Immer mehr digitale Audioangebote, wie bspw. die extrem erfolgreiche Toniebox, erobern das Kinderzimmer. Welche Herausforderungen ergeben sich daraus für den Jugendmedienschutz?
Ein Teil der Geräte, wie z.B. die aktuelle Generation des IPods, eröffnet den Kindern umfänglichen Zugang zum Internet. Eltern und Kinder stehen letztlich vor denselben Herausforderungen wie bei der Frage, ob das Kind bereits ein Smartphone nutzen können soll. Jeder im Netz verfügbare Inhalt ist potentiell nur einen Touch entfernt, Kommunikation mit einem unbestimmbaren Personenkreis über Soziale Netzwerke wird möglich, Daten der Kinder werden erhoben, Fotos werden gemacht und können verschickt werden, Kostenfallen durch In-App-Kaufoptionen lauern – kurz, die gesamte Agenda medialer Risiken zieht hiermit ins Kinderzimmer ein.
Ein effektiver Kinder- und Jugendmedienschutz hat daher die Aufgabe, Eltern darin zu unterstützen, ihren Kindern die Chancen und Möglichkeiten der Digitalisierung zu eröffnen und dabei die Risiken zu minimieren.
Ich möchte einen Aspekt hervorheben, nämlich das Erziehungsziel der Entwicklung hin zu einer selbstbestimmten Persönlichkeit, das in besonderer Weise herausgefordert wird. Digitale Audioangebote sind auch unterhalb der Schwelle zum eigenen Internetzugang stets mit der Preisgabe von Daten verbunden. Das Nutzungsverhalten der Kinder kann mehr oder minder intensiv ausgewertet und nicht zuletzt unter ökonomischen Gesichtspunkten analysiert werden. Das marktwirtschaftliche Agieren mit dem Ziel der Produktoptimierung ist legitim, die erhobenen Daten können aber genauso auch Grundlage werden für Beeinflussung bzw. Interessenssteuerung.
Der Jugendmedienschutz steht vor einem Paradigmenwechsel und muss konsequent vom Kind aus entwickelt werden. Es geht um die Frage, wie wir Kinder verantwortungsvoll an digitalen Medien teilhaben lassen können. Die Digitalisierung durchzieht unser Leben derart konsequent, dass Schutz als Bewahrkonzept nicht mehr ausreicht. Wir brauchen einen Kinder- und Jugendmedienschutz, der die Aspekte der VN-Kinderechtskonvention aus Schutz, Teilhabe und Förderung gleichermaßen in den Blick nimmt und ausgerichtet an der Lebensrealität von Kindern und Jugendlichen umsetzt. Die Bundesprüfstelle hat gemeinsam mit weiteren jugendpolitischen Akteuren, wie dem Bundesfamilienministerium und einigen Landesjugendministerien, einen Strategieprozess gestartet, der eine entsprechende Weiterentwicklung des Jugendmedienschutzes zum Ziel hat.
Wie können Verbraucher gute von nicht empfehlenswerten Angeboten unterscheiden?
Transparenz und Verständlichkeit bezüglich der Datenschutzpolitik des Herstellers sowie die Möglichkeit Geräte bzw. Betriebssysteme individuell und altersadäquat zu konfigurieren können es Eltern erleichtern, ihre Kinder mit entsprechenden Geräten und Angeboten guten Gewissens am digitalen Leben teilhaben zu lassen. Hilfreich ist sicher, wenn Eltern mit ihren Kindern über die Art der Verwendung im Kontakt bleiben und gemeinsam ein Verständnis für Chancen und Risiken der Produkte entwickeln, ohne dass es auf die ständige Kontrolle der Kinder durch die Eltern ankommt.
In Bezug auf die Bewertung von Apps und Sozialen Netzwerken gibt es bereits einige Projekte, die die Angebote daraufhin prüfen, wie es um den Datenschutz steht, wie Interaktionsfunktionen gestaltet sind oder ob Melde-, Rat- und Hilfeoptionen in die Angebote eingebettet sind. Zu nennen sind hier z.B. von jugendschutz.net entwickelte und vom Bundesfamilienministerium geförderte Angebote wie www.klick-tipps.net , www.app-geprüft.net , https://kompass-social.media oder die Datenbank des DJI zu Kinder-Apps: www.dji.de/kinderapps.
Auch im Rahmen des bereits angesprochenen Strategieprozesses werden wir die Frage nach der Ausgestaltung von Orientierungshilfen für Eltern vertiefen. Dabei ist es wichtig, die Teilhabe aller Kinder im Blick zu haben, insbesondere für den Fall, dass Eltern nicht erreicht werden können.
Welche Herausforderungen stellen digitale Spielformen an die Medienkompetenzentwicklung von Kindern und Jugendlichen?
Nach wie vor stellt sich die Frage nach der beeinträchtigenden bzw. gefährdenden Wirkung von Spieleinhalten auf Kinder und Jugendliche, wie es dem traditionellen Schutzkonzept der Alterskennzeichnung und Indizierung entspricht. Die mobile und vernetzte Internetnutzung macht die Verhinderung der Konfrontation mit solchen Inhalten jedoch zunehmend schwerer. Es gilt also die Selbstbefähigung der Kinder und Jugendlichen zu stärken, im Konfrontationsfall mit derartigen Inhalten umzugehen und auch die Erwachsenen kompetent zu machen, Kindern und Jugendlichen zu helfen, problematische Inhalte richtig einzuordnen.
Die hohen Kommunikationsmomente in digitalen Spielformen fordern die Verantwortungsübernahme von Kindern und Jugendlichen für sich selbst und andere stärker heraus als im analogen Zeitalter. Beleidigungen im Netz wirken aufgrund ihrer Verstetigung in einem großen bis unbestimmbaren Kommunikationsraum anders als für den Moment auf dem Schulhof. Das unbedachte Posten eines Fotos kann schwerwiegende Folgen haben. Das aufgebaute Vertrauen zu einem „Freund“ im digitalen Raum kann im Extremfall zu einer realen Missbrauchssituation führen.
Die digitale Wirklichkeit ist zudem immer auch Filterblase und Teil der Analyse von im digitalen Raum hinterlassenen Spuren.
Gleichzeitig sind diese Risiken Spiegelbilder großartiger Möglichkeiten, die die Digitalisierung mit sich bringt. Das jugendpolitische Leitbild, die Entwicklung hin zu einer selbstbestimmten und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit bleibt im Zeitalter der Digitalisierung aktueller denn je. Die Komplexität der digitalisierten Lebenswirklichkeit erhöht jedoch noch mal die Anforderungen an jeden Einzelnen, Chancen und Risiken selbstbestimmt begegnen zu können. Medienkompetenzvermittlung bedeutet in diesem Sinne vor allem eine intensive Vermittlung der bekannten Erziehungsziele zur Anwendung im neuen Kontext.
Für die Bundesprüfstelle folgt daraus beispielsweise eine viel stärkere Betonung der in Indizierungsentscheidungen zum Ausdruck kommenden und zu schützenden Erziehungsziele sowie die Einbringung der diesen zugrunde liegenden Normen und Werte in den öffentlichen Diskurs.
Wie kann die Politik die Selbstregulierung und Selbstverantwortung der Hersteller fördern?
Die Schutz- und Entwicklungsinteressen in Bezug auf Kinder und Jugendliche müssen Produktmerkmale guter Angebote werden und Relevanz für Kaufentscheidungen haben. Im Rahmen des kinder- und jugendpolitischen Strategieprozesses bei der Bundesprüfstelle wird es Thema sein, wie über entsprechende Orientierungshilfen die Aufmerksamkeit hierauf gelenkt werden kann.