Der RMV hat den ersten brennstoffzellengetriebenen Regionalzug der Welt auf die Reise geschickt. Was versprechen Sie sich von der Technologie?
Auch wenn die Fahrt mit dem öffentlichen Nahverkehr heute schon umweltfreundlicher ist als ins Auto zu steigen, gibt es immer noch Trassen, auf denen dieselbetriebene Züge unterwegs sind. Zwar setzen wir uns dafür ein, weitere Strecken möglichst schnell zu elektrifizieren, aber das wird nicht nur Jahre dauern, sondern auch dann nicht auf jeder Strecke lohnen. Brennstoffzellengetriebene Regionalzüge können diese Lücke schließen. Sie kommen ohne stromführende Oberleitung oder sonstige aufwändige baulicher Veränderungen aus. Während der Fahrt stoßen die Fahrzeuge nur Wasserdampf aus. Sie sind zudem leiser als Dieselfahrzeuge, können beim Bremsen Energie rückspeisen und beschleunigen schneller, was im dichten Bahnnetz ein großer Vorteil ist. Wir schonen also nicht nur Umwelt und Anwohner, sondern haben sogar betriebliche Vorteile.
Auf welchen Strecken soll der neue Zug unterwegs sein, ist eine Ausweitung des Projekts angedacht?
Der RMV hat eine Ausschreibung über 26 Brennstoffzellenfahrzeuge gestartet, die voraussichtlich ab Dezember 2022 von Frankfurt aus in Richtung Bad Soden, Königstein und Brandoberndorf unterwegs sein werden. Eine weitere wasserstoffgetriebene Linie soll es zwischen Friedrichsdorf und Friedberg geben. Diese Strecken liegen in Nähe des Industrieparks Frankfurt-Höchst, der sich als Standort für eine Wasserstoff-Betankungsanlage anbietet. In Frankfurt-Höchst fallen zudem jeden Tag sieben Tonnen Wasserstoff als Nebenprodukt an – eine bereits jetzt verfügbare und mehr als ausreichende Menge für den voraussichtlich benötigten Verbrauch. Wenn wir Wasserstoff-Züge auf anderen Strecken fahren lassen wollen, müssen wir die Betankungs-Infrastruktur mitdenken.
Hoffen Sie bundesweit auf Nachahmer-Projekte oder soll der Wasserstoffzug der RMV ein Solitär in Deutschland bleiben?
Gerade erst Ende April hat der Verbund deutscher Verkehrsverbünde, dem auch der RMV angehört, gemeinsam mit Allianz Pro Schiene und vielen anderen Vertretern der Bahnbranche das Ende des Dieselzeitalters auf der Schiene gefordert. Der RMV ist mit seiner Wasserstoffzugausschreibung einer der Vorreiter, aber kann die Verkehrswende nicht alleine schaffen. Deshalb begrüßen wir es sehr, dass zum Beispiel die Landesnahverkehrsgesellschaft Niedersachsen 14 Wasserstoffzüge bestellt hat.
Wären Wasserstoff-Antriebe grundsätzliche für alle Typen von Schienenfahrzeugen geeignet (Regionalverkehr, ICEs, Güterverkehr) und gibt es aus Ihrer Sicht noch bahntechnische oder ggf. rechtliche Hürden beim Thema Wasserstoffantrieb?
Die aktuellen Fahrzeuge mit Wasserstoffantrieb bieten sich vor allem für den Regionalverkehr an. Sie schaffen bis zu 1000 Kilometer mit einer Tankfüllung und sind bis zu 140 km/h schnell. Das ist zu langsam für ICEs, die zudem nahezu vollständig auf elektrifizierten Hochgeschwindigkeitsstrecken unterwegs sind,und eine zu geringe Reichweite für den Güterverkehr. Ich will aber nicht ausschließen, dass Wasserstoffzüge sich derart weiterentwickeln, dass sie auch eine wirtschaftliche Alternative für andere Zugarten darstellen.
Was erwarten Sie von Bund und Ländern in Bezug auf den CO2-freien Schienenverkehr? Braucht es hier ggf. gesetzgeberische Maßnahmen?
Wer die Abkehr vom Diesel will, muss dafür auch Geld in die Hand zu nehmen. Alternative Antriebe sind in Anschaffung und Instandhaltung teurer als Dieselfahrzeuge und nur mit öffentlicher Förderung finanzierbar. Zudem brauchen wir für einen schnelleren Umstieg einfachere Genehmigungsverfahren, denn von der ersten Idee bis zur Inbetriebnahme dauert es oft Jahrzehnte.