Der Verband BIU konstatiert in einem Bericht „obwohl hierzulande immer mehr Computer- und Videospiele verkauft werden, bleibt Deutschland als Produktionsstandort vergleichsweise unbedeutend“. Woran liegt das aus Ihrer Sicht?
Deutschland ist für viele Spieleentwickler mehr Absatzland als Produktionsstandort. Diese nüchterne Feststellung ist richtig. Dennoch haben wir zum Beispiel mit einigen deutschen Entwicklern zarte Pflänzchen, deren Entwicklung nicht unter die Räder kommen sollte. In Berlin ist die Games-Branche eine der Wachstumsbranchen. Aktuelle Zahlen des Medienindex Berlin-Brandenburg weisen für die Spielebranche einen Umsatz von mehr als 1 Milliarde Euro aus, mehr als 11.000 Beschäftigte finden hier ihr Auskommen. Deutschland kann im Wettbewerb mit vergleichsweise gut ausgebildeten Fachkräften werben und zieht zudem hochqualifizierte junge Leute aus dem europäischen Ausland an.
Für Filme gibt es eine umfangreiche Förderstruktur in Bundesrepublik. Brauchen Spiele-Entwickler eine ähnliche Förderlandschaft?
Es gab in den vergangen Jahre diverse Vorschläge, auch für eine Förderung von Prototypen oder „wertvollen“ Spielen. Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass sich deutsche Entwickler ein Förderungskorsett wie beim Film wünschen. Viel mehr ist zu beobachten, dass die Filmförderung zu einer Monokultur führt – die staatliche Filmförderung wird so zu einem Siegel, ohne den ein Film gar nicht mehr produziert werden kann. Natürlich bekomme ich mit, dass andere Länder zum Beispiel mit großzügigen finanziellen Hilfen um Softwareentwickler buhlen, Deutschland sollte in diesen Subventionswettlauf nicht eintreten, weil es ihn nicht gewinnen kann.
Gleichzeitig hat die Bundesregierung eine Reihe Programme und Möglichkeiten zur klassischen Wirtschaftsförderung und Startups aufgelegt – von dieser branchenunabhängigen Unterstützung bei der Finanzierung können natürlich auch Spieleentwickler in Deutschland profitieren. Außerdem ist der Deutsche Computerspielpreis ein gutes Instrument zur Förderung kleiner Studios aus Deutschland, zum Beispiel der vielfache Gewinner Daedalic aus Hamburg. (Eine weitere branchenspezifische Förderung lehne ich ab.)
Experten verweisen auf die ausgeprägte Arbeitsteilung bei der Spiele-Entwicklung und benennen unter anderem den mangelnden Internet-Breitband in Deutschland als Problem für die Spiele-Entwickler. Wie sehen Sie das?
Diese Frage stellt das Henne-Ei-Problem eindrucksvoll dar. Natürlich stehen die Infrastruktur und die Inhalte in einem gegenseitigen Abhängigkeitsverhältnis. Zur Wahrheit gehört aber auch: So wie Spiele regelmäßig die Sprünge bei der Computer-Hardware vorantreiben, haben auch die erfolgreichen Online-Spiele der Vergangenheit dazu beigetragen, dass die Verbreitung von schnellen Internetanschlüssen steigt. Die erfolgreichen Online-Spiele konnten immer mit den aktuell zur Verfügung stehenden Bandbreiten bzw. Ressourcen umgehen, waren frühe Spiele anfangs sogar bequem online mit ISDN-Geschwindigkeit spielbar, ist das bei für viele heute unvorstellbar. Gerade einem Online-Spieler muss man gerade nicht erklären, warum hohe Bandbreiten sinnvoll sein können – das können nicht alle nachvollziehen. Deshalb haben wir auch Probleme mit der Take-up-Rate von schnellsten Internetanschlüssen. Das wirkt sich natürlich auf die Durchdringung in der Fläche aus. Deshalb fördert die Bundesregierung mit mehr als 2 Milliarden den Breitbandausbau in Deutschland. Das ist ein wichtiger Schritt.
Im Trend sind die sogenannten „Indies“. Welche Rolle spielen unabhängige, kleine und kleinste Unternehmen für die Branche heute und in Zukunft?
Für kleine unabhängige Spielentwickler sehe ich gute Chancen für die Zukunft. Ihnen fällt es leichter neue Märkte und Anwendungen in den Markt zu bringen, zumindest einfacher als der Weg in den umkämpften Studiomarkt mit Triple-A-Bestsellern. Ich sehe große Potenziale im Bereich Industrie 4.0 und Gamification. Auch von den Entwicklungen im Bereich der Virtuellen Realität bin ich begeistert – neue Betätigungsfelder außerhalb klassischer Spielemärkte in der Architektur, Medizin oder Fahrzeug- und Maschinenbau liegen hier auf der Hand.