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Strompreis von Steuerlast befreien

Warum das aktuelle Umlagensystem die E-Mobilität ausbremst

Dr. Susanna Zapreva, Vorstandsvorsitzende enercity/Stadtwerke Hannover AG Quelle: enercity/Stadtwerke Hannover AG Dr. Susanna Zapreva Vorstandsvorsitzende Stadtwerke Hannover 17.01.2018
INITIATOR DIESER FACHDEBATTE
Alexander Hiller
Redakteur
Meinungsbarometer.info
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Die Steuerlast bei den Strompreisen als Bremse für die künftige E-Mobilität? Für Dr. Susanna Zapreva, Vorstandsvorsitzende enercity/Stadtwerke Hannover AG, ein klarer Fall. Sie fordert in der Debatte auf Meinungsbarometer.info jetzt das Umlagensystem im Strombereich grundlegend zu überarbeiten. "Der Strompreis müsste von den EEG-Umlagen und Stromsteuern signifikant befreit werden. Diese Kosten sollten CO2-Emisionsgerecht durch Diesel- und Benzinsteuern gedeckt werden."







Der Ausbau der Elektromobilität in Deutschland ist beschlossene Sache. Welche Bedeutung hat das für Strom- und Energiewirtschaft?
Das werden die nächsten paar Jahren zeigen. Derzeit versuchen viele diese Märkte für sich zu erschließen - die Autoindustrie, die Ölkonzerne, Start ups, aber auch die Energiewirtschaft. Für enercity ist die E Mobilität ein Geschäftsfeld, auf das wir in Zukunft stark setzen. Wir wollen unsere Kunden auf dem Weg in die neue elektromobile Zukunft begleiten. Denn wir merken, dass die Ökosysteme unserer Kunden wie Wohnen, Mobilität, Energie und vieles mehr immer stärker zusammenwachsen. Das führt aber auch zu mehr Komplexität, mit der wir unsere Kunden nicht alleine lassen werden. Unser Anspruch ist es, die treibende Kraft der digitalen Energiewende von Morgen zu sein - Mobilität gehört hier dazu. Durch unsere E-Mobilitätsinitiative werden Hannover und die Nachbarstädte schon bald eine deutschlandweit führende Rolle bei der E-Mobilitätsinfrastruktur einnehmen. Wir glauben, dass zunehmende erneuerbare Stromproduktion und gleichzeitige Effizienzsteigerungen gute Chancen für die Energieunternehmen bieten, neue Geschäftsfelder und Absatzmärkte zu erschließen.

Sind die Netze ausreichend ausgebaut oder braucht es neue Netzstrukturen für die E-Mobilität?
In unseren Verteilnetzen herrschen in der Regel gute Bedingungen. Die Netze müssen jedoch bedarfswiese ertüchtigt werden, um zusätzliche Leistungen für das Ad-Hoc-Laden an den zentralen öffentlichen Ladestationen bereit zu stellen. Ein Ausbau des Netzes, um jeden Ladevorgang sofort zu starten, führt zu extrem hohen Kosten. Das ist auch nicht der richtige Weg. Da ein Großteil der Ladevorgänge zeitlich verlagerbar sind, muss diese Lastflexibilität genutzt werden, um die Netzausbaukosten zu begrenzen. Auch Speicherlösungen werden hierbei Abhilfe schaffen. Dennoch wird eine Vergleichmäßigung der Ladeleistung zu einer Leistungserhöhung führen, die in die Auslegung neuer Stromnetze einfließen muss und anlassbezogen Netzverstärkungen erfordert. Wichtiger jedoch sind Rahmenbedingungen und Anreize für Flexibilität.

Wie steht es um die Sicherstellung von genügend Strom auch bei einer flächendeckenden Verkehrsinfrastruktur auf E-Basis?
Für die bundesweit angestrebte Menge von 1 Mio. E-Fahrzeuge im Jahr 2020 werden rund 2,5 TWh Strom im Jahr benötigt - das entspricht etwa einem halben Prozent des bundesweiten Gesamtstrombedarfs von rund 600 TWh. Für 46 Mio. Elektroautos wären es somit 115 TWh Strom im Jahr, also ca. 19% des gesamten Jahresstromverbrauchs Deutschlands. Das entspricht in etwa dem 8-fachen Stromverbrauch Berlins. Derzeit erzeugt Deutschland bereits 200 TWh Strom aus erneuerbaren Energien. Das bedeutet, dass die erneuerbare Stromproduktion für die Deckung des E-Mobilitätsbedarfs nur um 50% der aktuell erzeugten Jahresmenge erhöht werden müsste.
Doch nicht die Energiemenge stellt eine Herausforderung dar, sondern die zusätzlich benötigte Leistung. In Abhängigkeit der möglichen Steuerbarkeit des Ladevorgangs entstehen sehr unterschiedlich hohe Lastspitzen. Unsere Untersuchungen haben bereits aufgezeigt, wie mit smarter Ladetechnik die Leistung vorrangig zu Zeiten erneuerbarer Überproduktion abgerufen wird, und dass die Testteilnehmer mehrheitlich zu flexiblem, netzstabilisierendem Laden bereit sind. Gesetzliche Rahmenbedingungen müssen so verändert werden, dass der Anreiz für steuerbare Ladevorgänge maximal wird. So können übermäßig hohe volkswirtschaftliche Kosten in Netzausbau verhindert werden.
Die größte Herausforderung liegt dabei in der Synchronisation von Erzeugung und Verbrauch. Neben steuerbaren Lasten generell und zeitlich gesteuertem Laden von E-Mobilen im Besonderen werden Speichersysteme zukünftig an Bedeutung gewinnen. Nur so kann eine Elektrifizierung der Mobilität mit regenerativen Energien gedacht werden

Welche energiepolitischen Rahmenbedingungen muss die Politik schaffen, damit das Wunschkind E-Mobilität auch in der Praxis funktioniert?
Aus meiner Sicht sind es neben den Maßnahmen in der Autoindustrie drei Dinge, die der Elektromobilität zum Durchbruch helfen können:

Zum einen müsste das Umlagensystem im Strombereich grundlegend überarbeitet werden. Der Strompreis müsste von den EEG-Umlagen und Stromsteuern signifikant befreit werden. Diese Kosten sollten CO2-Emisionsgerecht durch Diesel- und Benzinsteuern gedeckt werden.

Die zweite wichtige Sache ist, einen Wettbewerb bei Flexibilität einzuführen, um einen effizienten Einsatz dieser zu ermöglichen. Anreize für steuerbare und unterbrechbare Lasten unter Wettbewerbsbedingungen sind hierfür essenziell. Auch eine Vereinfachung der Präqualifikation für Ladeinfrastruktur für den Regelenergiemarkt wäre äußerst wirksam.

Und zum Schluss glaube ich, dass baurechtliche Rahmenbedingungen zum verpflichtenden Einbau von intelligenten Ladelösungen mit Lastmanagement-Funktionalitäten von entscheidender Bedeutung sein können.

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