Streamingsdienste wie Spotify, Deezer und Co sprechen immer mehr Nutzer an. Mit dem Wachstum der legalen Angebote sinkt offenbar das Bedürfnis nach illegalen Downloads. Aktuelle Daten zeigen, dass immer weniger junge Leute illegale Inhalte aus dem Internet nutzen, es bleibt aber eine erkleckliche Menge.
Dr. Florian Drücke, Vorstandsvorsitzender Bundesverband Musikindustrie e. V. (BVMI) bewertet den Trend grundsätzlich positiv, allerdings müsse man genauer hinschauen, denn die Nutzungen im Hinblick auf die konkreten Inhalte unterscheide sich zum Teil deutlich. Für ihn sind die legalen Angebote im digitalen Raum überzeugend und andererseits zeige sich, dass das konsequente Vorgehen gegen illegale Angebote Früchte trägt. "Darüber hinaus darf aber nicht vergessen werden, dass es immer noch sehr viele Menschen gibt, die sich illegal mit Musik versorgen - in einer Zeit, in der das legale Angebot omnipräsänt ist." Nach aktuellen Untersuchungen seines Dachverbandes IFPI (International Federation of the Phonographic Industry) liegen die Werte im weltweiten Durchschnitt übrigens noch über den europäischen: Über alle Altersgruppen bei 27 Prozent, bei den 16- bis 24-Jährigen sogar bei 38 Prozent. Urheberrechtverletzungen seien also nach wie vor eine echte Bedrohung für die Branche.
Für die Musikmanagerin Anne Haffmans, Head of Domino Germany, ist es skurrill dass Musikhörer/innen auch heute in Zeiten eines umfassenden digitalen Angebots mit kostenlosen werbefinanzierten Angeboten immer noch illegal Musik hören. Sie vermutet die Gründe in mangelnder gesellschaftlicher Aufklärung über Urheberrechte. Bei den Erlösen für Musiker sieht perspektivisch Änderungsbedarf. Allerdings befindet sich der Streaming-Markt aus ihrer Sicht "immer noch im Aufbau und erst wenn sich Streaming als Musiknutzungsmethode noch weiter etabliert, kann man auch eine Preisdiskussion führen und Abrechnungsmodelle optimieren".
Jazz-Komponist und Leiter des Instituts Jazz & Pop der HMDK Stuttgart, Prof. Rainer Tempel, beklagt die Abrechnungsmodelle schon heute. "Songaufrufe werden zum Beispiel nicht transparent gezählt und nicht immer anteilig, sondern „anhand bestimmter Algorithmen validiert“ (Youtube)." Jeder, der schon länger Musik produziert wisse, dass mit der Digitalisierung der Kuchen ganz neu verteilt wurde: "eine Suchmaschine wie Google (mit Youtube) oder ein Computerhersteller wie Apple (mit iTunes) vertreiben jetzt einen großen Teil der Musik dieser Welt und sind dadurch sehr mächtig."
Vielleicht hilft schon eine Umstellung der Abrechnung auf ein nutzerbasiertes Modell, wie es der Dienst Deezer zunächst in Frankreich plant. "Die Idee ist toll und ich wünschte mir sehr, dass sie durchsetzbar wäre", sagt Musikmanagerin Anne Haffmans. Als intensiver Streamingplattformnutzer wäre ihr sehr daran gelegen, dass die Abogebühr auch nur an die Künstler ausgeschüttet wird, die sie hört. Sie hält es allerdings für fraglich, ob sich dafür eine Mehrheit unter den Rechteigentümern finden lässt. Für den Jazz-Komponisten Tempel wäre dieses Abrechnungsmodell ohnehin nur eine viel zu späte Einführung einer größeren Gerechtigkeit und einer rechtlichen Selbstverständlichkeit.
Unabhängig vom Verteilung-Modus ist für den Verband-Vorstand Drücke insbesondere YouTube ein Thema, schließlich sei die Video-Plattform mit 2 Milliarden Usern faktisch der größte Musik-Streamingdienst der Welt, stand aber bisher auf dem Standpunkt, noch immer ein „technisch neutraler Dienstleister“ zu sein, der aufgrund einer veralteten Rechtslage für sich in Anspruch nahm, selbst keine Lizenzen zahlen zu müssen. "Dabei nutzen nach aktuellen Untersuchungen unseres Dachverbandes IFPI 77 Prozent der YouTube-Besucher den Dienst, um Musik zu hören." Die aktuellen Zahlen des BVMI illustrierten, wie gering nach wie vor die Summe ist, die der Musikkonsum über Video-Streaming zum Branchenumsatz beiträgt.