Herr Deitenbeck, bundesweit steht die Einführung von DVB-T in der Fläche unmittelbar vor dem Abschluss. Warum braucht Deutschland nun auch noch ein lokales DVB-T-Projekt?
Unsere Erfahrungen haben ergeben, dass es für lokale Veranstalter aufgrund der finanziellen Belastungen nicht finanzierbar war, in die digitale Terrestrik einzusteigen. Dies liegt an der Netzstruktur, die sich an den Bedürfnissen der bundesweiten Veranstalter orientiert, die mit möglichst wenig Standorten möglichst viel Fläche erreichen wollen. Der lokale Rundfunk braucht hingegen bezahlbare Reichweite in einem begrenzten Raum. Unsere dezentrale Netzstruktur bietet hier die Lösung.
Was kostet das lokale Überallfernsehen und wie wird es finanziert?
Die Kosten richten sich nach der Anzahl der Sendestandorte, die ihrerseits von der Topografie abhängt. Leipzig ist topografisch einfach zu versorgen, wir arbeiten mit fünf Standorten und geringer Sendeleistung. Dadurch lässt sich unsere oberste Prämisse für das Projekt einhalten: Die Kosten für einen digitalen TV-Sendeplatz dürfen die Kosten nicht übersteigen, die bislang für die analoge terrestrische Verbreitung zu zahlen sind. Ich gehe davon aus, dass sich dies mit unserem Konzept auch an anderen Standorten in Deutschland erreichen lässt.
Das Projekt ist vorerst ein sächsischer Alleingang. Inwieweit ist dieses Projekt mit den anderen Landesmedienanstalten abgestimmt?
Wir haben die anderen Landesmedienanstalten im Rahmen der DLM frühzeitig und fortwährend über den Stand unseres Projektes informiert. Es gibt aus einigen Bundesländern großes Interesse an dem Konzept. Eine bundesweite Strategie gibt es allerdings nicht, da sich die lokale TV-Landschaft in Deutschland sehr unterschiedlich gestaltet.
Mit dem katholischen Kirchenprogramm „Horeb“ und „Radio Leipzig“ sind auch zwei Hörfunkprogramme über DVB-T zu empfangen. Mit welcher Absicht haben Sie Radio in einen ursprünglich fürs Fernsehen vorgesehenen Übertragungsweg genommen?
Unser digitales Netz gibt Hörfunkveranstaltern zunächst einmal eine sehr preiswerte Möglichkeit, neue Ideen auszuprobieren. So hat Radio Leipzig auch mehr Kapazität beantragt, als für die Ausstrahlung eines Programms erforderlich ist. Wir erwarten dort spannende Experimente. Für uns wie für die Hörfunkveranstalter steht allerdings fest, dass DVB-T nicht der künftige digitale Hörfunkübertragungsweg ist. Der wird sich vielmehr im Band III auf Basis der Eureka-147- Familie etablieren.
Für die Digitalisierung des Hörfunks werden in diesem Jahr die Weichen gestellt, die Branche plant für 2009 den „Big Bang“ und damit eine bundesweit abgestimmte Markteinführung von DAB+. Wie lässt sich Ihr lokales DVB-T-Projekt in die geplante Marketingkampagne fürs digitale Radio integrieren?
DAB+ wird, sofern sich durch die unmittelbar bevorstehende Interessensabfrage seitens der Landesmedienanstalten genügend und belastbares Interesse seitens der Hörfunkveranstalter abzeichnet, der von den Marktbeteiligten geforderte Hauptverbreitungsweg für Audiosignale sein. Dies bedeutet aber nicht, dass dies der einzige Weg sein muss. Radio gibt es im Internet, Radio gibt es weiterhin über AM und FM, warum soll es Radio nicht auch ergänzend über lokale oder regionale DVB-T-Netze geben? Für den Empfang ist lediglich ein winziger Chipsatz erforderlich. Bereits jetzt gibt es kleine Geräte, die neben DAB und DMB auch den DVB-T-Empfang ermöglichen. Solche Multinormempfänger werden die Zukunft sein.