Längst ist die neue schnelle Mobilfunktechnologie LTE zum Lieblingskind einer ganzen Branche geworden. Versprochen werden beispielsweise von der Telekom „ruckelfreie HD-Videos oder Musik-Streaming und Online-Games in Echtzeit“ über den neuen LTE-Standard – quasi in Konkurrenz zum klassischen Rundfunk. Jetzt redet ein Insider der Branche Klartext, der bis vor kurzem in führender Position in der Mobilfunkbranche tätig war. Wie der ehemalige Topmanager eines bekannten Mobilfunkunternehmens, der nicht namentlich genannt werden wollte, dem Meinungsbarometer Digitaler Rundfunk sagte, seien die Kundenversprechen der Telekommunikationsunternehmen in Bezug auf das neue LTE maßlos übertrieben.
Als Gründe für seine Beurteilung führt der Experte an, dass eine wirklich flächendeckende Versorgung mit LTE noch Jahre dauern wird und zudem verschiedene Frequenzbereiche für LTE genutzt werden. Entscheidender sei aber ein grundsätzliches Problem beim neuen mobilen Highspeed-Internet. Dieses hängt nach Einschätzung des Brancheninsiders mit der kleinzelligen Infrastruktur von LTE zusammen. So muss sich jedes LTE-fähige Endgerät bei einem Zellwechsel auf einen neuen Sender konfigurieren, weil dieser mit einer anderen Frequenz arbeitet. Diese sogenannten „Hand Over“ so zu optimieren, dass es zu keinem Abbruch der Verbindung kommt sei eine große Herausforderung, die bei komplexen Inhalten wie Bewegtbild, noch nicht gelöst seien. Bereits bei der normalen Sprachübertragung hätte es nach Einschätzung des Experten sehr lange gedauert, die Netze entsprechend zu optimieren. Dagegen sind die von der Mobilfunkbranche versprochenen linearen HD-TV- und Radio-Livesignale über LTE nochmals deutlich anspruchsvoller. Zumal allein in Deutschland die Mobilfunknetze mit jeweils circa 20.000 Sendern arbeiten! Aus diesem Grund hält es der Experte für nicht realistisch, dass in den nächsten 10 Jahren beispielsweise Autoradio über den LTE-Standard verbreitet werden kann.
Dazu komme ein weiterer Schwachpunkt der Technik, der die Darstellung von TV- oder Radioinhalten über LTE zudem erschwere. Aufgrund der zellenorientierten Funktechnik (Streufunk) müssen sich alle Nutzer einer Funkzelle die gesamte Bandbreite der Zelle teilen. Werden also die Funkzellen größer, ist auch zu erwarten, dass es mehr Nutzer pro Zelle geben wird, so der Sachkenner. Schlussendlich würde dann die tatsächliche Bandbreite pro Nutzer bei weitem unter der Bandbreite liegen, die theoretisch mit LTE zur Verfügung gestellt werden kann, die aber von der Mobilfunkindustrie versprochen wird.
Mit den Aussagen des Experten konfrontiert, wollte die Deutsche Telekom die erwähnten Einschränkungen nicht bestätigen. Wie ein Sprecher des Unternehmens dem Meinungsbarometer Digitaler Rundfunk sagte, würden vielmehr alle eingangs erwähnten Versprechen, wie in den AGB bzw. im Vertrag vereinbart, auch eingehalten. Nach Einschätzung des Pressereferenten seien selbst Bewegtbild- oder Radioübertragungen von unterwegs kein Problem. Zudem gäbe es selbst bei DAB+ Bereiche, in denen der Empfang nicht optimal sei, so der Telekom-Sprecher.