Meinungsbarometer: Frau Prof. Spanner-Ulmer, vor zwei Jahren hat Intendant Ulrich Wilhelm als Ziel gesetzt, den Bayerischen Rundfunk in ein trimediales Medienhaus umzubauen. Inwieweit arbeiten die Redaktionen heute schon trimedial?
Spanner-Ulmer: Die Stärkung unserer journalistischen Angebote durch die Bündelung der Kompetenzen von Hörfunk, Fernsehen und Online ist ein bedeutendes übergreifendes Ziel. Der Umbau zu einem trimedialen Medienhaus ist eine enorme Herausforderung für den ganzen BR. Unsere Aufgabe ist es, im BR die technischen Voraussetzungen und die organisatorischen Rahmenbedingungen dafür zu schaffen und den Bedürfnissen der Mitarbeiter gerecht zu werden. Der Konvergenzprozess erfordert grundsätzlich eine Offenheit für neue Arbeitsweisen, Abläufe und Inhalte. Diese müssen erprobt und „einstudiert“ werden. Das erfordert Qualifizierung und Training, ebenso wie neue technische Entwicklungen und Anpassungen. Zur Erhöhung der Transparenz für die Mitarbeiter ist eine ständige Kommunikation unerlässlich. Alle, die davon betroffen sind, müssen mit einbezogen werden, damit dieser Prozess unser gemeinsamer Prozess ist. So wurden die bisherigen Aktivitäten bereits gestartet und so werden wir sie gemeinsam fortführen. Deshalb war es uns ein wichtiges Anliegen, einen BR-internen „Treffpunkt Trimedialität“ aufzubauen. Hier ist ein Trainings- und Testcenter entstanden, bei dem die Kolleginnen und Kollegen medienübergreifend und gemeinsam Erfahrungen sammeln und Neues ausprobieren können, sich austauschen und eigene Ideen umsetzen können. Alle Redaktionen arbeiten bereits übergreifend und verschiedentlich trimedial. Ein sehr gelungenes Beispiel war die Berichterstattung zur Landtagswahl in Bayern. Hier hat der BR gezeigt, wie trimediales Arbeiten über die verschiedenen Mediengattungen hinweg und auf allen Ausspielwegen erfolgreich ist.
Stichwort Digitalradio: Was muss Ihrer Meinung nach als nächstes getan werden, damit sich der positive Trend der Digitalradio-Einführung in Deutschland weiterhin fortsetzt?
Zunächst freuen wir uns über diese Entwicklung, die zugleich auch als Anerkennung für unsere bisherigen Anstrengungen gewertet werden kann. Die zur IFA veröffentlichten Zahlen bestätigen den positiven Trend. Allein im Jahr 2013 werden nach den erhobenen Verkaufszahlen der GfK 650.000 Digitalradios verkauft. Das zeigt, dass wir uns auf dem richtigen Weg befinden. Wir wollen unser Publikum für digitales Radio begeistern und als Hörer gewinnen. Grundvoraussetzung ist eine gute Versorgung: Daher ist der weitere schnelle Ausbau des Sendernetzes für Digitalradio auch ein ganz wichtiges Ziel, um die Menschen mit unserem vielfältigen Angebot auf diesem Weg zu erreichen. Wir werden die Empfangbarkeit von Digitalradio weiter verbessern, um möglichst bald den Grad der UKW-Versorgung zu erzielen und den analogen Hörfunk mittelfristig ablösen zu können. Einen Simulcast beider Systeme über Jahrzehnte hinweg wäre wirtschaftlich nicht begründbar.
Derzeit wird in der Rundfunkbranche diskutiert, inwieweit die über DAB+ ausgesendeten Zusatzdienste wirklich für den Hörer einen Kaufanreiz bieten. Was ist Ihre Meinung dazu und welches sind die interessantesten Zusatzdienste der BR-Programme?
Nach unseren Untersuchungen schätzen Digitalradio-Besitzer zu allererst und in dieser Reihenfolge die große Programmvielfalt, den störungsfreien Empfang und den guten Klang. Daran lässt sich ablesen, dass die Menschen unter Radio in erster Linie Hörfunk verstehen. Programmbegleitende Zusatzdienste scheinen bei der Kaufentscheidung tatsächlich eine untergeordnete Rolle zu spielen. Besonders gut bewertet wurden bei den Zusatzinformationen Nachrichtenschlagzeilen, die Anzeige zu Titel und Interpret, Wetter und Verkehrsservice. Es würde mich aber auch wundern, wenn Zusatzdienste eine größere Bedeutung hätten, als die Radioprogramme selbst. Zusatzdienste – wie der Name schon sagt - bereichern das Angebot und werden bei Hörern auch als großer Komfort empfunden.
Ein Großteil der Radionutzung findet im Auto statt. Inwieweit spielen die in Deutschland ansässigen Automobilhersteller bei der Digitalradio-Einführung eine Rolle und was erwarten Sie von der Industrie?
Das DAB-System entfaltet seine technischen Stärken ganz besonders beim mobilen Empfang im Fahrzeug. Nach aktuellen Untersuchungen von TNS Infratest werden von den rund 2,7 Millionen Digitalradios, die sich im Markt befinden, etwa 25 Prozent im Auto genutzt. Daher spielt die Automobilindustrie und die Ausstattung in den Fahrzeugen für Digitalradio eine sehr große Rolle. Bisher bieten die meisten Fahrzeughersteller DAB+ taugliche Empfangsgeräte nur optional an, gegen Aufpreis und auf Nachfrage des Kunden. Das sehe ich generell als ein Hindernis oder vielmehr als Schwelle an, die es vom Verbraucher zu überwinden gilt. Wir sind mit der Automobilindustrie zu diesem Thema immer wieder im konstruktiven Gespräch, und analysieren insbesondere die Wünsche der Automobilhersteller. Ich sehe gute Anzeichen dafür, dass je besser unsere Netze und die Versorgung werden, Digitalradio bei den Herstellern bald Standard wird. Von deren Seite werden verständlicherweise Planungssicherheit und Verfügbarkeit der Angebote in ganz Deutschland erwartet. Ich denke, wir nähern uns hier bei den gegenseitigen Erwartungen immer mehr an.
Auf ihrer letzten Sitzung haben die Intendantinnen und Intendanten der ARD ihre Pläne auf den Umstieg von DVB-T auf DVB-T2 klar terminiert. Demnach soll der Umstieg 2017 beginnen und 2020 abgeschlossen sein. Was heißt das für die Arbeit Ihrer Direktion?
Mit dem aktuellen Beschluss hat die ARD jetzt ein deutliches und frühzeitiges Signal an die Politik, die Endgeräteindustrie und andere Programmveranstalter gesetzt – insbesondere auch mit der Absicht, die Migrationskosten und die Auswirkungen auf die Teilnehmer gering zu halten. DVB-T2 muss – soll es erfolgreich sein – einen deutlichen Mehrwert für den Zuschauer bieten. Dies setzt ein attraktives Angebot voraus, das möglich wird, wenn der Effizienzgewinn von DVB-T2 umfänglich für eine Erhöhung der Programmanzahl, Verbesserung der Bildqualität und zur Anreicherung mit Zusatzdaten (Mehrkanalton, HbbTV, DVB-Untertitel, Audiodescription usw.) verwendet wird. Der Umstieg soll verbraucherfreundlich gestaltet werden. Um dieses Ziel zu erreichen, benötigen wir ausreichend Frequenzen. Wir könnten dies mit dem bisher zugewiesenen Rundfunkspektrum realisieren und kämpfen aktuell darum, dass die Frequenzressourcen nicht vorschnell anderweitig vergeben werden. Die nächsten Schritte sind jetzt die weitere Präzisierung des Produktes DVB-T2, insbesondere im Hinblick auf die Versorgungseigenschaften (stationär, portabel und mobil), die Untersuchung der Kosten für die Migration von DVB-T auf DVB-T2 und die Ausarbeitung eines Zeitplans.