Nach einer Studie arbeiten 60 Prozent der Onlinevideo-Angebote nicht kostendeckend. Wo steht das Web-TV im Spannungsfeld von Hobby-Publizisten und Großkonzernen?
Professionelle Web-TV-Angebote haben sich in den vergangenen Jahren naturgemäß zwischen Hobby-Publizisten und Großkonzernen positioniert. Während Hobby-Publizisten vielfältige Möglichkeiten haben, ihre im Verhältnis geringen Kosten durch Crowdfunding, Sponsoring oder Plattformen wie Patreon zu refinanzieren, ist es für Großkonzerne und Multi Channel Networks deutlich schwieriger, ihre vergleichsweise hohen Kosten durch die im Netz geringeren Werbeeinnahmen entsprechend zu decken. Das Preisgefälle zwischen klassischen Fernseh-TKPs und Internet-TKPs ist immer noch vorhanden. Und auch, wenn Großkonzerne vermeintlich größere Zielgruppen ansprechen und professioneller produzierten Content anbieten, bringt dies nicht zwangsläufig höhere Einnahmen.Rocket Beans TV stellt in diesem Kosmos eine Art Hybrid dar. Wir schreiben seit Senderstart im Januar 2015 schwarze Zahlen und finanzieren uns durch einen bunten Mix aus Community-Finanzierung und klassischen Werbemodellen. Dies sichert unsere Unabhängigkeit und erlaubt uns, die Inhalte zu produzieren, auf die wir Bock haben.
Die Untersuchung stellt eine Korrelation zwischen Professionalität und Kostenpflicht der Angebote fest. Wie sehen Sie die Zukunft der Werbefinanzierung von Bewegtbild-Angeboten im Internet?
Angebote wie Netflix und amazon Prime zeigen, dass kostenpflichtige Abo-Modelle ohne zusätzliche Werbung eine große Zuschauerschaft ansprechen. Bei RBTV setzen wir jedoch bewusst auf kostenlosen Zugang zu unseren Inhalten, müssen dafür aber natürlich auch Werbung schalten. Dabei haben wir uns allerdings für eine Reduzierung der klassischen Werbepausen entschieden, um so der Übersättigung und dem daraus resultierenden Schwund der Zuschauer, wie bei den privaten Fernsehsendern geschehen, vorzubeugen.
Wir setzen neben klassischen Werbeblöcken verstärkt auf „Sonderwerbeformen“ wie Content Marketing und Branded Content und versuchen, Markenbotschaften inhaltlich nachvollziehbar und dramaturgisch sinnvoll in unsere Inhalte einzubinden. Wir wollen unsere Zuschauer nicht für dumm verkaufen oder langweilen. Diese Art der Vermarktung funktioniert meiner Meinung nach nur durch Glaubwürdigkeit und Transparenz, ist aber definitiv ein Modell für die Zukunft. Besonders, weil das „on-demand-lastige“ Web-TV durch nachlassende Linearität immer seltener auf klassische Werbeunterbrechung setzen kann.
Die Studie verzeichnet einen rasanten Anstieg des Livestreamings. Wie erklären Sie sich das?
Livestreaming wird für Content-Producer immer einfacher, weil die dafür notwendige Technik erschwinglicher wird. Streaming-Anbieter wie twitch, YouTube, Periscope oder Facebook ermöglichen jedem, der sich berufen fühlt, die Verbreitung im Netz. Für die Zuschauer sind die Interaktivität von Web-TV-Angeboten und die Möglichkeit, sich während des Zusehens per Live-Chat einzubringen, reizvoll.
Während „Wetten, dass?!“ Lagerfeuer-Fernsehen für alle Generationen war, schafft Livestreaming viele kleine Lagerfeuerchen und spricht spitze und individuelle Zielgruppen an. Es ist sozusagen eine Demokratisierung des Fernsehangebots.
Die Zahl der YouTube-Kanäle hat im Jahresvergleich stark zugenommen. Erreicht der Markt langsam eine Sättigung, oder gibt es Potenzial für eine weitere Steigerung?
Durch den Quotendruck im klassischen Fernsehen läuft dort homogenisiertes, weichgespültes Programm, das eine große Masse befriedigen soll. Web-TV hingegen bedient Nischen und ist heterogen. Dadurch finden vielzählige Kanäle ihre Zuschauer und haben eine Daseinsberechtigung. Ich denke daher nicht, dass eine Sättigung erreicht ist, nein.
YouTube und Facebook hängen andere Plattformen immer mehr ab. Welche Regulierungsmaßnahmen könnte das künftig erfordern?
Grundsätzlich bin ich kein Freund von Regulierungen. Aber Fake News, rechtem Populismus und Hassbotschaften muss, unter Wahrung demokratischer Werte, mit differenzierten Meinungen begegnet werden. Dazu bedarf es wohl oder übel gewisser Kontrollmechanismen. Kein Allheilmittel, aber zumindest ein kreativer Umgang mit der Thematik ist die Idee des Technik-Ressorts des Norwegischen Staatsrundfunks. Hier ist das Kommentieren von Beiträgen erst gestattet, wenn drei Fragen zum Inhalt des zu kommentierenden Artikels richtig beantwortet worden sind.
Damit sich durch die personalisierte Wiedergabe von Inhalten auf facebook und YouTube sich nicht immer mehr ein „Internet im Internet“ bildet, halte ich es außerdem für sinnvoll, daneben andere unabhängige Kanäle zu bespielen. Rocket Beans TV ist daher beispielsweise ab Mai nicht mehr nur über rocketbeans.tv und im YouTube-Stream, sondern auch auf dem interaktiven TV-Streaming-Service waipu.tv verfügbar.