Menue-Button
← FACHDEBATTE Interview

Seilbahnen als technische Zwischenlösung

Welcher Verkehr am besten in der Luft aufgehoben ist

Prof. Dr.-Ing Jürgen Follmann, Dekan Hochschule Darmstadt Quelle: h_da Jürgen Follmann Dekan Hochschule Darmstadt 26.06.2019
INITIATOR DIESER FACHDEBATTE
Uwe Schimunek
Freier Journalist
Meinungsbarometer.info
ZUR FACHDEBATTE

Seilbahntrassen eignen sich aus Sicht des Darmstädter Forschers Prof. Dr.-Ing Jürgen Follmann in "dicht besiedelten Regionen zur Verknüpfung von ungünstig oder unzureichend erschlossenen großen Stadtbereichen". Gerade dort bieten die Gondeln viele Vorteile.







Eine ganze Reihe von Städten prüft die Errichtung von Seilbahn-Linien für den Personennahverkehr. Welche Vorteile bieten Seilbahnen im innerstädtischen Verkehr?
Im innerstädtischen Verkehr bieten Seilbahnen eine Reihe an Vorteilen: Sie konkurrieren nicht mit den begrenzten Verkehrsflächen von Straße und Schiene. Seilbahnen können Hindernisse wie Gewässer, Straßen, Gleisfelder oder Industrieareale problemlos überwinden. Sie nutzen meist den kürzesten Fahrweg via Luftlinie, wodurch sich die Reisezeit verkürzt. Seilbahnen gelten als schnell und preiswert herstellbar und haben im Vergleich zu konventionellen Schienensystemen geringere Betriebskosten. Darüber hinaus sind Seilbahnen schnell rückbaubar. Vor dem Hintergrund der heute notwendigen Anstrengungen für den Klimawandel sind sie als technische Zwischenlösung bis zur Realisierung angedachter Schienenstrecken denkbar.

Seilbahnen sind flexibel in ihrer Kapazität: die Geschwindigkeit des Seilumlaufs sowie der Abstand zwischen den Kabinen (Kabinenzahl) kann entsprechend verändert und der Nachfrage angepasst werden. Eingesetzt werden meist Umlaufseilbahnen mit Kabinen, in die bis zu 35 Personen einsteigen können. Bei einer Transportgeschwindigkeit von maximal 30 km/h können abhängig vom Seilbahnsystem bis etwa 5.000 Personen pro Stunde und Richtung transportiert werden.

Seilbahnen zeichnen sich durch geringe Emissionen aus. Sie weisen zudem eine hohe Verkehrssicherheit auf.

Seilbahnen legen i.d.R. nur begrenzte Strecken zurück und machen dann ein Umsteigen in andere Verkehrsmittel erforderlich. Wie lassen sich Seilbahn-Konzepte sinnvoll in ein modernes Verkehrsnetz einfügen?
Ihre Stärken im urbanen Raum haben Seilbahnen bislang vor allem in südamerikanischen Städten bewiesen. Hier war zumeist kein modernes Verkehrsnetz mit S-Bahnen, U-Bahnen oder Straßenbahnen wie in europäischen Metropolregionen vorhanden.

Seilbahntrassen sind optimal einsetzbar bis zu einer Distanz von etwa 8 km. Bei einer Umlaufseilbahn wird kein Fahrplan benötigt und die Wartezeiten im Übergang sind kurz. Ihre Stärke zeigen Seilbahnen in aufkommensstarken Punkt-zu-Punkt-Relationen mit wenigen Stationen. Zu viele Haltestellen verringern den Zeitvorteil, da an den Haltestellen die Geschwindigkeit der Kabinen stark verringert wird.

Damit eignen sich Seilbahntrassen in unseren dicht besiedelten Regionen zur Verknüpfung von ungünstig oder unzureichend erschlossenen großen Stadtbereichen wie Konversionsflächen, Arenen, Flughäfen, Industriearealen oder Universitäten mit dem Schienennetz. Oftmals sind hier Schienentrassen nur mit hohem Aufwand und langfristig zu ergänzen. Denkbar ist ein Einsatz auch bei fehlenden ÖPNV-Alternativen und Kapazitätsengpässen im Straßennetz in der Stadt-Umland-Beziehung, um Pendlerströme über große Park-and-Ride-Anlagen an die Verknüpfungspunkte zum städtischen Schienennetz zu bringen.

Stadtgestalterisch lassen sich urbane Seilbahnsysteme individuell in den Stadtraum integrieren. Wohngebiete sollten möglichst nicht berührt werden. Die Verknüpfung mit anderen öffentlichen Verkehrssystemen ist leicht verständlich und auf kurzen Wegen realisierbar. Ein herausragendes Beispiel ist die gerade im Bau befindliche Seilbahn in Göteborg, die zum 400-jährigen Jubiläum im Jahr 2021 die Innenstadt mit dem Stadtteil Hisingen verbinden soll.

Kritiker wenden zudem ein, dass die Zugänge zu den Kabinen für ältere Menschen oder Menschen mit Handicaps Probleme bereiten könnten. Was sagen Sie dazu?
Durch einen bodenebenen und ausreichend breiten Eingang können mobilitätseingeschränkte Fahrgäste problemlos ein- und aussteigen. Die Kabinengeschwindigkeit kann in der Station bis zum Stand (aktuelle Konzepte bis zu 20 s) reduziert werden. Gehbehinderte, Rollstuhlfahrende oder Familien mit Kinderwagen können so ohne Probleme ein- und aussteigen. Die Sitzplatzgestaltung ähnelt Straßenbahnen. Positionen für Rollstühle sind vergleichbar vorgesehen. Verschiedene Raumkonzepte der Kabinen erlauben auch die Mitnahme von Fahrrädern.

Seilbahnen gelten nicht zuletzt als Attraktion für Besucher – inwieweit könnte der innerstädtische Verkehr dadurch zusätzlich ansteigen?
Seilbahnen bieten ein positives Fahrerlebnis aus einer neuen Perspektive mit neuen Blickbeziehungen. Gerade in Städten mit einer interessanten Silhouette wie Frankfurt mit der Hochhaus-Skyline oder Koblenz vom Deutschen Eck über das Rheintal ist dies eine Attraktion für Touristen.

Eingebunden in das städtische ÖPNV-System sind die Beeinträchtigungen gering einzuschätzen. Touristen sind zu anderen Tageszeiten als der Berufsverkehr unterwegs und eher eine sinnvolle Ergänzung und Stärkung für eine urbane Seilbahn. In Koblenz hat das Stadtquartier um die Seilbahnstation auch durch private Investitionen erheblich an Qualität gewonnen.

UNSER NEWSLETTER

Newsletter bestellen JETZT BESTELLEN

■■■ WEITERE BEITRÄGE DIESER FACHDEBATTE

EIN DEBATTENBEITRAG VON
Michael Tanzer
Verkauf
LEITNER ropeways

Michael Tanzer, Verkauf LEITNER ropeways
Seilbahnen | Verkehrsnetz

Seilbahnen fahren effizient und ■ ■ ■

Welche Vorteile die Gondeln noch haben - und wo ■ ■ ■

EIN DEBATTENBEITRAG VON
Michael Tanzer
Verkauf
LEITNER ropeways

EIN DEBATTENBEITRAG VON
Günter Troy
Marktverantwortlicher Deutschland
Doppelmayr Seilbahnen GmbH

Günter Troy, Marktverantwortlicher Deutschland bei der Doppelmayr Seilbahnen GmbH
Seilbahnen | Verkehrsnetz

Seilbahnen können Lücken in ■ ■ ■

Wie sich die Gondeln in moderne Netze ■ ■ ■

EIN DEBATTENBEITRAG VON
Günter Troy
Marktverantwortlicher Deutschland
Doppelmayr Seilbahnen GmbH

EIN DEBATTENBEITRAG VON
Maike Puhe
Wissenschaftliche MA
Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse (ITAS)

Maike Puhe - Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse (ITAS) am Karlsruher Institut für Technologie (KIT)
Seilbahnen | Verkehrsnetz

Seilbahnen sind kein Allheilmittel

Wo die Stärken der Transportlösung liegen

EIN DEBATTENBEITRAG VON
Maike Puhe
Wissenschaftliche MA
Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse (ITAS)

ZUR FACHDEBATTE

■■■ DIESE FACHDEBATTEN KÖNNTEN SIE AUCH INTERESSIEREN

Uwe Rempe

INITIATOR
Uwe Rempe
Freier Journalist
Meinungsbarometer.info

Dipl.- Journ. Thomas Barthel

INITIATOR
Dipl.- Journ. Thomas Barthel
Founder & Herausgeber
Meinungsbarometer.info

Simone Ulrich

INITIATORIN
Simone Ulrich
Freie Journalistin
Meinungsbarometer.info

ÜBER UNSERE FACHDEBATTEN

Meinungsbarometer.info ist die Plattform für Fachdebatten in der digitalen Welt. Unsere Fachdebatten vernetzen Meinungen, Wissen & Köpfe und richten sich an Entscheider auf allen Fach- und Führungsebenen. Unsere Fachdebatten vereinen die hellsten Köpfe, die sich in herausragender Weise mit den drängendsten Fragen unserer Zeit auseinandersetzen.

überparteilich, branchenübergreifend, interdisziplinär

Unsere Fachdebatten fördern Wissensaustausch, Meinungsbildung sowie Entscheidungsfindung in Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, Medien und Gesellschaft. Sie stehen für neue Erkenntnisse aus unterschiedlichen Perspektiven. Mit unseren Fachdebatten wollen wir den respektvollen Austausch von Argumenten auf Augenhöhe ermöglichen - faktenbasiert, in gegenseitiger Wertschätzung und ohne Ausklammerung kontroverser Meinungen.

kompetent, konstruktiv, reichweitenstark

Bei uns debattieren Spitzenpolitiker aus ganz Europa, Führungskräfte der Wirtschaft, namhafte Wissenschaftler, Top-Entscheider der Medienbranche, Vordenker aus allen gesellschaftlichen Bereichen sowie internationale und nationale Fachjournalisten. Wir haben bereits mehr als 600 Fachdebatten mit über 20 Millionen Teilnahmen online abgewickelt.

nachhaltig und budgetschonend

Mit unseren Fachdebatten setzen wir auf Nachhaltigkeit. Unsere Fachdebatten schonen nicht nur Umwelt und Klima, sondern auch das eigene Budget. Sie helfen, aufwendige Veranstaltungen und überflüssige Geschäftsreisen zu reduzieren – und trotzdem die angestrebten Kommunikationsziele zu erreichen.

mehr als nur ein Tweet

Unsere Fachdebatten sind mehr als nur ein flüchtiger Tweet, ein oberflächlicher Post oder ein eifriger Klick auf den Gefällt-mir-Button. Im Zeitalter von X (ehemals Twitter), Facebook & Co. und der zunehmenden Verkürzung, Verkümmerung und Verrohung von Sprache wollen wir ein Zeichen setzen für die Entwicklung einer neuen Debattenkultur im Internet. Wir wollen das gesamte Potential von Sprache nutzen, verständlich und respektvoll miteinander zu kommunizieren.