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Regulierungsdschungel bremst die E-Mobilität

Bundesdeutsches Steuer- und Abgabensystem als Wachstumsbremse

Dr. Benjamin Tischler, Economist, Kompetenzfeld Umwelt, Energie, Infrastruktur am Institut der deutschen Wirtschaft Köln e.V. Quelle: Institut der deutschen Wirtschaft Köln e.V. Dr. Benjamin Tischler Economist Institut der deutschen Wirtschaft Köln 05.12.2017
INITIATOR DIESER FACHDEBATTE
Alexander Hiller
Redakteur
Meinungsbarometer.info
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"Auch wenn es vielfach Nischenerfolge bei der Elektrifizierung von PKWs gibt, existieren derzeit noch keine betriebswirtschaftlich tragfähigen Geschäftsmodelle, die eine Elektrifizierung eines Großteils der PKW-Flotte absehbar machen." Das sagt Dr. Benjamin Tischler, Economist am Institut der deutschen Wirtschaft Köln. "Darüber hinaus steht der Elektrifizierung auch das derzeitige Steuer- und Abgabensystem des Energiesystems entgegen." So müsse das Steuer- und Abgabensystem für eine kostengünstige Dekarbonisierung mittelfristig so entschlackt werden muss, dass Energienutzung egal in welcher Form nur durch Abgaben in Form von CO2-Preisen einerseits und durch die Kosten der Netzinfrastruktur andererseits belastet werden sollte.







Der Ausbau der Elektromobilität in Deutschland ist beschlossene Sache. Welche Bedeutung hat das für Strom- und Energiewirtschaft?
Weil E-Autos als Verbraucher hinzukommen, geht der Ausbau der Elektromobilität mit einem insgesamt größeren Stromverbrauch einher. Um Treibhausgas-Emissionen nicht im gleichen Zuge steigen zu lassen, ist es wichtig parallel die Stromerzeugung zu Dekarbonisieren. Weil E-Autos teilweise als flexible Batteriespeicher dienen können, wird der Ausbau der Elektromobilität zu einer Flexibilisierung im Stromsektor beitragen. In Stunden mit großer erneuerbarer Stromerzeugung können E-Autos dazu beitragen diese Strommengen aufzunehmen. Andererseits, können E-Autos in Zeiten knapper Stromerzeugung z.B. bei einer Dunkelflaute Strom ins Netz einspeisen. Weil Einspeisung mit einem  Verlust an Fahrreichweite verbunden ist, werden Nutzer aber davor zurückschrecken große Anteile ihrer Batterie zu entladen. Das Ausgleichpotential in Zeiten knapper Stromerzeugung ist damit begrenzt. Durch den zusätzlichen Stromverbrauch von E-Autos entstehen höhere Kosten, weil tendenziell mehr Stromerzeugungskapazität benötigt wird. Dieser Effekt könnte aber durch das Flexibilitätspotenzial der E-Autos etwas abgedämpft werden.

Sind die Netze ausreichend ausgebaut oder braucht es neue Netzstrukturen für die E-Mobilität?
E-Autos brauchen leistungsstarke Anschlüsse - insbesondere wenn sie mittels Schnellladern aufgeladen werden sollen. Dazu muss vor allem das Verteilnetz an einigen Stellen ausgebaut werden. Das durch E-Autos verursachte zusätzliche Investitionsvolumen hält sich aber im Vergleich zu anderen Herausforderungen im Netzausbau in Grenzen. Zudem ist zu erwarten das E-Autos vor allem im PKW-Bereich - bei den gegebenen wirtschaftlichen Anreizen - nur langsam konventionelle Autos ersetzen. Der deutsche Durchschnitts-PKW ist 9 Jahre alt und es werden nur ca. 3,5 Mio. PKW pro Jahr neu zugelassen. Für die notwendigen Netzanpassungen bleibt also genug Zeit.

Wie steht es um die Sicherstellung von genügend Strom auch bei einer flächendeckenden Verkehrsinfrastruktur auf E-Basis? (Kurz gefragt könnten 46 Millionen PKWs, die heute mit fossilen Brennstoffen unterwegs sind, auch als E-PKW zu jeder Zeit mit Strom betankt werden?)
Weil E-Autos nur nach und nach auf den Markt kommen bleibt genügend Zeit die Stromerzeugung anzupassen. Die vorher angesprochene Flexibilität der E-Autos wird dafür sorgen, dass die Erzeugungskapazitäten nicht im selben Maße wachsen müssen, wie der Stromverbrauch.

Welche energiepolitischen Rahmenbedingungen muss die Politik schaffen, damit das Wunschkind E-Mobilität auch in der Praxis funktioniert? (Stichworte Energiewende, Kohlestrom, Atomstrom, Zukauf von Strom etc.)
Auch wenn es vielfach Nischenerfolge bei der Elektrifizierung von PKWs gibt, existieren derzeit noch keine betriebswirtschaftlich tragfähigen Geschäftsmodelle, die eine Elektrifizierung eines Großteils der PKW-Flotte absehbar machen. Neben derzeit noch vergleichsweise hohen Produktionskosten von E-Autos, ist ein ungenügender regulatorischer Rahmen ein Haupthindernis für die Elektromobilität. So sind bei der Ladeinfrastruktur noch viele Hindernisse für tragfähige Geschäftsmodelle aus dem Weg zu räumen. Darüber hinaus steht der Elektrifizierung auch das derzeitige Steuer- und Abgabensystem des Energiesystems entgegen. Elektromobilität kann ihre volkswirtschaftlich sinnvolle Rolle nur bei einem Marktdesign spielen, dass ein wettbewerbliches Level Playing Field der Technologien im Energiesystem herstellt. Konkret bedeutet dies, dass das Steuer- und Abgabensystem für eine kostengünstige Dekarbonisierung mittelfristig so entschlackt werden muss, dass Energienutzung egal in welcher Form nur durch Abgaben in Form von CO2-Preisen einerseits und durch die Kosten der Netzinfrastruktur andererseits belastet werden sollte.  Die CO2-Preise sollten dabei aus einem die gesamte europäische Volkswirtschaft umfassenden Emissionshandelssystem stammen. Zusätzliche wirtschaftspolitische Instrumente sollten nur eingesetzt werden, wenn Marktunvollkommenheiten wie technologische Pfadabhängigkeiten z.B. bei der Tankstellen bzw. Ladeinfrastruktur oder Finanzierungsengpässe bei riskanten Innovationen und in der Forschung überwunden werden müssen. Unser gegenwärtiger Abgaben- und Regulierungsdschungel bremst nicht nur das Wachstum der Elektromobilität, sondern bremst die Dekarbonisierung des Energiesystems und treibt die resultierenden gesamtwirtschaftlichen Kosten unnötig in immer größere Höhen.

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