Die virtuelle Datenwolke, kurz Cloud, ist auch in der Unterhaltungsindustrie angekommen. Was wir bisher nur aus dem IT- und Datentransfermarkt kannten, könnte schon bald auch den Radiomarkt umkrempeln. Schließlich sind die riesigen virtuellen Speicher geradezu prädestiniert, Audioinhalte aufzunehmen und könnten so mittelfristig bisherige Empfangswege wie Terrestrik und Satellit gefährden.
Der Verband Privater Rundfunk und Telemedien e. V. (VPRT) in Berlin gibt sich gelassen. Man sieht dort zwar die Relevanz von Cloud-Angeboten. Diese seien jedoch eher eine Konkurrenz zu den klassischen Downloadplattformen als zum Radio, da ihnen wesentliche Elemente, die das private Radio für seine Hörer attraktiv macht, fehlen: News, aktuelle und regionale Nachrichten, Wetter, Verkehr, Comedy und viele mehr, erklärt Pressesprecher Hartmut Schultz dem Meinungsbarometer Digitaler Rundfunk. Die neuen Angebote in den Clouds würde man aber genauso sorgfältig beobachten wie beispielsweise die Entwicklung bei DAB+. Vizepräsident Klaus Schunk fasst die Haltung des Verbands mit den Worten zusammen: „Die privaten Radios sind immer da, wo ihre Hörer sind.“
Auch Nico Nickel von Regiocast, das unter anderem Radio PSR, R.SH und R.SA und über DAB+ das Fußball-Radio 90elf ausstrahlt, sieht in der zunehmenden Verbreitung von Inhalten in Clouds keine Gefahr für die herkömmliche Ausstrahlung. Denn klassische UKW-Stationen behielten ihre Stärken wie Regionalität und „On-Air-Personalities“. Derartiges könnten Webradios seiner Meinung nach naturgemäß nicht bieten. „Trotzdem rüsten wir uns für die Zeit nach einer UKW-Abschaltung, die ja noch nicht absehbar ist“, so der Sprecher. „Gerade mit unserem Produkt 90elf sammeln wir Erfahrungen für weitere digitale Produkte.“ Schließlich wolle man bei Regiocast grundsätzlich auf allen Ausstrahlungswegen präsent sein.
Auch bei den ARD-Radios setzt man sich mit dieser Problematik auseinander. Die stellvertretende ARD-Sprecherin, Bettina Altenkamp, sieht in Radioinhalten in Clouds grundsätzlich eine Chance, dass Inhalte zur zeitunabhängigen Nutzung zur Verfügung stehen. „Allerdings halten wir die terrestrischen und satellitengestützten Ausstrahlungswege perspektivisch nicht für überflüssig.“ Deshalb habe die ARD eine „hybride Digitalstrategie“. Grund: Man geht dort davon aus, dass es auf lange Sicht für unterschiedliche Hörsituationen den einen Verbreitungsweg nicht gibt. Auf Dauer werde die Radionutzung zu Hause immer stärker durch das Internet (WLAN-Radios) gespeist. Gleichzeitig werde die digital-terrestrische Versorgung für die Nutzung im Auto und in der Fläche aber noch sehr lange notwendig sein, weil die komplette breitbandige Internetversorgung auf sich warten lasse, erklärt Altenkamp. Außerdem sei die Inanspruchnahme von Clouds noch mit vielen rechtlichen Fragestellungen verbunden wie beispielsweise dem Urheberrecht oder dem Datenschutz. Ob und inwieweit Clouds daher im Einzelfall von öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten genutzt werden dürfen oder sollten, würde zunächst sorgfältig in den Häusern geprüft.