Gleich mehrere Panels des Medientreffpunkt Mitteldeutschland beschäftigten sich mit der Digitalisierung des Radios. Wie aktuell das Thema ist, zeigte sich an teilweise emotional geführten Debatten. Dabei ergaben sich ganz unterschiedliche Einschätzungen und Prognosen für Digital Radio.
Lutz Kuckuck, Geschäftsführer Radiozentrale GmbH, wies auf die Digitalisierung als ein Problem der privaten Hörfunkanbieter hin. Der Investitionsbedarf sei hoch. Im Krisenjahr 2009 stehe dem ein schrumpfender Werbemarkt entgegen. Auch wenn das Radio im Gegensatz zu TV und Print im Januar davon noch nicht betroffen gewesen sei, werde im Laufe des Jahres ein Rückgang auf bis zu 50 Prozent des bisherigen Aufkommens befürchtet.
Die Infrastruktur für das neue digitale terrestrische Radio sollte vom Staat aufgebaut werden. Dafür plädierte der Sprecher der Geschäftsführung der Regiocast GmbH & Co. KG, Erwin Linnenbach. „Im Zuge der Konjunkturpakete nimmt der Staat so viel Geld für Infrastruktur in die Hand, warum nicht auch für das digitale Netz?“, fragte er. Später könne das Netz dann privatisiert werden, wie es die anderen Übertragungswege wie zum Beispiel UKW bereits sind.
Dr. Uwe Hornauer, Direktor der Landesrundfunkzentrale Mecklenburg-Vorpommern, sieht als einen Ausweg aus der Finanzierungs-Sackgasse den Vorschlag des Verbandes Privater Rundfunk und Telemedien (VPRT), die öffentlich-rechtlichen Anstalten sollten die digitale Verbreitung für die privaten Anbieter bezahlen. Allerdings musste er eingestehen, wie interessenlos die privaten Rundfunkanbieter in Norddeutschland generell DAB gegenüberstehen. Den Neustart von Digital Radio ganz ohne private Sender hält er aber für nicht finanzier- und vorstellbar.
Den von Hornauer angedeuteten Nord-/Süd-Interessenkonflikt zu Digital Radio konstatierte auch Ursula Adelt, Geschäftsführerin des VPRT. Angesichts der derzeitigen Wirtschaftskrise warnte sie davor, DAB+ zu launchen: „Wenn die Politik entscheidet, den technischen Rohrkrepierer DAB+ gegen den Markt einzuführen, dann muss sie auch die Konsequenzen tragen.“
Demgegenübersprach sich Dr. Alexander Jereczinsky, Projektleiter MDR Klassik, dafür aus, die bisherigen Investitionen in DAB+ gezielt weiterzuführen. Wie in Großbritannien sei ein landesweiter Masterplan und eine konzertierte Aktion aller Beteiligten zu stemmen. Erster Schritt dazu müsse ein klares Bekenntnis der Bundesregierung zu DAB+ sein. Daraufhin solle die Geräteindustrie verpflichtet werden, nur noch Mehrkanal-Empfänger mit DAB+ herzustellen. Eine harte Abschaltung von UKW hält er dagegen für kein probates Mittel.
Martin Heine, Direktor der Medienanstalt Sachsen-Anhalt, empfahl hingegen, die gesetzlich fixierte bundesweite Zielvorgabe für eine UKW-Abschaltung 2015 im Auge zu behalten. Dafür brauche es aber eine Abschalt-Strategie, durch die auch die Marktmacht der alten Technologie aufgebrochen werde. So sei es nötig, die privilegierten UKW-Anbieter simulcast zu DAB+ zu verpflichten.
Von der hitzigen Diskussion um eine UKW-Abschaltung überrascht zeigte sichBoris Lochthofen, Leiter Unternehmenskommunikation Regiocast. Da sich der „Patient UKW“ bester Gesundheit erfreue, regte er an, Digital Radio einzuführen, ohne UKW bereits 2015 abzuschalten. „Man kann doch das Eine tun, ohne das Andere zu lassen“, so seine Argumentation.