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Viele Trends basieren auf Wunschdenken

Was sich im neuen Jahr trotzdem ändern wird

Prof. Dr. Gerald Lembke, Forscher und Autor, Inhaber des Instituts für Medien Quelle: PR Prof. Dr. Gerald Lembke Autor und Forscher Institut für Medien 03.01.2019
INITIATOR DIESER FACHDEBATTE
Uwe Schimunek
Freier Journalist
Meinungsbarometer.info
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Forscher und Autor Prof. Dr. Gerald Lembke sieht fürs neue Jahr neben einigen technisch-orientierten Trends noch einen anderen Schwerpunkt: Digitalethik und Privatsphäre. "Das wird Konsequenzen für die digitale Wirtschaft haben, die immer weniger freihändig schalten und walten werden wird." Ansonsten hält er einige Hypes für überschätzt.







Sprachassistenten gelten auch für 2019 als ein großer Trend – wie werden Sprachassistenten die nächste Zukunft verändern?
Das steht in den Sternen. Die konkreten Anwendungsfelder befinden sich noch im Experimentierstatus. Ich meine damit nicht Trivialanwendungen wie zum Beispiel die Wetterabfrage mit Hilfe von Siri (Apple) oder Alexa (Amazon). Viel interessanter sind die wirtschaftlichen Anwendungsfelder zum Beispiel in der Produktion oder in der Verbesserung von Lieferanten-Kunden-Verhältnissen. Nehmen wir die Marketingperspektive ein. Als langfristige Größe im Marketing-Mix werden sie lediglich für die Informationssuche in Suchmaschinen genutzt. Doch dafür sind die Datenquellen von Google & Co nicht entwickelt. Das Auffinden von gewünschten Ergebnissen benötigt immer noch zu viel Zeit. Sprachassistenten sind lediglich Kommunikationsvehikel, die aber für konkrete Mehrwerte auf die Qualität und Schnelligkeit von Datenbanken angewiesen sind. Für das Suchmaschinenoptimierung (SEO) hingegen sind sie interessant, da die Keywords sich in Zukunft stärker an das gesprochene Wort und nicht an das geschriebene Wort einer textbasierten Suchlogik in einem Suchfeld orientieren. Summa Summarum bin ich davon überzeugt, dass die Bedeutung – auch für die Zukunft von Sprachassistenten – deutlich überschätzt wird. Unternehmen, die experimentierfreudig sind, sollten das hingegen bleiben und sie in ihrem Marketing-Mix integrieren. Die Zeit wird zeigen, ob daraus Best Practices entstehen werden und wir von ihnen lernen können.    

Virtual Reality (VR), Augmented Reality (AR) und Mixed Reality (MR) wachsen seit Jahren und dennoch wurden lange nicht alle Erwartungen bei den Marktplayern erfüllt. Kommt der große Durchbruch auf dem Massenmarkt nun?
Ein Durchbruch virtueller Technologien in den Massenmarkt ist für die nächsten Jahre nicht zu erwarten. Zwar soll sich laut Prognose von SuperData Research 2018 der Umsatz mit Virtual Reality von 2018 mit 4,5 Mrd. Dollar in 2019 weltweit mit 9,6 Mrd. Dollar mehr als verdoppeln. Doch der Grundumsatz mit Informationstechnik in 2018 beträgt allein in Deutschland bereits 90 Mrd. Euro. (Bitkom Research; EITO 2018). Die Phantasien der virtuellen Informationstechnologien reichen selbst bei utopischen Prognosen bei weitem nicht an den etablierten Markt heran. Wachstum ist meines Erachtens moderat zu erwarten, doch die Durchdringung als Massenmarkt-Artikel wird wohl noch lange Zeit dauern. Es gilt ähnliches wie für die Sprachassistenten: Es fehlen die Business-Cases (betrieblichen Anwendungsfälle).

Experten sehen eine zunehmende Bedeutung von Autonomen Dingen wie etwa Fahrzeugen, Robotern oder Dronen. Welche Bereiche unseres Lebens könnte derartige Technik im Jahr 2019 erobern?
Bisher stelle ich eine zunehmende Bedeutung vor allem im Wunschdenken von Technophilen fest. Sie begeistern sich für Computer, Internet, Mobiltelefone und Heimkino. Doch wenn es darum geht, wirtschaftliche Anwendungen zu konzipieren, bleiben die Inhalte in den meisten Konzepten eher blass. Netflix auf dem iPad schauen zu können heisst noch lange nicht, auch hoch komplexe Roboter vollgepackt mit nobelpreisverdächtiger Künstlicher Intelligenz gestalten und in die betrieblichen Abläufe integrieren zu können. Natürlich gibt es einige hidden Champions in dieser Branche, die vor vielen vielen Jahren ihr Geschäftsmodell mit digitalen Produkten angereichert hatten, eine lange Durststrecke von Jahren und teilweise Jahrzehnten durchlaufen mussten, bevor ein erstes Marktsegment überhaupt Nachfrage entwickeln konnte. Doch machen wir uns nichts vor, niemand weiß, wann Marktsegmente reif für die Nutzung sind. Ich gebe zu, manchmal geht es sehr schnell (wie in der Medizin), oft bleibt es aber Wunschdenken. Daher bin ich davon überzeugt, dass in 2019 alles so sein wird wie in 2018 und weiteren fünf Jahren zuvor.

Welche digitalen Trends sind für Sie daneben die wichtigsten für das Jahr 2019?
Ich sehe, dass sowohl die Technologie, der Politische Wille als auch die konkrete Nachfrage nach digitalen medizinischen Produkten etwas sein wird, dass in 2019 seinen Trend fortsetzen wird. Gleiches gilt für Omnichannel-Marketing. Dies ist zwar kein neuer Trend, aber die Professionalisierung, Abstimmung und Analyse von zahlreichen On- als auch Offline-Marketingkanäle wird in eine weitere Runde gehen. Hier ist tatsächlich noch viel Luft nach oben, im Besonderen was die Analyse von crossmedialen Marketingaktivitäten angeht. Ich sehe neben diesen technisch-orientierten Trends aber einen neuen Trend: Digitalethik und Privatsphäre. Konsumenten entwickeln eine wachsende Aufmerksamkeit über den Wert ihrer privaten Daten und Informationen. Sie interessieren sich immer mehr dafür, welche privaten oder öffentlichen Organisationen ihre Daten wie nutzen. Die Diskussionen in 2018 zeigen eine erhöhte Aufmerksamkeit für ethische Fragen und der Frage, wie Vertrauen in einem unselbstbestimmten digitalen Leben aussehen kann und muss. Digital-Compliants wird sowohl für die öffentliche Hand als auch für Unternehmen immer wichtiger. Immer mehr erkennen den Bedarf daran und werden ihre digitalen Aktivitäten stärker daran ausrichten. Das wird Konsequenzen für die digitale Wirtschaft haben, die immer weniger freihändig schalten und walten werden wird.

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