Nach dem aktuellen Online-Audio-Monitor wird Radio immer öfter online über das Smartphone (unterwegs) gehört. Welche Chancen und Herausforderungen bietet das bei der Vermarktung der traditionell regional aufgestellten Radio-Marken in Deutschland?
Audio als Gattung profitierte in den zurückliegenden Jahren von mehreren Entwicklungen, dazu zählt vor allem auch die Popularität von Smartphones. Immer mehr Nutzer hören Radio über digitale Geräte. Dadurch ist der Konsum von Audioangeboten stark angestiegen und verteilt sich über den ganzen Tag. Die Chancen, die sich dadurch für Sender ergeben, überwiegen deutlich: Mehr Touchpoints bedeuten zunächst einmal mehr Reichweite. Dadurch bieten sich zusätzliche Monetarisierungschancen. Neben der klassischen UKW-Vermarktung können Radiounternehmen nun auch in die digitale und datengetriebene Vermarktung ihres Inventars einsteigen. Damit stellen sie sich breiter für die Zukunft auf.
Viele Sender nutzen digitale Verbreitungskanäle längst nicht mehr nur für den Livestream ihres UKW-Programms, sondern veröffentlichen zahlreiche weitere Streams oder Audiocontent in neuen Formaten wie Podcasts. Damit erhöhen sie ihre Reichweite dauerhaft, erreichen neue Zielgruppen und gewinnen gleichzeitig einen weiteren Kanal, über den sie langfristig weitere Werbeumsätze generieren können.
Online wird Audio vor allem am frühen Abend genutzt. Welche Zielgruppen lassen sich mit neuen Formaten mit Online-Audio erreichen?
UKW und Online Audio ergänzen sich tatsächlich hervorragend in ihrer Nutzung über den Tag. Während das klassische Radio vor allem in den Morgenstunden und im Auto intensiv genutzt wird, gewinnt Online Audio im Verlauf des Tages an Hörern. Online Audio ist vor allem durch den bequemen Zugriff von unterwegs so beliebt geworden. Jetzt folgen die Smart Speaker, aktuell haben bereits über 11 Millionen Haushalte einen Smart Speaker im Besitz, Tendenz steigend. Audio ist momentan das einzige Medium, das auf diesen Geräten stattfindet und erfährt einen neuerlichen Schub in der Nutzung. Mit diesen Entwicklungen gewinnt Audio gerade auch junge Zielgruppen, die über das klassische UKW-Radio nicht mehr so zahlreich zu erreichen sind.
Die Vielfältigkeit, die inzwischen im Bereich Audiocontent existiert – sei es neben den klassischen Radioangeboten Musikstreaming-Dienste oder das wachsende Podcast-Angebot – kommt in jungen wie in älteren Zielgruppen an. Daneben sorgt die Tech-Affinität in jüngeren, urbanen und konsumfreudigen Zielgruppen für hohes Interesse an Entwicklungen wie Sprachassistenten. Den Einsatz dieser Technologie treiben sie mit ihrer Nutzungsweise voran – die Spracheingabe wird sich neben dem Klick als Aktivierungsmechanismus etablieren.
Vor allem für jüngere Zielgruppen spielen Streamingdienste eine immer größere Rolle. Welche mittel- und langfristige Zukunft hat das lineare Radio angesichts dessen?
Momentan sehen wir, dass das Wachstum von Online Audio den Audiomarkt beflügelt. Die Reichweiten von UKW sind stabil auf höchstem Niveau in allen relevanten Zielgruppen. UKW und Online Audio ergänzen sich in einer konvergenten Nutzung und bringen es zusammen auf mehr Reichweite über Audio. Und für Radiosender entsteht wie bereits erwähnt ein zusätzlicher Kanal, über den sie Programminhalte in andere Zielgruppen tragen können.
Wenn wir diese Entwicklung hinsichtlich der Vermarktungspotentiale betrachten, sehen wir ein ähnliches Bild. Momentan gibt es kein vergleichbares Massenmedium, mit dem Werbekunden so schnell hohen Werbedruck für nationale Kampagnen zu einem angemessenen Preis-Leistungs-Verhältnis erhalten wie mit dem klassischen Radio. Das spiegelt sich in der steigenden Marktnachfrage wider. Aus diesem Grund wird Online Audio das klassische Geschäft nicht so schnell ersetzen, auch wenn das Potential zur Umsatzergänzung und für eine spätere Kompensation definitiv vorhanden ist. Die Digital-Vermarktung erlaubt attraktivere TKPs durch die mögliche Datenanreicherung und weiterer Veredlungsmöglichkeiten.
Eine starke Zunahme verzeichnet auch die Nutzung auf Smart Speakern. Was bedeutet das für die Branche aus Vermarkter-Sicht?
Momentan entwickelt sich Voice Advertising als Marketinginstrument heraus, den das Interesse von Werbetreibenden steigt. In der Vermarktung geht es jetzt darum, Lösungen anzubieten.
Hier haben wir z.B. mit der Agentur mediascale das Format Native Audio Advertising entwickelt: Während des Hörens eines Radiosenders oder Streams über ein digitales, sprachsteuerbares Gerät wird dem Nutzer ein Spot ausgespielt. Über einen Sprachbefehl kann er mit diesem Spot eine Interaktion auslösen, woraufhin er zu einem Podcast weitergeleitet wird, der das Spot-Thema in Form von Interviews oder Infobeiträgen vertieft.
Ein anderes Beispiel ist Send me a sample – über diesen Skill auf dem Amazon Echo können sich Nutzer via Sprachbefehl an Alexa Produkt-Samples zuschicken lassen. Marken wie Benefit Cosmetic und Nutella nutzen dieses Marketinginstrument bereits in UK. In Deutschland hat Bacardi das bereits unter dem Namen Schick mir eine Probe getestet. Weitere Cases sind in Vorbereitung.
Grundsätzlich ergibt sich in der digitalen Audiovermarktung durch das Zusammenspiel von neuen Technologien und dem Einsatz von Daten derzeit ein hohes kreatives Potential. Das heißt, Audiowerbung kann und muss neu gedacht werden – die Interaktionsfähigkeit bedeutet zum Beispiel, dass viel stärker mit Call to Actions gearbeitet werden muss. Durch die Möglichkeit, Nutzer über eine Audio DMP zu identifizieren und retargeten zu können, steigt das Interesse an Storytelling-Kampagnen. All das wird Werbetreibende und damit Mediaplaner in Zukunft beschäftigen. Sicherlich werden wir in den Kampagnen der kommenden Jahre einen Anstieg am Einsatz spezieller neuer Audio-Formate sehen und dabei auch noch viel Weiterentwicklung erleben, was die junge Disziplin Voice Advertising angeht.