Nur 2 offene Hotspots auf 10.000 Einwohner - Deutschland ist ein Entwicklungsland in Sachen freies WLAN. Woran liegt das?
In vielen Ländern ist das kein Problem. Die Nutzer gehen unterwegs mit dem Smartphone schnell ins Internet, um einen Restauranttipp zu suchen, Nachrichten zu lesen oder im nächsten Flieger einzuchecken. Und das alles in der Regel mühelos und kostenlos über offenes WLAN. In Deutschland sieht das anders aus. Offenes WLAN auf den Straßen oder in öffentlichen Einrichtungen gibt es kaum. Wenn überhaupt ein Internetzugang vorhanden ist, ist er meist nicht offen, sondern man muss zuvor ein Passwort eingeben, sich registrieren oder vielleicht sogar etwas zahlen. Wichtigster Grund dafür ist die Angst der Hotspot-Anbieter, dass sie für vermeintliche Rechtsverstöße ihrer Kunden zur Rechenschaft gezogen werden. In Deutschland gilt nämlich anders als in seinen Nachbarländern das Prinzip der Störerhaftung. Demnach kann sogar derjenige für Rechtsverstöße haften, der selbst nichts Rechtswidriges getan hat. So auch der Hotspot-Anbieter. Wenn einer seiner Kunden oder Freunde zum Beispiel illegal Filme oder Musik über seinen Internetzugang herunterlädt, dann hat der Hotspot-Anbieter diesen Rechtsverstoß aus Sicht des Gesetzgebers „ermöglicht“ und kann dafür haften. Das alles passt nicht in den Zeitgeist. Selbst die Politik will, dass Deutschland Vorreiter der digitalen Vernetzung ist. Deshalb fragen wir uns, warum man mit offenem WLAN so zurückhaltend ist.
Welche Versorgung wäre eine angemessene?
Das lässt sich nur schwer quantifizieren. In Frankreich oder den USA kommen etwa 5 offene WLANs auf 10.000 Einwohner, in Schweden und Taiwan 10 und in Großbritannien sogar 29. Entscheidend ist, dass wir die rechtlichen Voraussetzungen so gestalten, dass öffentliche WLAN-Zugänge kein Risiko für die Betreiber sind und die Nutzer sich bequem einloggen können. Dann wird sich die Versorgung mit offenen WLANs sehr schnell verbessern.
Welche technischen Hürden stehen einer angemessenen Versorgung im Wege?
Der aktuelle Gesetzentwurf sieht vor, dass jeder Hotspot-Betreiber – egal ob der Student in einer Wohngemeinschaft, die Deutsche Bahn in ihren Zügen oder der Café-Besitzer – seinen Internetzugang mit einem Passwort absichern müsste, um sich von dem Haftungsrisiko zu befreien. Das wäre eine hohe technische Hürde. Dies fordert nicht nur unnötige Investitionen, sondern führt auch zu Ungleichbehandlungen von großen und kleinen Hotspots. Das vermeintliche Ziel, anonyme Kriminalität zu unterbinden, wird damit nicht erreicht.
Wann ist mit einer angemessenen Versorgung zu rechnen?
Die Bundesregierung hat sich einen Ruck gegeben und im Koalitionsvertrag vereinbart, Hotspot-Anbieter von dem Risiko einer möglichen Störerhaftung zu befreien. Einfacher gesagt als getan. Dem ersten Gesetzesentwurf im Frühjahr folgte ein großer Aufschrei – aus der Industrie, wie auch aus Verbraucherkreisen. Und auch der überarbeitete Gesetzesentwurf sorgt weiter für Kritik. So soll der Hotspot-Anbieter nicht nur seinen Internetzugang mit einem Passwort schützen, sondern sich auch noch vom Nutzer die allgemeinen Nutzungsbedingungen per Klick bestätigen lassen. Aus unserer Sicht spricht nichts dagegen, Anbieter von offenen Internetzugängen genauso zu behandeln wie die großen Internetzugangsanbieter.
Gibt es weitere Hürden?
Der Entwurf hat eine weitere große Schwachstelle, die den Gesetzgebungsprozess verlangsamen wird: So sollen im gleichen Abwasch bisherige Haftungsbeschränkungen für so genannte Host-Provider teilweise rückgängig gemacht werden. Host-Provider sind Plattformen, die unbekannte und nicht kontrollierbare Inhalte für Dritte speichern. Ziel ist es, Urheberrechtsverletzungen einzudämmen. Auch wenn der Zweck des Gesetzes begrüßenswert ist: Das Mittel, das das Wirtschaftsministerium zur Host-Provider-Haftung nun vorschlägt, verstößt eklatant gegen EU-Recht. Der Gesetzesentwurf liegt aktuell noch bei der EU-Kommission zur Notifizierung. Es ist zu hoffen, dass die Kommission die Bundesregierung dazu bewegt, mit anderen europäischen Ländern gleichzuziehen und vor allem europäische Richtlinien einzuhalten. Dann ist auch der Weg frei, für ein WLAN-Angebot ohne Haftungsrisiko. Aktuell wirkt der Gesetzesentwurf aber aus den genannten Gründen eher kontraproduktiv.
Die Versorgung über freies WLAN kostet den Nutzer im Ideal-Fall nichts. Wie wird Sie finanziert?
In vielen Locations wie Hotels, Cafés, Flughäfen oder im Zug ist ein Internetzugang heute eigentlich ein Muss. Viele Leute sitzen da nicht mehr und lesen Zeitung, sondern checken Mails oder soziale Netzwerke, arbeiten mit Tablet oder Laptop oder lesen online. Dafür brauchen sie natürlich das Internet. Das wird als zusätzlicher Service wahrgenommen und von den Anbietern kostenlos zur Verfügung gestellt. Die großen Netzbetreiber nutzen kostenlose WLAN-Zugänge auch als Marketinginstrument, um auf ihre anderen, kostenpflichtigen Dienste aufmerksam zu machen.