Herr Grube, Sie haben ankündigt, 1 Milliarde Euro in Digitalisierungsprojekte zu investieren. Was steckt hinter dieser Strategie?
Unsere Apps sind tägliche Begleiter von Millionen von Menschen. Allein über den DB Navigator werden jeden Tag rund vier Millionen Reiseauskünfte erteilt. Aber Digitalisierung bei der DB ist weit mehr. Sensoren, Scanner und Telematiksysteme erhöhen bereits die Qualität im Bahnbetrieb und die Pünktlichkeit oder sorgen dafür, dass Rolltreppen und Aufzüge in Bahnhöfen seltener ausfallen. Digitale Technologien kommen auch in der Logistik zum Einsatz. Innovative Lager-Lösungen, 3D-Druck oder Platooning - autonom fahrende LKW-Kolonnen – sind Zukunftsfelder, die wir aktiv mitgestalten. Für uns sind mit der Digitalisierung große Chancen verbunden. Deshalb investieren wir gezielt in Digitalisierungsprojekte, die das Reisen noch einfacher und bequemer sowie Gütertransporte noch verlässlicher, effizienter und klimaschonender machen.
Welche Vision haben Sie in Bezug auf die Zukunft des Reisens?
Die digitale Vernetzung der Verkehrsmittel und das autonome Fahren werden den Angebotsmarkt grundlegend verändern. Der motorisierte Individualverkehr (MIV) und der öffentliche Verkehr (ÖV) werden künftig zum Individuellen öffentlichen Verkehr (IÖV) verschmelzen. Mobility on demand, von Tür zu Tür – das ist die Zukunft. Gleiches gilt für die Logistik. Die Datenübertragung wird immer schneller, Robotik und künstliche Intelligenz werden Stück für Stück Realität. Kurzum: Die Digitalisierung schafft völlig neue Möglichkeiten, dem Kunden das zu ermöglichen, was er wünscht: Nahtlose Reise- und Transportketten, die individuell auf seine Bedürfnisse zugeschnitten sind. Daran arbeiten wir als Deutsche Bahn intensiv.
Welche Rolle spielt in Ihren Plänen die Beteiligung an digitalen Start-Ups, die sich bspw. mit der Luftfahrt und Schifffahrt befassen?
Wir versprechen uns von der Zusammenarbeit mit Start-Ups – insbesondere aus der Mobilitätsbranche - wichtige Impulse. Deshalb halten wir für direkte Beteiligungen bis 2018 zusätzlich 50 Millionen Euro bereit. Bei Gründern hat sich herum gesprochen, was die DB zu bieten hat. Sei es der Zugang zu einem riesigen Datenschatz rund um die größte Eisenbahninfrastruktur Europas oder die hohe Zahl an Kundenkontakten. Wir bieten beste Voraussetzungen, um Prototypen auf Herz und Nieren zu testen und zur Markt- und Serienreife zu entwickeln. Immer mehr Jungunternehmer sehen unter dem Schirm der DB zudem die Möglichkeit, neue datenbasierte Geschäftsmodelle zu entwickeln und weitergehende Services anzubieten. Eines der Startups entwickelt beispielsweise intelligente Schließfächer, in denen Kunden unterwegs bestellte Online-Einkäufe abholen können. Mit unserem neuen Partner Plug and werden wir die Startup-Zusammenarbeit ab 2017 thematisch ausweiten. Luftfahrt und Schifffahrt sind da nicht ausgeschlossen. Für innovative Lösungen in der Logistik sind wir immer offen.
Was entgegnen Sie Kritikern, die befürchten, dass die Deutsche Bahn den digitalen Mobilitätsmarkt in Deutschland bald komplett beherrschen wird?
Diese Befürchtung ist an mich noch nicht herangetragen worden. Sie wäre auch unbegründet. Digitalisierung funktioniert nicht im Alleingang. Im Gegenteil! Wir öffnen uns stärker als je zuvor Kooperationen. Unser Grundverständnis als DB ist nicht, den Markt zu beherrschen, sondern durch Qualität zu überzeugen. Mit der Digitalisierung in unserem Kerngeschäft, der Eisenbahn, wollen wir außerdem dazu beitragen, über höhere Marktanteile der umweltfreundlichen Schiene die Zukunft der Mobilität nachhaltig zu gestalten.