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Rheinland-Pfalz für Aufhebung des Kooperationsverbots

Warum der Bund bei der Digitalisierung der Schulen helfen muss

Dr. Stefanie Hubig, Ministerin für Bildung des Landes Rheinland-Pfalz Quelle: Peter Bajer Dr. Stefanie Hubig Ministerin Landesregierung Rheinland-Pfalz 01.11.2017
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Uwe Schimunek
Freier Journalist
Meinungsbarometer.info
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Rheinland-Pfalz hat in den vergangenen Jahren viel Geld in die digitale Ausstattung der Schulen investiert. "Aber ohne die Unterstützung seitens des Bundes ist eine zufriedenstellende Ausstattung, die den Lehrkräften und Schülerinnen und Schülern in jedem Unterricht an jeder rheinland-pfälzischen Schule die Möglichkeit bietet mit digitalen Medien zu arbeiten, nicht leistbar", betont Bildungsministerin Dr. Stefanie Hubig.







Bei den Lehrern herrscht große Skepsis gegenüber digitalen Lehrmedien, so glaubt nicht mal jeder vierte Lehrer daran, dass digitale Medien dabei helfen, den Lernerfolg ihrer Schüler zu verbessern. Wie begegnen Sie dieser Skepsis?
Die Digitalisierung ist eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung, die nicht an den Schultoren halt macht. Die Vermittlung digitaler Kompetenzen an Schülerinnen und Schüler kann daher nicht Kür sein, sondern muss Pflicht werden. Digitales Lehren und Lernen will aber auch gelernt sein: Viele Lehrkräfte sind jetzt schon sehr engagiert, aber wir müssen alle mitnehmen. Deshalb werden wir unser Fortbildungsangebot noch weiter ausbauen und alle bedienen: die, die noch nicht voll eingestiegen sind ebenso wie die, die schon seit Jahren digital lehren. Das Digitale darf aber nie Selbstzweck werden, sondern muss dem Primat der Pädagogik folgen. Das umfasst sowohl den versierten Umgang mit Soft- und Hardware als auch die intellektuelle Durchdringung informatischer Zusammenhänge und die Medienkompetenz, also die Schulung eines verantwortungsvollen Umgangs mit den Chancen aber auch den Gefahren einer zunehmend digitalisierten Welt. Ich erlebe im Übrigen bei Schulbesuchen und in Gesprächen mit Lehrkräften in dieser Sache eine große Offenheit und viel Engagement.

Wir sind hier in Rheinland-Pfalz auch schon sehr weit – das haben uns verschiedene Studien, darunter die Telekomstudie gezeigt. Das mag auch daran liegen, dass wir in Rheinland-Pfalz sehr früh damit begonnen haben, uns mit dem Thema Digitalisierung auseinanderzusetzen. Unser Landesprogramm „Medienkompetenz macht Schule“ läuft bereits seit 2007 sehr erfolgreich. Rund 65.000 Lehrkräfte haben seitdem an Fortbildungsangeboten zum Einsatz digitaler Medien im Unterricht teilgenommen, über 2.900 Jugendmedienschutzberaterinnen und -berater wurden qualifiziert und über 2.400 Schülerinnen und Schüler als Medienscouts ausgebildet. Mit einer Fördersumme von annähernd 22 Millionen Euro wurden 580 – und damit der überwiegende Teil – unserer weiterführenden Schulen im Rahmen des Landesprogramms mit knapp 13.000 Notebooks und Tablets sowie mit mehr als 1.500 Interaktiven Whiteboards zusätzlich ausgestattet. Nach einer erfolgreichen Pilotphase an zwölf Grundschulen wird das Landesprogramm zum Schuljahr 2017/2018 jetzt auch auf den Primarbereich ausgeweitet. Dieses Jahr haben wir landesweit 125 Grundschulen in das Programm aufgenommen. Diese erhalten eine Förderung von jeweils 7.500 Euro, die sie für die Ausstattung, zusätzlich zu den Geräten, die sie von Schulträgern oder Fördervereinen bekommen, nutzen können. Darüber hinaus profitieren sie von zielgerichteter Beratung und hochwertigen Fortbildungsangeboten. Im nächsten Jahr folgen dann wieder bis zu 125 Grundschulen. Die Schulen werden hierbei im Rahmen von „Medienkompetenz macht Schule“ vom Pädagogischen Landesinstitut angeleitet und unterstützt. Außerdem werden die Schulen bei der Umsetzung des Landesprogramms  individuell pädagogisch begleitet.
Auch in der Lehrkräfte-Ausbildung haben wir das Thema „Digitales“ selbstverständlich verankert.

Entlang dem sogenannten „Medienkompass“ können digitale Kompetenzen der rheinland-pfälzischen Schülerinnen und Schüler in den Grund- und weiterführende Schulen dokumentiert und zertifiziert werden.

Mit unserem breiten Landesprogramm sind wir vorangeschritten und haben uns unter den Ländern bundesweite Anerkennung erarbeitet. Wichtig war, dass die Lehrkräfte als Praktikerinnen und Praktiker vor Ort auf diesem Weg immer mitgenommen haben. Das ist unerlässlich, um das Bewusstsein und die Akzeptanz für die digitale Bildung zu schaffen und zu erhalten.

Der Bildungsmonitor fordert Ausbildung an digitalen Medien als Lehr- und Lernmitteln verpflichtend im Lehramtsstudium. Wie sehen Sie das?
Um Schülerinnen und Schüler digital zu bilden, braucht es digital gebildete Lehrkräfte. Das bedeutet aber weitaus mehr als nur die Ausbildung an digitalen Medien, sondern eine umfassende Kompetenzvermittlung, damit sich die Lehrerinnen und Lehrer sicher im Kontext einer zunehmend digitalisierten Lehr, Lern- und Lebenswelt bewegen können. Und dieser Kompetenzerwerb sollte in der der ersten und zweiten Phase der Lehrkräfteausbildung verbindlich verankert werden. Gleichzeitig fordert die Schnelllebigkeit der digitalisierten Welt aber ein, dass Lehrkräfte ständig weiterqualifiziert werden müssen. Ein Seminar an der Uni, in dem der unterrichtliche Einsatz digitaler Medien geübt wird, ist sicher sehr hilfreich, trägt aber nicht über eine 25-jährige Laufbahn als Lehrerin oder Lehrer. Das ist eine große Herausforderung, der sich die Bildungspolitik stellen muss.

Die Hälfte aller Lehrer ist unzufrieden mit der technischen Ausstattung ihrer Schule. Was muss die Politik tun?
Die Verbesserung der technischen Ausstattung an den Schulen stellt die Kommunen als Schulträger vor enorme Herausforderungen. Mit Unterstützung des Landesprogramm „Medienkompetenz macht Schule“ konnte die technische Ausstattung an den weiterführenden Schulen in Rheinland-Pfalz zwar verbessert werden, aber ohne die Unterstützung seitens des Bundes ist eine zufriedenstellende Ausstattung, die den Lehrkräften und Schülerinnen und Schülern in jedem Unterricht an jeder rheinland-pfälzischen Schule die Möglichkeit bietet mit digitalen Medien zu arbeiten, nicht leistbar.

Bundesbildungsministerin Prof. Dr. Johanna Wanka hatte im Herbst 2016 den Ländern versprochen, fünf Milliarden Euro für die Digitalisierung der Schulen bereitzustellen. Bisher sind diese Mittel weder im Bundeshaushalt zu finden noch anderweitig in Aussicht gestellt. Die digitale Bildung ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, zu der der Bund auch seinen Beitrag leisten muss. Wir hoffen deshalb sehr, dass die fünf Milliarden Euro den Ländern noch zur Verfügung gestellt werden und der Bund sich auch künftig weiter an den Kosten beteiligt.

Der Bildungsmonitor fordert ein gemeinsames Gütesiegel und eine deutschlandweit zugängliche Plattform für digitale Lernmaterialien. Wieviel Bildungsföderalismus ist angesichts einer vernetzten Welt noch sinnvoll?
In Rheinland-Pfalz besteht das Online-Medien Gesamtangebot „OMEGA“ mit geprüften digitalen Lehr- und Lernmaterialien, die allen Schulen und Studienseminaren zur Verfügung gestellt werden. Vergleichbare Angebote gibt es auch in anderen Bundesländern. Eine Verknüpfung  der verschiedenen Angebote  bzw. die Standardisierung von Schnittstellen zwischen Anbietern von digitalen Lehr- und Lernmaterialien und den verschiedenen landespezifischen Plattformen sollte angestrebt werden. Kooperationen von verschiedenen Ländern, gerade im IT-Bereich, gibt es schon. Ich halte solche gemeinsamen Projekte, in denen jedes Land seine Eigenständigkeit behält, aber das Rad nicht 16 Mal neu erfunden wird, für sinnvoll.

Im Übrigen setzen wir uns dafür ein, das Kooperationsverbot aufzuheben, damit der Bund bei den großen bildungspolitischen Herausforderungen – und dazu gehört auch die Digitalisierung – mithelfen kann.

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