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Vorsicht Falle: Der Klang bei DAB+

Was der Starforscher und MP3-Erfinder den Radiomachern empfiehlt

Prof. Dr.-Ing. Dr. rer. nat. h.c. mult. Karlheinz Brandenburg, Leiter des Fachgebietes Elektronische Medientechnik an der TU Ilmenau, Direktor des Fraunhofer-Instituts für Digitale Medientechnologie (IDMT) Quelle: Fraunhofer IDMT/Stefanie Theiß Prof. Karlheinz Brandenburg MP3-Erfinder Fraunhofer-Institut IDMT 08.12.2016
INITIATOR DIESER FACHDEBATTE
Alexander Hiller
Redakteur
Meinungsbarometer.info
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Prof. Karlheinz Brandenburg zählt nicht zuletzt durch seine Grundlagenforschung für MP3 zu den deutschen Forscherstars. Kaum jemand weiß so gut darüber Bescheid, mit welchen Bitraten und welchen Codecs die klanglich besten Resultate zu erreichen sind. In unserer Debatte zu den Klangeigenschaften von DAB+ empfiehlt jetzt Prof. Brandenburg zusammen mit Olaf Korte, Leiter der Gruppe Broadcast Applications am Fraunhofer IIS in Erlangen, den deutschen Radiomachern was sie bei der DAB+ Ausstrahlung beachten müssen. Denn gerade beim Digitalradio drohen einige gefährliche Fallen. Im schlimmsten Fall kann es bei DAB+ zu deutlich hörbaren Artefakten kommen.







AAC mit HE und ohne, in verschiedenen Versionen. Welches ist der richtige Codec für welches Programm bei der DAB+-Ausstrahlung?
Wie an vielen Stellen: „it depends“, es ist schwer, allgemeingültige Antworten zu geben. Die Antwort ist abhängig von der Programmart und der zur Verfügung stehenden Bitrate. Klassik werde ich kaum nur bei niedriger Bitrate und in Mono übertragen wollen, bei reinen Sprachprogrammen ist das etwas anderes. Die Grenzen sind fließend, aber als Anhaltspunkt kann man sagen: Bei 32 kbps und weniger sollte es HE-AAC in mono sein, dann kann es noch annehmbar klingen. Präferiert ist diese Variante für Programme mit fast nur oder nur Sprache. Bei 48kbps ist oft HE-AACv2 im Einsatz. Damit gewinnt man keine Hörtests gegen höhere Bitraten, aber der reale Einsatz dieser Bitrate (in vielen Systemen) im Hörfunk zeigt, dass die Qualität doch „gut genug“ sein kann. Bis 96 kbps sollte dann HE-AAC zum Einsatz kommen. Bei noch höheren Bitraten kommen wir in den Bereich, in dem AAC-codiertes Material auch von „goldenen Ohren“ im Blindtest normalerweise nicht vom Original unterschieden werden kann. Das ist eine hervorragende Wahl, z. B. für Klassik.

Viel Bandbreite bringt guten Klang – und kostet viel Geld. Bei welcher Datenrate wird das klanglich und ökonomisch beste Ergebnis erzielt?
Das hängt stark vom Material ab: Für Klassikprogramme (z. B. BR Klassik) werden schon einmal 144 kbps eingesetzt. Andere halbieren diese Bitrate selbst für Klassik oder gehen noch niedriger. Aus Sicht der Teams, die seinerzeit an der Entwicklung und Standardisierung der Codecs gearbeitet haben, präferiere ich höhere Bitraten. Damit gibt es eine deutlich geringere Gefahr, dass einzelne Musikstücke (ich denke nur an die berühmt-berüchtigten Kastagnetten) schauderhaft klingen. Im Endeffekt ergibt sich ein Trade-Off aus Ökonomie und Klangqualität, der beim jeweiligen Sender politisch entschieden werden muss.

Was müssen die Sender bei der Aufbereitung des Signals für die Ausstrahlung bei DAB+ beachten? Und ggf.: Beachten die Sender die Erfordernisse aus Ihrer Sicht?
Die grundlegenden Regeln der Audiocodierung gelten auch für Sender, die DAB+ ausstrahlen: Heutige Verfahren und ganz besonders HE-AAC sind Verfahren, die hochwertiges Ausgangsmaterial zum Endkunden in guter Qualität übertragen können. Sobald an der Qualität der Zuspielung gespart wird, indem z. B. schon bei niedrigen Bitraten codiertes Material eingesetzt wird, können sogenannte Transcodierartefakte hörbar werden. Um auf Nummer sicher zu gehen, darf keinerlei Transcodierung eingesetzt werden, d. h. das Ausgangsmaterial muss in voller 16-BIT (oder höher) -Qualität vorliegen. Dass sich das Signal vorher gut anhört, reicht nicht. Leider wird diese Regel zu oft nicht beachtet.

Kritiker beklagen, dass viele DAB+ Programme nicht besser als vergleichbare auf UKW klingen. Wie sehen Sie das?
Das hängt von den verwendeten Bitraten ab, aber natürlich auch davon, ob sonst alles richtiggemacht wurde. Prinzipiell kann DAB+ auch bei geringen Bitraten eine höhere Signaldynamik übertragen, ohne dass Rauschen störend hörbar wird. Wenn die Signale trotzdem erst einmal durch einen Compander/Limiter gejagt werden, bleibt davon nichts mehr übrig. Wenn die Bitrate dann noch so gering gewählt wurde, dass je nach Musikstück deutliche Artefakte hörbar werden, dann ist der Klangvorteil verspielt.
Andererseits: Wer viel mit einem DAB+ Autoradio unterwegs ist, kennt den folgenden Effekt: Wenn zwischen FM und DAB+ umgeschaltet wird, hört man ganz deutlich:  DAB+ klingt deutlich hörbar durchsichtiger und breiter (im Sinne des Raumklanges). Das ist ein Ergebnis der auf jeden Fall deutlich besseren Kanaltrennung (gegenüber FM). Um zusammenzufassen: Wenn sowieso nur Sprache oder lauter Klangbrei übertragen wird, dann höre ich keinen Vorteil von DAB+. Je hochwertiger das Sendematerial ist, desto deutlicher auch der Vorteil von DAB+

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