Als erste Medienanstalt testet die MSA in einem Pilotprojekt die Radioübertragung im DAB+ Standard. Welche Erwartungen knüpfen Sie an das Projekt?
Martin Heine: Vom bisherigen DAB wissen wir - insbesondere nach Wegfall der Sendeleistungsbeschränkung - dass dieses eine stabile, hochqualitative Hörfunkversorgung sicherstellen kann und den Vergleich mit UKW nicht zu scheuen braucht. An der hervorragenden Klangqualität bei DAB+ konnte ich mich bisher lediglich unter „Laborbedingungen" erfreuen. Konkrete Erfahrungen über Versorgungs- und Empfangsqualität im Echtbetrieb gibt es nicht. Ziel des Pilotprojektes der MSA ist daher, eine umfassende Erprobung aller Einzelkomponenten und Schnittstellen für DAB+ unter realen Bedingungen vorzunehmen, die Übertragungsparameter am Multiplex/Encoder zu optimieren und die maximal notwendige Kapazität für die Programmübertragung zu ermitteln. Die MSA erhält Erkenntnisse für künftige DAB+ Zuweisungen im Rahmen des geplanten Neustarts des Digitalradios in 2009. Die privaten Veranstalter können zum Beispiel feststellen, wie hoch Sendeleistung und Programmdatenrate für eine optimale Versorgung sein müssen. Erkenntnisse, die nicht zuletzt für die wirtschaftliche Planung von Digitalradio notwendig sind.
Bisher dürften die wenigsten Hörer in Sachsen-Anhalt über DAB+ fähige Geräte verfügen, um das im Pilotprojekt ausgestrahlte Programm zu empfangen. Inwieweit wird dieses Problem den Erfolg des Projektes beeinflussen?
Natürlich sind DAB+ Geräte auch in Sachsen-Anhalt nicht verbreitet. Aber erste Geräte gibt es von Iriver, Albrecht, Pure und Trinloc für die ganze DAB-Systemfamilie und damit auch für DAB+. Dies reicht für das Projekt vollständig aus. Denn das Ziel ist ja nicht, die Bevölkerung mit Hörfunk im DAB+ Standard zu versorgen, sondern technische Parameter für den Neustart von Digitalradio auszutesten. Dieser wird natürlich nur erfolgreich, wenn auch kostengünstige Empfangsgeräte am Markt zu kaufen sind. Die Forderung an die Industrie kann daher nur heißen, zukünftig „Mehrnormengeräte“ anzubieten. Hierzu führen wir auch intensive Gespräche.
Welche Vorteile bietet der DAB+ Standard konkret gegenüber dem bisher etablierten DAB?
Der DAB+ Standard gehört in die DAB-Systemfamilie und bietet eine effektivere Audiokodierung, das heißt, es können noch mehr Programme in einem Ensemble in guter Hörfunk-Qualität inklusive Programmbegleitung angeboten werden. Aber auch die Mischung der Programme in einem Ensemble mit DAB und DAB+ ist natürlich möglich. Während die analoge Welt pro Frequenz nur ein Programm kannte, ermöglicht DAB bereits sechs bis sieben Programmplätze und DAB+ sogar 14 bis 16 Programme. Mit anderen Worten: Die Verbreitungskosten pro Programm werden ganz erheblich gesenkt.
Inwiefern sind die Ausgangsbedingungen für die Markteinführung von DAB+ zum angestrebten Neustart im Jahr 2009 günstiger als seinerzeit bei DAB?
Für die Markteinführung von Digitalradio mit der DAB-Systemfamilie in Deutschland im Jahr 2009 gibt es vier günstige Ausgangsbedingungen. Erstens: Erstmals stehen für Digitalradio flächendeckend leistungsstarke Frequenzen zur Verfügung. Zweitens: Damit kann Digitalradio erstmals auch den sogenannten „good indoor" Empfang, das heißt den Empfang in geschlossenen Räumen, sicherstellen und seine technische Überlegenheit gegenüber dem analogen UKW unter Beweis stellen. Drittens: Mit neuen innovativen landes- und auch erstmals bundesweit verbreiteten Programmen wird ein Hörfunkangebot kreiert, das ausschließlich digital zu empfangen sein wird und einen tatsächlichen „Hörfunkmehrwert" bietet. Viertens: Der Endgerätemarkt hat reagiert und stellt eine Vielzahl von Endgeräten zur Verfügung und auch die Automobilindustrie bietet für etwa 50 Fahrzeuge jetzt auch DAB als digitales Radio an.
Mitteldeutschland tritt bei der Digitalisierung des Radios immer wieder als „Schrittmacher“ auf. Welche Wirkungen wird das Pilotprojekt Ihrer Meinung nach auf andere Bundesländer entfalten?
Wir wissen, dass auch in den anderen Bundesländern die Vorbereitungen für die Markteinführung von digitalem Radio angelaufen sind und rechnen damit, dass auch weitere DAB+ Programme zur Verfügung stehen werden. Damit haben auch Endgerätehersteller bereits jetzt ideale Testplattformen zur Verfügung.