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Interview

SPD-Politiker für Umverteilung zugunsten der Kreativen

Wer von EU-Regeln zum Urheberrecht noch profitieren sollte

Prof. Dr. Dietmar Köster, Mitglied des Europäischen Parlaments, S&D Fraktion Quelle: SPD/ Susie Knoll Prof. Dr. Dietmar Köster Mitglied des Europäischen Parlaments S&D Fraktion/ Europäisches Parlament 01.12.2015

Die Interessen von Kulturschaffenden und Internetusern sind "gar nicht so gegensätzlich sind, wie es auf den ersten Blick erscheint", meint Prof. Dr. Dietmar Köster, Mitglied des Europäischen Parlaments (S&D Fraktion). Bei neuen Regeln müsse das Prinzip „zustimmungsfrei, aber vergütungspflichtig“ gelten.







EU-Digitalkommissar Günther Oettinger hat in einem Interview angekündigt, das Urheberrecht in mehreren Paketen auf europäischer Ebene zu reformieren. Braucht es überhaupt einen europäischen Rahmen für das Urheberrecht?
Ja, es braucht einen europäischen Rahmen, denn es existieren bereits europaweite Regelungen des Urheberrechts und anverwandter Rechte. Nun müssen diese dringend an den aktuellen technischen Stand angepasst werden. Die „Richtlinie zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts” (InfoSoc-Richtlinie) z.B. stammt von 2001, einer Zeit ohne soziale Netzwerke, Daten-Streaming und diverser Möglichkeiten, digitale Kopien zu erstellen.

Wenn es zu einer umfassenden Reform kommt, was sollte aus Ihrer Sicht unbedingt beachtet werden?
Kreatives Schaffen hat sich in den letzten Jahren und Jahrzehnten erheblich verändert. Die Kreativen sind für mich Ausgangspunkt aller Kultur. Grundsätzlich kann man davon ausgehen, dass ihnen durch die momentanen Strukturen der Verwertungskette und die Verletzung von Urheberrechten ein ökonomischer Verlust entsteht. Es profitieren in erster Linie die großen Internetplattformen wie Amazon, Apple etc. und illegale Anbieter. Mit der Reform des Urheberrechts müssen wir die Rechte der Kreativschaffenden stärken und dafür sorgen, dass sie fair und angemessen vergütet werden. Es muss das Prinzip „zustimmungsfrei, aber vergütungspflichtig“ gelten. Gleichzeitig müssen wir die Internetnutzerinnen und -nutzer in den Blick nehmen. Sie sind neben den Kreativschaffenden die schwächsten Glieder. Sie dürfen nicht kriminalisiert werden und neue Regelungen müssen auch in ihrem Sinne sein. Dabei geht es nicht unbedingt darum, dass sie mehr als jetzt zahlen müssen, wenn sie legale Internetdienste in Anspruch nehmen, sondern um eine Umverteilung der Einnahmen zugunsten der Kreativen innerhalb der Verwertungskette, um Verteilungsgerechtigkeit. Wir müssen überlegen, wie sich ein Bündnis von Kulturschaffenden und Internetusern schaffen ließe, mit dem wir deutlich machen, dass ihre Interessen gar nicht so gegensätzlich sind, wie es auf den ersten Blick erscheint.

Nach Medienberichten solle es in einem ersten Paket noch in diesem Jahr u.a. um die grenzüberschreitende Nutzung digitaler Inhalte gehen. Welche Regeln würden Sie in diesem Bereich befürworten?
Die Kommission wird voraussichtlich Ende des Jahres einen Gesetzesvorschlag zum Thema „Portabilität“ machen. In der Resolution zum Initiativbericht zur Reform des Urheberrechts hat das Europäische Parlament im Juli diese bevorstehende Initiative der Kommission, Portabililtät für legale Angebote innerhalb der EU zu vereinfachen, unterstützt. Dies muss unter den Prämissen des Urheberrechts geschehen. Zudem können wir von der Kommission sicherlich auch eine Äußerung zum Geo-Blocking erwarten. In dieser Beziehung betonte das Parlament in seiner Resolution, dass Geo-Blocking für kulturelle Minoritäten, die in den EU-Staaten leben, den Zugang zu Inhalten oder Diensten in ihrer Sprache nicht verhindern darf (z.B. für die dänische Minderheit in Deutschland, die weiterhin auch ihre Inhalte empfangen sollen). Ferner gehe ich mit der Parlaments-Position konform, dass das Urheberrecht Territorialität impliziert und es wichtig ist, auch weiterhin Lizenzen innerhalb der EU territorial zu vergeben. Dadurch wird die Finanzierung von Filmen gewährleistet, die die kulturelle Vielfalt in Europa sichert. Daher dürfen Maßnahmen, die die Portabilität sichern, nicht mit der Territorialität im Widerspruch stehen.

Für weitere Regelungen wird nach Oettinger Aussagen gerade das deutsche Leistungsschutzrecht beobachtet. Wie fällt Ihr Fazit nach zwei Jahren Leistungsschutzrecht aus?
Generell finde ich das Leistungsschutzrecht fragwürdig. Wieso sollen lediglich die Verleger das ausschließliche Recht, ein Presseerzeugnis zu gewerblichen Zwecken öffentlich zu machen, haben? Mich stört auch, dass das deutsche Leistungsschutzrecht derart vage ist und den Journalistinnen und Journalisten lediglich eine „angemessene Beteiligung“ an den Einnahmen zuspricht. Sie sind sowieso schon lange in einer schlechten Verhandlungsposition, dadurch, dass die Verlage massiv Stellen abbauen, schlechte Tarif-Verträge bieten und Total-Buy-Outabschließen. Das Leistungsschutzrecht trägt also dazu bei, dass das Geld den Verlagen, und nicht an den Urheberinnen und Urhebern zugute kommt. Eine solche Regelung europaweit verpflichtend zu machen, halte ich für falsch. Diese Position vertritt übrigens auch das Europäische Parlament in seiner Resolution.

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