Meinungsbarometer: Herr Schmitz, mit welcher Strategie wollen Sie den WDR in die digitale Zukunft führen?
Wolfgang Schmitz: Selbstverständlich verfolgen wir, wie sich die Verbreitungswege vervielfältigen. Bei seinen Regelprogrammen setzt der WDR aber vorerst hauptsächlich auf UKW. Das wird noch lange die wichtigste Verbreitungstechnik bleiben. Veränderte Nutzerzahlen beobachten wir derzeit im Bereich Internetradio. Dort fällt die steigende Nachfrage vor allem junger Hörer auf. Deshalb stellt der WDR seine sämtlichen UKW-Programme auch online als Livestream zur Verfügung. Andererseits planen wir natürlich auch die digital-terrestrische Verbreitung von Radio. Nach dem enttäuschend verlaufenen Versuch mit DAB beziehen sich die Planungen allerdings auf andere Formate. DAB+ erscheint mir und meinen Kollegen in der ARD als die interessanteste Option, aber auch über DVB-T und selbst digitalisiertes UKW ließe sich Radio verbreiten.
Jüngstes Digitalisierungsprojekt des WDR ist die Verbreitung des Kinderradios Kiraka über Digital Radio. Doch auch Thüringen will unter Federführung des MDR ein bundesweites Kinderradio starten. Konkurrieren WDR und MDR miteinander?
Mir sind keine Pläne des MDR für ein bundesweites Kinderradio bekannt. Nach meiner Einschätzung handelt es sich hier vielmehr bisher eher um politisches Wunschdenken, nämlich darum, das Kindermedienland Thüringen nach vorn zu bringen. Der WDR hatte ja bereits 2006 die ARD-Anstalten über seine Planungen zum Kinder-Webchannel KiRaKa informiert. Mit KiRaKa sind wir jetzt in die digitale Terrestrik gegangen. Wie die Entwicklung weiter geht, muss sich erst noch zeigen, wir sind für Kooperationen offen.
Nach Inkrafttreten des neuen Rundfunkstaatsvertrages am 1. Juni: Welche Rolle spielen Radioinhalte künftig im Internet?
Die Bedeutung der Radioinhalte im Internet wird sicherlich zunehmen. Schon heute sind alle UKW-Sendungen der ARD-Anstalten als Livestream verfügbar. Einige Sendeanstalten arbeiten zusätzlich mit Webchannels – wie der WDR zum Beispiel mit „Mein WDRRadio.de“. Um die Wünsche der Online-Zielgruppe bedienen zu können, werden in Zukunft verstärkt Loops zum Einsatz kommen. Das sind Online-Angebote, die unverändert ausgestrahlte Sendungen verfügbar machen. Dazu gibt es zahlreiche Podcasts zum Download, die auch gut genutzt werden. Auch nehme ich an, dass unsere Audios zukünftig vermehrt auf Plattformen Dritter Online integriert werden.
Im März erfolgte der Digital Radio-Antrag der ARD bei der KEF. Welchen Beitrag will der WDR im Bereich Digital Radio leisten?
Wir sind hier in der ARD gemeinsam unterwegs, entsprechend sind alle Schritte gegenüber der KEF abgestimmt. Solange das Projekt, das ja ohnehin auf einen zunächst befristen Versuch angelegt ist, bei der KEF auf stand by verharrt, liegen unsere Pläne aber weiter in der Schublade. Wir warten auf eine Entscheidung. Allerdings scheinen sich die privaten Veranstalter inzwischen von DAB + abzuwenden, was ich bedauern würde. Über die Frage, ob und mit welchen Programmen der WDR oder andere Landesrundfunkanstalten bei DAB+ einsteigen könnten, ist erst Klarheit herzustellen, wenn wir wissen, wie die KEF entscheidet.
Wie beurteilen Sie die Erfolgsaussichten für den geplanten Neustart von Digital Radio und wann rechnen Sie damit?
Diese Fragen sind derzeit kaum zu beantworten. Aber ich kann Ihnen sagen, was wir uns wünschen: Das ist baldige Klarheit, ob wir die Chancen von Digital Radio nutzen können. Denn ein großer Vorteil wäre, dass mit DAB+ dem Radio ein eigenständiger Verbreitungsweg zur Verfügung stünde. Und für Digital Radio spricht noch mehr: So bietet es die Möglichkeit, Audio-, Text- und ergänzende Bildinformationen – wie Moderatoren-Fotos, Grafiken oder Webcam-Aufnahmen – zu übermitteln. Auch Podcast via Broadcast und non-lineare Programmnutzung wird mit den Empfangsgeräten möglich sein. Das wäre attraktives, zukunftsfähiges Radio. Vieles davon lässt sich auch im Internet realisieren – allerdings wird es noch dauern, bis solche Angebote im Netz mobil und in jedem Winkel zur Verfügung stehen.