Wie würden Sie den Resilienz-Begriff für sich als Unternehmer definieren?
Ich finde, Resilienz ist an sich ein ziemlich schwieriger Begriff. Er suggeriert eine Langlebigkeit und wir wissen, dass das Leben von Menschen, Organisationen und auch Unternehmen endlich ist. Die meisten der vor 150 Jahren gegründeten Unternehmen gibt es heute mehr. Ich bin in der achten Generation unseres Familienunternehmens und unsere Nachfolger in der neunten Generation. Insofern blicke ich auf den Begriff der „Überlebensfähigkeit“ aus einer anderen Perspektive. Für mich bedeutet Resilienz, sich immer wieder neu zu erfinden und diese Erfahrungen auch wieder weiterzugeben. Ich reflektiere regelmäßig darüber und mache sicher auch Dinge anders. Als Doppelspitze im Unternehmen bewegen wir uns im ständigen Spannungsfeld zwischen Überlebenswillen und dem Bewusstsein, dass alles endlich ist. Wir können zwar konkrete Pläne machen. Doch letztendlich müssen wir die Fähigkeit erlernen, mit all den unbekannten Faktoren besser leben zu können. Hier habe ich immer zwei Reaktionsmöglichkeiten, eine nach außen und eine nach innen gerichtet. Das heißt auch, dass wir viele Dinge einfach akzeptieren und mit uns selbst befreundet sein müssen. Man sollte seine eigenen Stärken gut kennen und wissen, was man innerhalb der Organisation gut kann und wie man in ihr wirkt und an welcher Stelle man lieber ein „Nein“ sagen sollte. Das ist das, was ich im Laufe meines Unternehmerlebens gut gelernt habe.
Im Unternehmen selbst verfolge ich einen eindeutig entwicklungsorientierten Ansatz. Ich bespreche mit meinen Mitarbeitern die Planungen und Ziele und ich lege sie dann immer in meine Schublade. Nach der Zielbesprechung pflege ich weiter die Beziehung mit ihnen, schaue, wie sie handeln und unterstütze sie bei Bedarf. In den meisten Fällen erfüllen sich die besprochenen Pläne dann auch wie „von selbst“ und die Mitarbeiter sind zufrieden. Jene Mitarbeiter aber, die mit dieser Freiheit und diesem Ansatz nicht umgehen können, weil sie immer nach Entscheidung im Außen suchen, die scheiden letztendlich aus dem Unternehmen wieder aus.
Darüber hinaus braucht es eine gute Portion innerer Gelassenheit, die auch aus der inneren Stärke resultiert. Resilienz kann sich im Laufe des Lebens entwickeln, wenn wir offen und auch lernorientiert bleiben. Meiner Ansicht nach ist die Krise inzwischen eher zu einem Normalzustand geworden. Für Resilienz braucht es übrigens auch Mut. Es braucht Mut, über einen Abgrund zu springen, gerade, wenn es große Entscheidungen zu treffen gilt.
Woran beobachten Sie die Resilienz Ihres Unternehmens?
Ich möchte diese Frage aus mehreren Blickwinkeln betrachten. Zum einen habe ich das Glück, mit vielen Geschäftsführerkollegen und Abteilungsleitern seit vielen Jahren zusammenarbeiten zu können. Zum anderen haben wir unser Stammhaus ja während des letzten Generationswechsels verkauft und unsere Kräfte neu konzentriert. Seit dieser Entscheidung haben wir unseren Umsatz um das Fünfzehnfache erhöht. Für mich ist das ein Zeichen, Entscheidungen richtig getroffen zu haben.
Das zweite Beispiel erläutere ich an Hand der Corona-Krise. Wir als Holding und alle Tochterunternehmen haben diese Krise gut überlebt und zwar nicht etwa, weil wir die richtigen Geschäftsideen in der Zeit hatten. Wir haben schnell neue Szenarien gebildet und analysiert, auf was wir uns in Zukunft einstellen müssen. Etliche dieser Szenarien waren falsch. Doch die Reflexion darüber war gut, da sie als Diskussionsgrundlage für die Geschäftsführungen der einzelnen Unternehmen dienten.
So haben wir mit Krisenbeginn als Holding entschieden, Geld in das Gesamtunternehmen zu holen, so dass wir als Holding mindestens zwei Jahre sorgenfrei überleben könnten und auch unsere Beteiligungsunternehmen sorgenfrei durch die Zeit kommen. Wir haben dieses zurückgelegte Geld übrigens nie gebraucht. Das liegt daran, dass der Resilienz-Gedanke bei allen Führungskräften unserer Unternehmen fest verankert ist. Als eines von vielen Beispielen nenne ich unseren Gebäude-Dienstleister, der plötzlich in Coronazeiten auf Grund geschlossener Büros keine Reinigungsarbeiten mehr durchführen konnte. Die Kollegen haben dann Reinigungsarbeiten mit Desinfektionsmitteln angeboten und viele weitere Dinge entwickelt. Das von der Holding zurückgelegte Geld hat diese Firma nie gebraucht. Das nenne ich Verantwortungsübergabe. Ich musste im Übrigen auch noch nie in einem unserer Tochtergesellschaften als Geschäftsführer tätig werden. Verantwortungsübergabe spornt andere Menschen an, ihr eigenes Unternehmertum zu entwickeln.
Wo und wie würde man konkret die Umsetzung ihrer Erkenntnisse erleben?
Diese Frage beantworte ich, indem wir uns jetzt in die Zukunft beamen. Zukünftig sind wir weiterhin ein Unternehmen, bei dem man gerne und mit Freude arbeitet. Ich lade ja immer alle ein, die Lust haben ihren Unternehmenszweig mit ihrem eigenen Vibe zu verbinden und sagen dazu habe ich Lust, ich will mich hier entwickeln.
Ich habe Lust, das Unternehmen weiterzuentwickeln und mich selber auch. Das bleibt bestehen und ist auch klar nach außen hin spürbar. Als Zweites haben wir in Zukunft unser Portfolio verändert und wir werden auch weiterhin wachsen. Denn ich kann mir nicht ohne Weiteres eine Zukunft ohne Wachstumsprozesse vorstellen. Wir sind in den nächsten 20 Jahre tatsächlich in dem Sinne nachhaltig und unsere CO2-Bilanz liegt klar auf 0, ohne CO2-Zertifikate zu kaufen. Unser Generationswechsel ist gelungen und wir haben es geschafft, in einem weiteren Land - möglicherweise außerhalb Europas - einen weiteren Hab aufzubauen, indem wir als Unternehmerfamilie aktiv sind.