In einer groß angelegten Studie hat aktuell ein britisches Wirtschaftsmagazin Deutschlands bevölkerungsreichstes Bundesland Nordrhein-Westfalen auf den ersten Platz von 25 europäischen Top-Regionen gekürt. Kaum zu glauben, dass ausgerechnet NRW derzeit abgekoppelt ist von der Digitalisierung des lokalen privaten Hörfunks. Denn Stand heute ist, dassdie vielen kleinen Lokalprogramme des Landes auch aufgrund fehlender technischer Voraussetzungen beim Digitalradio nicht mitmachen können. Ein Hemmschuh ist auch das in der bundesrepublikanischen Medienlandschaft einmalige „Zwei-Säulen-Modell“, das für eine Trennungvon wirtschaftlicher und programmlicher Verantwortung im privaten Lokalfunk in NRW sorgt.
Für Bewegung in der Digitalradio-Frage sorgt jetzt ausgerechnet Hendrik Wüst, Geschäftsführer des Verbandes der Zeitungsverleger in Nordrhein-Westfalen (ZVNRW), dessen Mitglieder die lokalen Radiosender in NRW durch Kapitaleinlagen finanzieren. Wie Wüst dem Meinungsbarometer Digitaler Rundfunk sagte, könnten sich die Verleger unter bestimmten Umständen künftig durchauseine Beteiligung am Digitalradio vorstellen. Voraussetzung wäre aber ein „Angebot der Landesmedienanstalten zu marktgerechten Preisen“ und eine technische Lösung, die es vermag, die ganze Bandbreite der lokalen Programme regional begrenztauszustrahlen. Wüst rechnet allerdings nicht damit, dass in den nächsten fünf Jahren eine praktikable technische Umsetzung für das Digitalradio marktreif ist.
Das Ministerium für Bundesangelegenheiten, Europa und Medien des Landes Nordrhein Westfalen argumentiert dagegen mit Verweis auf die großen Erfolge von DAB+ in NRW, dass die technischen und regulatorischen Rahmenbedingungen für Digitalradio in NRW längst gegeben sind. Den schwarzen Peter schiebt man dort den privaten Hörfunkveranstaltern zu, die die gegebenen Möglichkeiten nicht im möglichen Umfang genutzt hätten, so eine Sprecherin aus dem Ministerium im Meinungsbarometer Digitaler Rundfunk. Als Beweisführt das Ministerium an, dass die Landesanstalt für Medien Nordrhein- Westfalen (LfM) bislang nicht alle ihr zur Verfügung stehenden Übertragungskapazitäten auf dem landesweiten DAB+ Multiplex (Kanal 11D) belegen konnte. Zudem sei ein weiterer DAB+ Kanal, derdem Land bereits grundsätzlich zur Verfügung steht, von Seiten der LfM noch nicht eingefordert worden.
An der Notwendigkeit kleinzelliger regionaler Digitalradio-Inseln für die Lokalradios in NRW ändern die landesweit zur Verfügung stehenden Übertragungskapazitäten jedoch nichts. Aktuell kommt eine mögliche technische Lösung zum Aufbau kleiner DAB+ Netze von der Technischen Universität Kaiserslautern sowie dem Fraunhofer Institut für Integrierte Schaltungen. Sie haben einen portablen, digitalen Hörfunksender für DAB+ entwickelt, um lokalen Hörfunkveranstaltern eine bezahlbare DAB+ Sendeinfrastruktur bereitstellen zu können und ihnen damit den Weg in die digitale terrestrische Verbreitung zu erleichtern. Vor zu viel Optimismus warnt allerdings Johannes Trottberger von der Bayern Digital Radio GmbH, der das Problem regional kleinteiliger Senderstrukturen auch aus seinem Bundesland kennt. Nach Ansicht Trottbergers müssen auch bei einem kleinen Sender Qualität und Service stimmen. Schließlich wäre bei einem Sendeausfall sofort die Werbewirtschaft in Aufruhr. Zudem sei es in seinen Augen keine Zukunftslösung, das „klein, klein im UKW“ auch im Digitalradio nachzubilden. Sinnvoller wären eher größere und zielgruppenorientierte Programme, für die sich dann gut Werbung akquirieren ließe.