Stressprophylaxe und ein tiefes Bewusstsein davon, wie Stress ausgelöst und wie wir ihm begegnen können, ist ein Dauerthema gerade für Führungskräfte. In loser Folge wollen wir uns mit diesem Phänomen beschäftigen und neueste Methoden, Ansätze zur Stressprävention und Stressreduktion aus ganz verschiedenen Blickwinkeln untersuchen. Den Auftakt macht Nadia Wallatis. Sie ist ausgebildete Psychotherapeutin, Körpertherapeutin, Heilpraktikerin und praktiziert ebenso als Business Coach - und das mit großer Leidenschaft seit Jahrzehnten in diesen Bereichen. Die neuesten Erkenntnisse aus der Neurobiologie und verschiedene international anerkannte Therapieansätze lässt sie in ihre Arbeit mit einfließen.
Warum stehen Führungskräfte heutzutage unter besonderem Stress?
Nadia Wallatis: Stress als Ursache zahlreicher Erkrankungen wird immer wieder unterschätzt. Das Gefühl stets "abliefern“ zu müssen, idealerweise „immer“ die oder der Beste zu sein, steht unserer Gesundheit und unserem Wohlbefinden wie eine unüberwindbare Mauer im Wege. Hinzu kommt unsere aktuelle Zeit, die von multiplen Krisen und der unsicheren VUCA-Welt geprägt ist und das Außen nicht gerade übersichtlicher macht.
Viele Führungskräfte haben ein straffes Sportprogramm und wollen so ihren Stress abbauen. Funktioniert das als Methode?
Meiner Einschätzung nach funktioniert das eher selten, weil viele Führungskräfte ihr Sportprogramm übertreiben. Nicht nur im Sport, sondern in allen Bereichen meines Lebens geht es darum, mein „Bestes“ zu geben, um in erster Linie zufrieden und „erfüllt“ zu sein. Es geht eben nicht darum sein „Äußerstes“ zu geben, denn das ist auf Dauer sehr schädlich. Wenn ich eben auch noch beim Sport die Zähne zusammenbeiße, mir Gewichte aufladen, Laufstrecken bis zur Erschöpfung renne, um den Kopf freizubekommen, wird mir mein Körper auf Dauer ganz klar Grenzen setzen. Das Gute an unserem Wunderwerk „Körper“ ist, dass er normalerweise schnell Signale sendet, wenn er überfordert ist, bzw. mal eine Pause benötigt. Die weitere gute Nachricht: er fällt zum Glück nicht direkt um. Doch wir müssen auf diese Signale achten. Das ist entscheidend, um nicht in eine Spirale nach unten zu geraten, womöglich in einem Burnout oder einer schwereren Erkrankung zu landen, aus der ich mit externer Hilfe nicht mehr herauskomme.
Natürlich kann mir ein wohlportioniertes Sportprogramm auch helfen, Stress abzubauen. Das muss auch nicht Yoga oder autogenes Training sein. Es kann und darf selbstverständlich auch etwas mit Schnelligkeit zu tun haben. Es sollte allerdings dazu führen, dass ich hierbei „runterfahren“ kann. Das Wesentliche dabei sollte sein, dass ich Freude daran habe und das Gefühl aufkommt, dass ich mir mit dieser Aktivität etwas Gutes tue. Es geht immer um die innere Balance. Dann kann ich auch mein ganz eigenes Bestes geben.
In den vergangenen Jahren sind viele Erkenntnisse zur Rolle des Nervensystems zum Beispiel aus der Neurobilologie in die Stressforschung eingeflossen. Warum ist es so wichtig, das Nervensystem bei dem Thema nicht zu vergessen?
Ab der 3. Schwangerschaftswoche beginnt bereits die Entwicklung des Nervensystems. Das bedeutet, dass bereits in dieser Phase Verknüpfungen und Erfahrungen verarbeitet und gespeichert werden. Und da der Embryo unabdingbar mit der Mutter verbunden ist, ist Stress von außen leider auch Stress für den Embryo. Jeder Mensch geht unterschiedlich mit Stress um und hat mehr oder weniger Ressourcen, um diesen Stress wieder abzubauen. Werden wir sehr viel und sehr oft mit unangenehmen oder aufreibenden Situationen konfrontiert, kann dies später die Konsequenz haben, dass unsere Stressresistenz eher niedrig angelegt ist. Tatsächlich kann man durchaus allein durch das „Bewusstmachen“, dass es in unserem Leben womöglich schon einige sehr stressvolle Situationen gab, und zwar schon viel früher als man dachte, einiges verändern. Das Nervensystem sorgt in erster Linie dafür, dass wir überleben, auch wenn es etwas theatralisch klingt. Aber das ist nun mal der Hauptjob des Nervensystems. Und es entwickelt Strategien, die dafür sorgen, dass wir - also als gesamtes System aus Körper, Psyche und Geist in Balance bleiben. Unser Nervensystem lässt sich nicht austricksen, aber es lässt sich durchaus überzeugen, dass eine sehr früh damals sinnvolle und womöglich lebensnotwendige Strategie, die mir heute vielleicht im Wege steht, verändert werden könnte.
Stress kann durchaus auch positiv sein. Doch wann wirkt Stress wirklich negativ auf uns?
Forscher und Wissenschaftler gingen lange Zeit davon aus, dass der Körper und die Psyche völlig unabhängig voneinander agieren, also im Grunde nichts miteinander zu tun haben. Inzwischen weiß man, dass sehr wohl eine sogar sehr enge Beziehung zwischen Körper und Psyche besteht. Seelische Belastungen, und hier steht Stress an erster Stelle, schwächen unser Immunsystem und sind in der Lage schwerwiegende Erkrankungen auszulösen. Oft ist es ein Gefühl von Überforderung. In allen Bereichen muss ich funktionieren, darf mir keine Fehler erlauben, will möglichst die Wünsche aller erfüllen und bloß keine Schwäche zeigen. Ich benötige mehr Energie und erwarte, dass diese Mehrleistung jederzeit von meinem Körper ausgeführt wird. Mehrleistung bedeutet aber auch mehr Muskelanspannung, und wer von uns kennt das nicht, was dann passiert? Der Rücken schmerzt, der Nacken ist verspannt, und zusätzlich bekomme ich womöglich auch noch Kopfschmerzen. Der andauernde Stress und eine andauernde Anspannung führen also zu Verkrampfungen und Schmerzen. Gebe ich mir keine Ruhephasen, manifestiert sich diese Anspannung in meinem Körper. Unser Gehirn, das unter anderem die Aufgabe hat dafür zu sorgen, dass alles im Körper so funktioniert, dass unser Leben und Überleben gesichert sind, reagiert sehr sensibel auf länger anhaltende Anspannung bzw. Belastung.
Was passiert dann in unserem Körper?
Unser Körper ist wie ein Kompass. Wenn wir auf seine Signale hören, zeigt er zumeist sehr genau an, ob wir im Gleichgewicht sind oder nicht. Anspannung bzw. Überlastung führen dazu, dass unser Gehirn, in diesem Fall die Amygdala, unser Frühwarnsystem, Anweisungen erteilt, die willentlich nicht steuerbar sind. Botenstoffe werden ausgeschüttet, die einen erhöhten Puls, Aufregung und Herzklopfen hervorrufen. Gibt es hier auf Dauer keine Balance zwischen Anspannung und Entspannung, leidet unser Herz! Es kann zu Bluthochdruck, Schädigung der Blutgefäße und im schlimmsten Fall zum Infarkt führen. Eine hohe Belastung kann ebenso zur Schwächung des Immunsystems beitragen. Durch mangelnde Immunabwehr haben es dann Erreger von außen leichter, im Körper Entzündungen hervorzurufen. Besonders verheerend ist, dass andauernde Belastung und Stress dazu führen, dass das empfindliche System von Botenstoffen aus dem Gleichgewicht geraten kann. Die Information, die dafür sorgt, dass der Körper nach einer akuten Stress-Situation wieder beruhigt wird, ist bei einer Dauerbelastung gestört. Das Gehirn sendet nun fortlaufend Signale, die dafür sorgen, dass das Stresshormon Kortisol aus der Nebenniere ausgeschüttet wird. Die Zellen, die normalerweise die Stressreaktionen dämpfen, reagieren nicht mehr adäquat, so dass dieser Umstand zu einem Dauerstress im Körper führt. Ist die Menge des Stresshormons Kortisol im Blut permanent erhöht, ist das Burnout-Risiko signifikant höher. Zusätzlich kann sich die Aktivität des Gehirns insoweit verändern, dass verstärkt negative Denkmuster entstehen und positive Lösungsansätze etwas anzugehen, an Dynamik verlieren.
Wie wirkt sich gefühlte Sinn-Losigkeit auf unser Leben aus und wie kommen wir hier wieder ins Gleichgewicht
Die Verbindung zu gefühlter Sinn-Losigkeit besteht hierbei in negativen Denkmustern. Wo ist der Sinn in meinem Leben, wenn ich mich mit den Dingen beschäftige, die nicht funktionieren, mich stressen und nicht erfüllen? Wie lebt es sich mit einem Körper, der nicht so funktioniert, wie er es mal getan hat? Was will er mir mitteilen? Zu erkennen, welche Zusammenhänge es hier auf der seelischen und körperlichen Ebene gibt, was Stress letztendlich auslöst, ist der erste Schritt, den ich in die Richtung zu physischer und seelischer Gesundheit gehen kann. Da ist dann die richtige Richtung zu einem gesunden Gleichgewicht von An- und Entspannung.
Business-Retreat im April zum Sinnfinden und Auftanken:
In einem kommenden Retreat im April 2024 wird Nadia Wallatis auch verschiedene Therapieformen aufzeigen und erklären, wie diese das Zusammenarbeiten von Physis und Nervensystem unterstützen können. Hierbei steht im Vordergrund, sich den körperlichen Ursachen von Stress und der Sinnfindung zuzuwenden. Das nächste Retreat „Mein Weg – Retreat für Sinn und Erfüllung“ mit Nadia Wallatis und ihrem Co-Trainer Joachim Nickelsen findet vom 22. bis 26. April2024 statt.
Hier gibt es weitere Detailinformation zum Angebot des Exzellenzwerk und die Möglichkeit eines persönlichen Gesprächs mit Nadia Wallatis oder Joachim Nickelsen.