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Piraten fordern freien Zugang überall

Was sich die Piratenpartei von europäischen Standards erhofft

Bruno Kramm, Vorsitzender der Piratenpartei Berlin und Musiker Quelle: cc-by-sa Bartjez Bruno Kramm Vorsitzender Piratenpartei Berlin 03.12.2015
INITIATOR DIESER FACHDEBATTE
Uwe Schimunek
Freier Journalist
Meinungsbarometer.info
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Der Piratenpolitiker und Musiker Bruno Kramm fordert einen europäischen und globalen Rahmen zum Urheberrecht. "Es gibt eine kaum überschaubare Zahl von Aktivitäten, die in einem Land legal und im nächsten illegal sind", sagt er im Interview. Doch wie soll der Ausgleich zwischen Rechteinhabern und Nutzern aus seiner Sicht gelingen?







EU-Digitalkommissar Günther Oettinger hat in einem Interview angekündigt, das Urheberrecht in mehreren Paketen auf europäischer Ebene zu reformieren. Braucht es überhaupt einen europäischen Rahmen für das Urheberrecht?
Natürlich braucht es einen Rahmen und zwar nicht nur auf europäischer sondern auf globaler Ebene, da das Internet nun mal keine nationalen Grenzen kennt. Praktisch bedeutet das: Es gibt eine kaum überschaubare Zahl von Aktivitäten, die in einem Land legal und im nächsten illegal sind. Genau genommen haben wir alleine in Europa 28 verschiedene Auffassungen des Urheberrechtes. Das ist spezifisch für die Nutzer von Informationen und Werken im Internet problematisch, denn Verwerter können sich größtenteils immer mit ihren jeweiligen nationalen Niederlassungen innerhalb des nationalen und europäischen Wettbewerbsrecht zur Wehr setzen. z.B. Stichwort Panoramafreiheit – in manchen Ländern sind Fotos mit Denkmälern im Hintergrund Urheberrechtsverletzungen. Aber genauso bei Abmahnungen, Leistungsschutzrecht, audiovisuellem Zitatrecht u. v. a.

Was wir Piraten dann aber unter Rahmen verstehen, geht darüber weit hinaus: Der freie Zugang zu Werken, Schöpfungen, Wissen und Informationen für jeden an jedem Ort ohne Restriktionen, das Recht auf Remix und eine umfassende Schranke für das Urheberrecht im Informationszeitalter ist etwas, was wir nur in einem gemeinsamen, globalen Kraftakt gegenüber den verkrusteten Konzernen der Unterhaltungsindustrien durchsetzen können. Im Sinne und zum Wohle der ganzen Menschheit eine entsprechende CC Regelung im Netz. Dazu haben die Piraten auf internationaler Ebene auch einen gemeinsamen Forderungskatalog, der von den USA über Südamerika bis Europa und Russland gemeinsame Werte teilt.

Wenn es zu einer umfassenden Reform kommt, was sollte aus Ihrer Sicht unbedingt beachtet werden?
Zuerst einmal die Forderung europäischer Startups, die eingangs erwähnte, rechtliche Fragmentierung aufzuheben. Dann natürlich gilt es endlich den Forderungen der Bibliothekaren und Archivaren nachzukommen, die in ihrer Arbeit und gesellschaftlichen Rolle im Internetzeitalter momentan nicht nachgehen können. Das betrifft nicht nur verwaiste Werke sondern einen riesigen Katalog von Werken der letzten 70 Jahre. Die Schutzfrist ist hier das größte Hindernis.

Dann sind natürlich die Rechte von Urhebern gegenüber Verwertern in keiner Form berücksichtigt. Ein europäisches Urhebervertragsrecht und die komplette Revision des wirkungslosen deutschen Urhebervertragsrechtes ist ein weiterer Eckpfeiler. Dann kommt die neu formulierte Sorgfaltspflicht großer Contentfirmen, die bald die hochgeladenen Inhalte ihrer Nutzer umfangreich auf Legalität überprüfen müssen. Hier käme es zu einer Massenüberwachung gegenüber Nutzern auch in geschlossenen, privaten Netzwerkstrukturen. Und dann natürlich das Geoblocking, das gerade von der Filmwirtschaft gefordert wird, aber letztendlich das Instrument darstellt, um ganze Regionen von wichtigen Informationen und Inhalten auszugrenzen. Der Missbrauch zu politischen Zwecken ist natürlich inbegriffen.

Ebenso muss endlich die urheberrechtlich durchgesetzte Intransparenz von Politik und Behörden aufhören. Regierungen, Gerichte, Parlamente und öffentliche Institutionen verwehren immer wieder durch das Urheberrecht den Blick der Öffentlichkeit auf ihre Vorgänge, siehe z.B. zuletzt sogar hinsichtlich der BND Selektorenliste.

Wir brauchen auch eine offene Norm für die zukünftigen Nutzungsarten von urheberrechtlich geschützten Werken. Ein Schrankenkatalog ist da viel zu träge, denn die technische Entwicklung erfordert hier eine um Jahrzehnte schnellere Flexibilität.

Nach Medienberichten solle es in einem ersten Paket noch in diesem Jahr u.a. um die grenzüberschreitende Nutzung digitaler Inhalte gehen. Welche Regeln würden Sie in diesem Bereich befürworten?
Das klingt erst einmal gut. Leider setzen sich aber die Lobbyisten großer Verwertungsgesellschaften, Verlage und Unterhaltungskonzerne sehr stark für eine entsprechende Regulierung in ihrem Sinne aus. Wir sehen das ja z.B. gerade mal wieder sehr schön bei dem abschließenden Urteil des EUGH hinsichtlich der Beteiligung von Verlegern an den ausschließlich Urhebern zustehenden Tantiemen die durch Verwertungsgesellschaften eingesammelt werden. Nachdem dies durch das EUGH klargestellt wurde, sind es jetzt sämtliche Verbände, die mit scheinheiligen Argumenten in Brüssel versuchen, die Sichtweise darzustellen, dass die Urheber sehr gerne ihren Anteil mit den Verlegern teilen und auch angemessen von den Verlegern vergütet werden. Es müssen generell die Rechte für Wissenschaftler und die Öffentlichkeit, die aus alten Werken neue Schaffen gestärkt werden anstatt auf Hürden und Verbote zu setzen. Der Reda-Bericht zum Urheberrecht meiner Parteikollegin Julia Reda im EUP wurde in weiten Teilen angenommen, was zumindest einen Teilerfolg bedeutet.

Für weitere Regelungen wird nach Oettinger Aussagen gerade das deutsche Leistungsschutzrecht beobachtet. Wie fällt Ihr Fazit nach zwei Jahren Leistungsschutzrecht aus?
Das Leistungsschutzrecht für Presseverleger war von Anfang an eine Totgeburt. Das ist mittlerweile auch der VG Media klargeworden. Letztendlich ist diese Lex Springer aber auch der Versuch des Medienkonzernes das Internet grundsätzlich in seinem Sinne zu regulieren. Springer hat längst begriffen, dass ein Leistungsschutzrecht mit Opt Out perfekt geeignet ist um kleine, innovative Newsaggregatoren via Daumenschraube Leistungsschutzrecht einzukaufen und ins eigene Portfolio zu übernehmen, während man bei den Großen wie Google einfach die Augen zudrückt. Diese Opt Out Regelung ist daher vollkommen Wettbewerbsverzerrend und behindert gerade das große Innovationspotential, das im Vergleich zu den USA in Europa noch immer nicht ausreichend gefördert wird.

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