen?
Wie ich oben schon ausführte, ist es nicht möglich, einen präzisen Nachweis der Auswirkungen von Wetter- und Klimamanipulationen zu erbringen. Die Atmosphäre ist, um einen Fachbegriff zu benutzen, ein chaotisches System, das es uns gerade mal erlaubt, das Wetter an einem Ort für sieben bis 10 Tage halbwegs verlässlich vorherzusagen. Die Vorhersage solcher militärischer Manipulationseffekte, die raumzeitlich von ganz anderer Größenordnung sind, ist schlicht unmöglich - jedenfalls nicht in der nötigen Genauigkeit, um ein brauchbares "Täterprofil" erstellen zu können. Im Übrigen zeigt der Blick auf vergangene und gegenwärtige kriegerische Auseinandersetzungen, dass UN-Konventionen Staaten noch nie wirklich davon abgehalten haben, ihre gesteckten militärischen Ziele mit allen Mitteln, die ihnen zur Verfügung stehen, durchzusetzen. Sollten sich Manipulationen der Atmosphäre als probates militärisches Mittel erweisen, werden sie auch angewandt.


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