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Interview14.04.2016

Smarte Dörfer, die besseren Städte?

Wie die Dörfer dank der Digitaliserung endlich ihre Standortnachtteile abbauen können

PD Dr. Karl Martin Born, Vorsitzender des Bundesverbands Lebendige Dörfer e.V. Quelle: Bundesverband Lebendige Dörfer e.V. PD Dr. Karl Martin Born Bundesverband Lebendige Dörfer e.V.
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Alexander Hiller
Redakteur
Meinungsbarometer.info
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Ländliche Räume gelten zu Recht als besonders lebenswerte Räume. Doch langsames Internet, Schwierigkeiten bei der Bereitstellung von Gütern und Dienstleistungen beeinträchtigen dieses positive Bild.  Das könnte sich dank der Digitaliserung hin zu smarten Dörfern jetzt ändern, glaubt der Vorsitzender des Bundesverbands Lebendige Dörfer e.V.





Wie und warum bleibt das Land im modernen Kommunikations- und Digitalzeitalter lebenswert?
Ländliche Räume gelten zu Recht als besonders lebenswerte Räume – sie bieten durch ihre landschaftliche Einbettung, ihre architektonische Ausgestaltung und ihre intakten sozialen Strukturen eine hohe Lebensqualität. Beeinträchtigt werden diese positiven Aspekte gegenwärtig vor allem durch die Verschlechterung der Daseinsvorsorge, d. h. der Bereitstellung von Gütern und Dienstleistungen, die die Bewohner zum Leben benötigen. Moderne Kommunikationstechnologien werden einen wichtigen Beitrag dazu leisten, Anbieter und Nachfrager enger miteinander zu vernetzen bzw. spezifische Mobilitätslösungen zu ermöglichen: Entweder kommt der Kunde zum Produkt oder das Produkt zum Kunden. Gerade soziale Medien werden auch wichtige Instrumente sein, im Zeitalter hoher Mobilität den Kontakt nicht abreißen zu lassen und das Dilemma der Multilokalität dahingehend aufzulösen, dass man in der Stadt und auf dem Land leben kann, ohne auf soziale Kontakte verzichten zu müssen. Insofern bieten moderne Kommunikationstechnologien die Möglichkeit, Leben und Arbeiten auch räumlich wie-der enger zusammenzusammenbringen – eine Lebensweise, wie sie bis zum Beginn der Massenmobilisierung und des Pendelns typisch für ländliche Räume war.

Mit welchen Argumenten und Standortvorteilen könnten ländliche Gebiete gegenüber den hochmodernen und vernetzten Stadträumen punkten?
Ländliche Räume bieten Lebensqualität, die unabhängig von landschaftlicher und architektonischer Wertigkeit eben auch vom „Leben auf dem Land“ bestimmt ist. Übersichtlichkeit, identitätsgetragene Verbundenheit und Verantwortlichkeit sind Rahmenbedingungen, die für das Wohnen und Arbeiten auf dem Dorf entscheidend sind: Netzwerke aus Menschen und Unternehmen, dörfliches und regionales Engagement sowie Besonnenheit und Beharrlichkeit trotzen der Dynamik und Trendbezogenheit von Metropolen; intakte soziale und wirtschaftliche Strukturen lassen ländliche Räume dann auch nicht weniger erfolgreich erscheinen als Stadträume. Weiterhin punkten ländliche Räume als Zukunftslabore zur Lösung gegenwärtiger Herausforderungen: Ohne ländliche Räume wäre keine Energiewende denkbar, ökologisch und regional ausgerichtete Wertschöpfungsketten werden in ländlichen Räumen erprobt, Resilienz und Subsistenz sind bewährte Lösungsstrategien.

Wie lassen sich künftig Standortnachteile gegenüber den Städten abbauen?
Standortnachteile gegenüber Städten ergeben sich aus geringer Bevölkerungsanzahl und –dichte, die neben der Quantität und Qualität von Arbeitsplätzen vor allem das Angebot an sozialen und kulturellen Gütern bestimmen. Eine wesentliche Rahmenbedingung zum Abbau dieser Nachteile ist zunächst die Übernahme von Verantwortung durch die Bewohner der ländlichen Räume selbst; dies impliziert nicht nur die Übernahme von Aufgaben ggfls. im Ehrenamt, sondern vor allem das Recht zur eigenständigen und selbstbestimmten Regelung ihrer Angelegenheiten. Ländliche Räume müssen zu Ermöglichungsräumen werden, die sowohl adäquat mit rechtlichen, politischen und finanziellen Mitteln ausgestattet sind als auch über wesentliche Gerechtigkeitszugänge verfügen können: Chancengerechtigkeit als Basis für eine selbstbestimmte Entwicklung, gerechte Zugänge zu Daseinsinfrastrukturen und faire Behandlung durch Staat und Institutionen gerade im Hinblick auf den Vergleich zu Städten. Nur wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind, können infrastrukturelle Maßnahmen wie die Verbesserung der Kommunikations- und Verkehrswege nachhaltige Erfolge zeigen. Die bereits erwähnten Charakteristika Engagement, Beharrlichkeit und Resilienz werden ländliche Räume auch zukünftig zu attraktiven Wohn- und Lebensstandorten machen.

Mit welchen konkreten Maßnahmen möchte der Bundesverband Lebendige Dörfer e. V. sein bundesweites Dorfnetzwerk stärken? Wer sollten hier eingebunden werden? Eine Stärke der Dörfer liegt in ihrer Fähigkeit, Herausforderungen zu begegnen und angemessene Lösungen zu entwickeln – wir kennen zahlreiche Erfolgsgeschichten von Dörfern. Im Mittelpunkt der Aktivitäten des Bundesverbandes Lebendige Dörfer e.V. steht daher die Organisation des Austauschs und der Kommunikation zwischen den Menschen in den Dörfern, die den Erfolg ermöglicht haben. Ein Dorfnetzwerk ermuntert, ermutigt und gibt Rückhalt bei Schwierigkeiten. Selbstverständlich werden alle zivilgesellschaftliche Akteure und Interessensträger mit eingebunden. Der Bundesverband ist somit Dorfnetzwerk und Dorfbewegung, indem er dazu beiträgt, Dörfer als attraktive Standorte zu erhalten, zu entwickeln und bekannt zu machen; eine Datenbank erfolgreicher und kommunikationsbereiter Projekte soll aufgebaut werden.
Der Bundesverband agiert weiterhin als Lobby für Dörfer und versucht, die spezifischen Eigenheiten und Fähigkeiten wie auch die Bedürfnisse von Dörfern in Politik und Öffentlichkeit vorzubringen. Obgleich DorfbewohnerInnen wichtige Stützen der Gesellschaft sind, finden deren Bedürfnisse in Politik und Verwaltung oft zu wenig Gehör. Der Bundesverband will eine starke Stimme für Dörfer sein.

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