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Interview

Zweifel am KEF-Verfahren zur künftigen Finanzierung des digitalen Radios

Interview mit Helwin Lesch, Leiter Hauptabteilung BR-Programmdistribution

Helwin Lesch, Leiter Hauptabteilung BR-Programmdistribution Quelle: BR/ Theresa Högner Alexander Hiller Redakteur Meinungsbarometer.info 30.06.2014

Herr Lesch, wie muss aus Ihrer Sicht das neue Gesamtkonzept für den digitalen Hörfunk in Deutschland aussehen?

Helwin Lesch: Konsens zwischen allen Marktbeteiligten ist, dass der digitale terrestrische Hörfunk einen eigenständigen Verbreitungsweg benötigt, um seine besonderen Stärken ausspielen zu können. Die für DAB errichtete Senderinfrastruktur ist technologieneutral, das heißt, darüber können Programme und Dienste in DAB, DAB+ und/oder DMB verbreitet werden. Daher spricht viel dafür, diese Netzinfrastruktur weiter zu verwenden. Schon angesichts der Vielzahl existierender UKW-Empfänger ist von einem längeren Umstellungszeitraum auszugehen. Politik, KEF, öffentlich-rechtliche und private Programmanbieter benötigen also einen langen Atem, um dieses Ziel zu erreichen.

Wie ist der derzeitige Stand? Auf welcher Ebene werden Gespräche innerhalb der ARD, mit dem Deutschlandradio und den Privaten geführt und was sind die ersten Ergebnisse?

Seit Jahren finden intensive Gespräche zwischen öffentlich-rechtlichem und privatem Rundfunk zu diesem Thema statt. Die Produktions- und Technik-Kommission von ARD, ZDF und Deutschlandradio (PTKO) und die Technische Kommission der Landesmedienanstalten (TKLM) haben gemeinsam sehr weitreichende und detaillierte Vorschläge für den neuen digitalen terrestrischen Hörfunk erarbeitet. Auch im Rahmen des von Bund und Ländern eingesetzten Forums Digitale Medien wurden gemeinsame Konzepte erarbeitet. Spitzengespräche zwischen dem ARD-Vorsitzenden und dem Vorsitzenden der DLM oder gegenseitige Einladungen zwischen Privatfunkverbänden und dem öffentlichrechtlichen Rundfunk sind weitere Beweise dafür, dass beide Seiten des dualen Rundfunks in dieser Frage eng zusammenwirken. So konnte ein Konsens über das Frequenznutzungskonzept, die Anforderungen an Endgeräte und den zukünftig zu verwendenden Standard sowie die Leitlinien zur Migration auf ein effizienteres Codierverfahren erzielt werden. Problematisch bleibt, dass die Finanzierung für diesen langen Umstieg sowohl für den privaten wie für den öffentlichrechtlichen Rundfunk derzeit noch nicht befriedigend gelöst ist.

Halten Sie das Verfahren der KEF, die Privaten in die Konsensfindung einzubeziehen, insgesamt für geeignet?

Grundsätzlich hat die KEF an einigen Stellen richtige Fragen gestellt. Auch der Ansatz, ein breites und abgestimmtes Vorgehen von öffentlich-rechtlichem und privatem Rundfunk zu fordern, ist nachvollziehbar und richtig. Tatsächlich findet diese Abstimmung ja, wie geschildert, bereits auf vielen Ebenen statt. Zu bezweifeln ist allerdings, ob die KEF-Forderung nach einer Zustimmung privater Wettbewerber zur Finanzierung des öffentlichrechtlichen Rundfunks der richtige Weg ist.

Welche Signale hinsichtlich der Entwicklung des Gesamtkonzeptes kommen bisher aus der Politik sowie aus Industrie und Handel?

Mit dem erfolgreichen Abschluss der Funkverwaltungskonferenz stehen für den digitalen terrestrischen Hörfunk weitere Frequenzen in beachtlichem Umfang zur Verfügung. Zusätzlich erlauben weiterentwickelte Codierverfahren eine noch effizientere Frequenznutzung. Beides wird dazu führen, dass sich der programmliche Mehrwert durch mehr und regional differenziertere Programme sowie multimediale Zusatzdienste spürbar erhöht. Hinzu kommt, dass die bisherigen Beschränkungen der Sendeleistungen, die einen Empfang in Gebäuden bisher beeinträchtigten, überwunden sind. Schließlich wird das „Neustart“-Konzept eines bundesweiten und mehrerer regionaler/lokaler Multiplexe Aufmerksamkeit wecken und besonders die bundesweite Verbreitung einen wichtigen medienpolitischen und Marketingimpuls auslösen. Dies haben Politik und Industrie aufgegriffen; nicht zuletzt die Bestellbarkeit von Empfängern bei nahezu allen Neuwagen, wie vom Verband der Automobilindustrie angekündigt, belegt dies eindrucksvoll.

Bis wann soll das Gesamtkonzept stehen und wie geht es danach weiter?

Gemeinsam mit den Landesmedienanstalten hat der öffentlich-rechtliche Rundfunk eine Erweiterung der Standardfamilie initiiert, um ein modernes, digital-terrestrisches Hörfunksystem zu ermöglichen. Erfreulich ist, dass auch aus Großbritannien und Frankreich gleichgerichtete Vorstöße kommen. Parallel hierzu erarbeitet der öffentlich-rechtliche Rundfunk derzeit das darauf aufbauende Konzept für ein neues digital-terrestrisches Hörfunksystem, wie von der KEF gefordert. Wir hoffen, dass die KEF dann zügig die notwendigen Entscheidungen trifft und damit wieder Planungssicherheit für öffentlich- rechtlichen und privaten Hörfunk in Deutschland schafft.

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