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Interview

Wir wollen zeigen, wie großartig wir sind

Wie die Verbraucherpsyche die Entwicklung neuer Technologien beschleunigt

Prof. Dr. Frank Schwab, Professor für Medienpsychologie am Institut für Mensch-Computer-Medien der Julius Maximilians-Universität Würzburg Quelle: Julius-Maximilians-Universität Würzburg Dipl.- Journ. Thomas Barthel Founder & Herausgeber Meinungsbarometer.info 21.12.2014

Warum wollen Verbraucher immer das neueste und schönste technische Gerät haben, obwohl das alte vielleicht gerade mal ein Jahr alt ist? Die Industrie hat das Thema erkannt, nun fordern Wissenschaflter allerdings, den Verbraucher nicht durch immer schnellere Produktzyklen zu überfordern.







Warum wollen wir als Verbraucher immer das neueste und schönste Gerät, obwohl das alte Gerät noch genauso funktioniert?

Unsere Entscheidungen - auch unsere Konsumentscheidungen - sind, das ist ja schon seit langem bekannt keineswegs Entscheidungen, die ausschließlich rational erfolgen. Den sogenannten “rationalen Entscheider” treffen wir höchst selten an. Er ist ja quasi von göttlicher Weisheit, nahezu ohne Körper, ohne Biologie, evolutionäre Vergangeheit und zudem ein asexuelles Wesen. Menschliche Entscheidungen sind nicht selten schnell und lediglich zufriedenstellend, Psychologen sprechen hier - wie Prof. Gigerenzer - von Entscheidungsheuristiken, die schnell und frugal (genügsam) sind. Das ist nun keineswegs irrational, es folgt nur bestimmten Randbedingungen, die in der Vergangenheit oft unberücksichigt blieben. Wir leben nicht ewig und können nicht unbegrenzt Informationen sammeln. Wir kaufen Geräte nicht nur wegen augenscheinlichen Eigenschaften. Also Automobile um von A nach B zu fahren oder Telefone zum kommunizieren über Distanz. Das neuste und schönste Gerät sendet an andere das Signal, dass ich gut mit Ressourcen ausgestattet bin (wohlhabend und mächtig), ich mir das leisten kann (finanzkräftig), die Charaktereigenschaften besitze (Ehrgeiz, Intelligenz), die es mir erlauben ein solches Handy zu besitzen. Die Biologie beschreibt solche Signale als kostbare oder teure Signale. Nicht selten werden sie im Kontext der Partnerattraktion und der Konkurrentenabschreckung entwickelt - im Tierreich sind das Federschmuck und Geweihe oder Tänze und Gesänge - meist mit deutlich ornamentalen Aspekten, die auf den ersten Blick verschwenderisch und protzig anmuten. Im Rahmen einer biologischen Betrachtung ist dies natürlich funktional bzw. rational, keineswegs irrational.  Neue schöne technologische Artefakte erfüllen eben nicht nur ihre primäre augenscheinliche Aufgabe sondern haben immer auch eine kommunikative Funktion.

Werden wir künftig in immer kürzeren Produktzyklen unsere technischen Geräte auswechseln?

Wir leben in einer äußerst rasanten Welt. Distanzen und die Zeit sind durch Transport- und Medientechnologien massiv zusammengeschrumpft (McLuhans “Global Village”). Man könnte sagen wir leben in einer hochgetakteten Innovationsgesellschaft. Das erinnert einen evolutionär denkenden Psychologen an die so genannte "Red Queen" Hypothese, alle Organismen müssen sich ständig verändern, um die einmal erreichte Position zu behaupten. Beginnen alle schnell zu laufen, muss man entsprechend schnell mitlaufen um die relative Position unter den Mitwettbewerbern zu halten. Geht es also beim Erwerb von Technologien auch um Prestige, Status, Ansehen, Geltung sind wir als Konsumenten geneigt immer schneller den kürzeren Produktzyklen hinterherzulaufen. Schließlich wollen wir ja zeigen, wie großartig wir sind. Diese Signale der eigenen Qualität(en) richten sich an Partner und Konkurrenten: Ich kann mithalten oder gar überholen.

Wie wird sich das Thema weiterentwickeln?

Sicher hat die Industrie, bzw. haben die Marketing und Werbeleute, dies bereits erkannt. Während produktionsseitig ja sogenannte Sollbruchstellen vermutet werden, kann man werbestrategisch - viel unproblematischer - modische oder wettkampforientierte Argumente vortragen. Am besten natürlich nicht all zu direkt. In dem Bekleidungsbranche kennen wir das ja: “Kleider machen Leute.” Wir hier am Lehrstuhl beschäftigen uns damit, dass auch andere (Medien-)Produkte etwas über den Nutzer und Konsumenten aussagen. Teure Produkte, schwer zu bedienende Produkte, schwer zu erlangende Produkte oder Produkte, die den Besitzer sonstwie auszeichnen. Etwa als jemand, der ganz vorne im Rennen um die neuste Innovation mithalten kann. Ich denke alle Gebrauchsprodukte haben die Neigung modische Aspekte oder ornamentale Funktionen zu übernehmen. Diesen Trend kann man schon bei der frühzeitlichen Steinkeilproduktion beschreiben.  

Was macht das mit uns als Verbraucher, welches „Gegengift“ gibt es und wie steht es um die Umweltaspekte?

Natürlich kann man über diese Neigung des Menschen sich in seinem Komsumverhalten auch “narzisstisch” zu inszenieren aufklären und an die Vernunft appelieren. Die Neigung zur teilweise schillernden Selbstdarstellung durch Konsum scheint mir aber recht stabil und auch mit einer biologischen Basis versehen. Aus einerevolutionären Perspektive betrachtet ist sie vor allem in der Lebensphase in der wir einen Sexualpartner suchen präsenter als in der Phase in der wir Kinder großziehen. Ich würde vermuten, dass eigene Kinder wie ein Gegengift wirken. Wir verschieben unser Investment vom “mating” zum “parenting”. Das tun nicht alle und auch nicht für ewig. Da es hier ja insgesamt um Verschwendung geht, steht das meist in Konflikt mit dem Schutz der Umwelt und einer nachhaltigen Nutzung von wertvollen und raren Ressourcen. Insgesamt tun wir uns - als Spezies - schwer den Schutz der Umwelt mit unseren kognitiven und emotionalen Kurzsichtigkeiten angemessen zu gewichten.  Damit sind wir fast wieder am Anfang unseres Gesprächs angekommen an der durch Technologien “geschrumpften” Welt (dem Globalen Dorf). Hier liegt natürlich auch eine Chance. Die Welt ist medientechnisch digital - in Teilen - ein Dorf geworden. Umweltschäden die tausende von Kilometern entfernt sind, sind einen Touch entfernt auf unsem Handy oder Tablet. Das Wissen ist also nur einen Fingertipp entfernt. Aber so wie eine Schwalbe noch keinen Sommer macht, produziert Wissen keineswegs zwangsläufig Einsicht oder gar eine Verhaltenskonsequenz.

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