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Kolumne

Tagesschau-App: Verzweifelter Versuch zur Rückgewinnung der Jugend?

Prof. Dr. Jo Groebel, Direktor des Deutschen Digital Instituts, Berlin

Prof. Dr. Jo Groebel Quelle: DDI Berlin 31.03.2010

Dass besonders der öffentlich-rechtliche Informationsauftrag nicht kanalgebunden ist, macht erst einmal Sinn. Insofern ist auch eine Tagesschau-App für den Mobilbereich sinnvoll. Zudem stehen bis heute privatwirtschaftlich profitable Refinanzierungsmodelle für profitable Bezahlinhalte speziell aus Information und Dokumentation weitgehend aus. Jedoch: Eine ungehinderte Expansion öffentlich-rechtlicher Inhalte in alle möglichen Bereiche hinein kann natürlich nicht Sinn von Medien- und Gesellschaftspolitik sein. Nicht die Nachrichtenverbreitung ist ein potentielles Skandalon, sondern die Besetzung vieler Felder, die genuin kommerziell sind: große Teile des Breitensports, Show und Unterhaltung.

Allerdings sind aufwändige Korrespondentennetze und der Unterhalt differenzierter Sendestrukturen der Öffentlich-Rechtlichen nicht alle selbst tragend. Insofern ist es logisch, diesen Aufwand auch möglichst vielen gegenüber zur Information einzusetzen. Apps bedeuten zudem, die zu erreichen, die im Normalfall gar nicht mehr auf öffentlichrechtliche Angebote zugreifen, erst recht nicht auf deren Nachrichten. Geradezu dramatisch sind die Quoten von ARD und ZDF bei unter 29-Jährigen. Sie erreichten 2009 im Schnitt gerade noch mittlere einstellige Werte. Dass bei dem Gebührenvolumen der Öffentlich-Rechtlichen die Rechtfertigung ihrer Existenz auch darin liegen muss, überhaupt noch jüngere Menschen zu erreichen, leuchtet ein. Umgekehrt kann das Versäumnis attraktiver Angebote für Jugendliche nicht dazu führen, fast verzweifelt immer mehr Felder zu besetzen. Nein, es steht eine gründliche Restrukturierung von Auftrag, Funktion und Verbreitungswegen für die Öffentlich-Rechtlichen an. Alle wichtigen Plattformen müssen ihnen für allerdings eng definierte und begrenzte Inhalte offen stehen. Dies gilt für gesellschaftspolitisch relevante, zugleich aber nicht beliebig von anderen zu übernehmende Dienste. Selbst Verleger, die – in Teilen nachvollziehbar – massiv gegen die Tagesschau-App vorgehen, sind nicht selbstverständlich in der Lage, völlig gleichwertige audiovisuelle Informationsqualität anzubieten.

Ein Dreistufentest zu den Apps wird von den Öffentlich-Rechtlichen unterlaufen werden können. Immer mehr Gremien und Strukturmaßgaben taktische Tricks entgegenzusetzen, mag sogar einleuchtend sein, spricht aber gegen deren eigene Expansion.

Fest steht aber auch: Die privatwirtschaftlichen Anbieter, egal ob Print oder Fernsehen, stehen unter einem massiven wirtschaftlichen Druck, den in dieser Form ARD und ZDF mit ihren wirklich üppigen Portfolios mit verschuldet haben. Es muss eine grundlegende medienpolitische Wende her, auch gegen politische Interessen von sich feudal gebärdenden Föderalherren. Die Abschaffung von Werbe- und Sponsorengeldern wäre ein wichtiger Schritt. Ein so auf Kernaufgaben beschränkter öffentlich-rechtlicher Rundfunk mag dann auch Apps mit Qualität verbreiten.

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