Eine ganze Reihe von Städten prüft die Errichtung von Seilbahn-Linien für den Personennahverkehr. Welche Vorteile bieten Seilbahnen im innerstädtischen Verkehr?
Im innerstädtischen Verkehr bieten Seilbahnen eine Reihe an Vorteilen: Sie konkurrieren nicht mit den begrenzten Verkehrsflächen von Straße und Schiene. Seilbahnen können Hindernisse wie Gewässer, Straßen, Gleisfelder oder Industrieareale problemlos überwinden. Sie nutzen meist den kürzesten Fahrweg via Luftlinie, wodurch sich die Reisezeit verkürzt. Seilbahnen gelten als schnell und preiswert herstellbar und haben im Vergleich zu konventionellen Schienensystemen geringere Betriebskosten. Darüber hinaus sind Seilbahnen schnell rückbaubar. Vor dem Hintergrund der heute notwendigen Anstrengungen für den Klimawandel sind sie als technische Zwischenlösung bis zur Realisierung angedachter Schienenstrecken denkbar.
Seilbahnen sind flexibel in ihrer Kapazität: die Geschwindigkeit des Seilumlaufs sowie der Abstand zwischen den Kabinen (Kabinenzahl) kann entsprechend verändert und der Nachfrage angepasst werden. Eingesetzt werden meist Umlaufseilbahnen mit Kabinen, in die bis zu 35 Personen einsteigen können. Bei einer Transportgeschwindigkeit von maximal 30 km/h können abhängig vom Seilbahnsystem bis etwa 5.000 Personen pro Stunde und Richtung transportiert werden.
Seilbahnen zeichnen sich durch geringe Emissionen aus. Sie weisen zudem eine hohe Verkehrssicherheit auf.
Seilbahnen legen i.d.R. nur begrenzte Strecken zurück und machen dann ein Umsteigen in andere Verkehrsmittel erforderlich. Wie lassen sich Seilbahn-Konzepte sinnvoll in ein modernes Verkehrsnetz einfügen?
Ihre Stärken im urbanen Raum haben Seilbahnen bislang vor allem in südamerikanischen Städten bewiesen. Hier war zumeist kein modernes Verkehrsnetz mit S-Bahnen, U-Bahnen oder Straßenbahnen wie in europäischen Metropolregionen vorhanden.
Seilbahntrassen sind optimal einsetzbar bis zu einer Distanz von etwa 8 km. Bei einer Umlaufseilbahn wird kein Fahrplan benötigt und die Wartezeiten im Übergang sind kurz. Ihre Stärke zeigen Seilbahnen in aufkommensstarken Punkt-zu-Punkt-Relationen mit wenigen Stationen. Zu viele Haltestellen verringern den Zeitvorteil, da an den Haltestellen die Geschwindigkeit der Kabinen stark verringert wird.
Damit eignen sich Seilbahntrassen in unseren dicht besiedelten Regionen zur Verknüpfung von ungünstig oder unzureichend erschlossenen großen Stadtbereichen wie Konversionsflächen, Arenen, Flughäfen, Industriearealen oder Universitäten mit dem Schienennetz. Oftmals sind hier Schienentrassen nur mit hohem Aufwand und langfristig zu ergänzen. Denkbar ist ein Einsatz auch bei fehlenden ÖPNV-Alternativen und Kapazitätsengpässen im Straßennetz in der Stadt-Umland-Beziehung, um Pendlerströme über große Park-and-Ride-Anlagen an die Verknüpfungspunkte zum städtischen Schienennetz zu bringen.
Stadtgestalterisch lassen sich urbane Seilbahnsysteme individuell in den Stadtraum integrieren. Wohngebiete sollten möglichst nicht berührt werden. Die Verknüpfung mit anderen öffentlichen Verkehrssystemen ist leicht verständlich und auf kurzen Wegen realisierbar. Ein herausragendes Beispiel ist die gerade im Bau befindliche Seilbahn in Göteborg, die zum 400-jährigen Jubiläum im Jahr 2021 die Innenstadt mit dem Stadtteil Hisingen verbinden soll.
Kritiker wenden zudem ein, dass die Zugänge zu den Kabinen für ältere Menschen oder Menschen mit Handicaps Probleme bereiten könnten. Was sagen Sie dazu?
Durch einen bodenebenen und ausreichend breiten Eingang können mobilitätseingeschränkte Fahrgäste problemlos ein- und aussteigen. Die Kabinengeschwindigkeit kann in der Station bis zum Stand (aktuelle Konzepte bis zu 20 s) reduziert werden. Gehbehinderte, Rollstuhlfahrende oder Familien mit Kinderwagen können so ohne Probleme ein- und aussteigen. Die Sitzplatzgestaltung ähnelt Straßenbahnen. Positionen für Rollstühle sind vergleichbar vorgesehen. Verschiedene Raumkonzepte der Kabinen erlauben auch die Mitnahme von Fahrrädern.
Seilbahnen gelten nicht zuletzt als Attraktion für Besucher – inwieweit könnte der innerstädtische Verkehr dadurch zusätzlich ansteigen?
Seilbahnen bieten ein positives Fahrerlebnis aus einer neuen Perspektive mit neuen Blickbeziehungen. Gerade in Städten mit einer interessanten Silhouette wie Frankfurt mit der Hochhaus-Skyline oder Koblenz vom Deutschen Eck über das Rheintal ist dies eine Attraktion für Touristen.
Eingebunden in das städtische ÖPNV-System sind die Beeinträchtigungen gering einzuschätzen. Touristen sind zu anderen Tageszeiten als der Berufsverkehr unterwegs und eher eine sinnvolle Ergänzung und Stärkung für eine urbane Seilbahn. In Koblenz hat das Stadtquartier um die Seilbahnstation auch durch private Investitionen erheblich an Qualität gewonnen.