Nach einer aktuellen Studie ließen sich durch IT-Lösungen in der Verwaltung bei verschiedenen Prozessen bis zu 70 % der Kosten einsparen. Woran hakt es bei der Einführung eines effizienten E-Governments aus Ihrer Sicht?
Es fehlt eine konsequente Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung. Prozesse können heute digital einfacher und schneller abgewickelt werden. Dazu müssen aber die bestehenden Prozesse untersucht und neu gestaltet werden. Das heißt, man muss sich Gedanken darüber machen, wie Verwaltungsleistungen für den Verwaltungskunden einfacher und schneller abgewickelt werden können, wenn man die Möglichkeiten der IT konsequent nutzt. Das bedeutet für die Verwaltung, lieb gewonnene Gewohnheiten über Bord zu werfen und neue elektronische Prozesse zu kreieren. Für Prozessoptimierungen braucht man allerdings Zeit, Geld, Personal und die Unterstützung der politisch Verantwortlichen. Darüber hinaus sind teilweise auch rechtliche Anpassungen notwendig, aber die Ergebnisse unserer Untersuchung zeigen, dass der bestehende Rechtsrahmen oft genug ausreicht.
Die Studie schlägt die Entwicklung modular aufgebauter und kompatibler E-Government-Angebote vor. Wie lässt sich das bei der föderalen Struktur in Deutschland umsetzen?
E-Government wird sich nur dann weiterentwickeln, wenn es gelingt, Prozesse und Leistungen weiter zu standardisieren und die verschiedenen Verwaltungsebenen miteinander zu vernetzen. Solange jede Verwaltungseinheit eigene Anwendungen gestaltet und Infrastrukturkomponenten verwendet, die mit denen anderer Verwaltungseinheiten nicht zusammenpassen, kann kein ebenen übergreifendes, durchgängig medienbruchfreies E-Government entstehen. Warum soll sich jede Verwaltungseinheit Gedanken darüber machen, wie sie ihre Prozesse elektronisch gestalten soll? Die Bestellung einer Geburtsurkunde oder die Beantragung eines Führerscheins sind im Prinzip überall gleich. Nicht jede Verwaltungseinheit muss sich mit der Frage von Identifizierung und Authentifizierung befassen oder die Vor- und Nachteile der verschiedenen elektronischen Bezahlsysteme diskutieren, die für eine vollständig elektronische Abwicklung solcher Prozesse notwendig sind. Das ist ineffizient und kostet erhebliche Ressourcen. Wir müssen zu standardisierten und einheitlich beschriebenen Prozessen kommen, aus der sich die öffentliche Verwaltung wie aus einem Baukasten die jeweils für sie passenden Teile heraussucht. „Government as a Service“ (GaaS) heißt dieses Konzept, bei dem Software und Services als Module aus der Cloud abgerufen werden können. Kommunalverwaltungen können hier auf das Wissen und entsprechende Angebote ihrer öffentlichen IT-Dienstleister zurückgreifen. Übrigens ist GaaS eine Fokusgruppe beim Nationalen IT-Gipfel unter der Federführung von Dr. Johann Bizer, Vorstandsvorsitzender von Dataport und Vorstandsmitglied bei Vitako.
Gefordert wird die Einmalerhebung von Daten und deren Wiederverwendung mit Zustimmung des Betroffenen. Wie lässt sich der Datenschutz sicherstellen?
Die Verwaltung benötigt die Daten ihrer Bürger, um Anträge bearbeiten zu können und um die geforderte Leistung zu erbringen. Sie hat kein Interesse daran, die Daten ihrer Bürger als Handelsware am Markt zu verkaufen. Im Moment führt der Zweckbindungsgrundsatz von Daten aber zu einer Mehrfacherfassung von Daten, wenn verschiedene Organisationseinheiten oder Behörden an der Leistungserbringung beteiligt sind. Für jeden Antrag müssen bereits vorhandene Daten wie Name und Anschrift wieder neu eingegeben werden. Außerdem muss der Bürger häufig verschiedene Nachweise z. B. in Form von Urkunden von anderen Behörden beibringen. Mit den heutigen technischen Möglichkeiten könnte man diese umständliche Prozedur schneller und kundenfreundlicher gestalten. Anstatt eine Geburtsurkunde anzufordern und diese einem Antrag beizufügen, könnte der Bürger der Behörde auch einfach gestatten, sich selbst den entsprechenden Eintrag aus dem Personenstandsregister zu holen. Das E-Government-Gesetz des Bundes sieht diese Möglichkeit heute bereits ausdrücklich vor. Sie wird nur noch nicht richtig angewendet.
Es gibt in Deutschland bereits ein E-Government-Gesetz. Dazu gibt es Landes- und Kommunalvorschriften. Welche Änderungen am Rechtsrahmen würden Sie sich noch wünschen?
Viele bestehende Rechtsvorschriften stammen aus der Papierwelt und sind an die fortschreitende Digitalisierung von Staat und Verwaltung noch nicht angepasst. Da gibt es noch viel zu tun – sowohl beim Bund als auch bei den Ländern und den kommunalen Satzungen. Niemand weiß, wie viele Schriftformerfordernisse es tatsächlich gibt. Um diese abzuschaffen, müssen wir aber mehr Aufklärung betreiben und darüber informieren, welche technischen Möglichkeiten wir haben und wie wir diese nutzen können. In der Praxis gibt es nach wie vor viele Unsicherheiten darüber, ob das Recht nun eine elektronische Umsetzung zulässt oder nicht. Hier würde manchmal ein schlichter Hinweis im Gesetz ausreichen, dass neben der schriftlichen auch die elektronische Form zulässig ist.