Meinungsbarometer: Herr Reichert, warum braucht Deutschland ein nationales Projektbüro für Digitalradio?
Michael Reichert: Die privaten und öffentlich-rechtlichen Programmveranstalter haben sich entschlossen, das Projekt „Digitalradio – Radio der Zukunft“ gemeinsam anzugehen und auch gemeinsam zu steuern. Das soll entsprechend koordiniert ablaufen und alle wollen sich hier auch wiederfinden. Deshalb sorgt das Projektbüro dafür, dass der gemeinsame Nenner aller Beteiligten – dazu gehören übrigens auch die Netzbetreiber, der Handel und die Industrie – immer im Blick ist. Dieser gemeinsame Nenner heißt: Digitalradio ist das Radio der Zukunft. Die Idee eines Projektbüros ist nicht neu, auch in der Schweiz oder etwa in Österreich wurde die Einführung von Digitalradio auf diese Weise koordiniert, in anderen Ländern soll es ähnlich ablaufen.
Was genau sind Ziele und Aufgaben Ihres Büros?
Das Ziel von allen Beteiligten ist es, Digitalradio in Deutschland einzuführen und die Einführung zu gestalten. Aufgabe des Projektbüros ist es dabei, für eine bestmögliche Kommunikation zu sorgen – alle Beteiligten mitzunehmen und in alle Richtungen zu kommunizieren. Vor allem geht es darum klarzumachen, wo der Mehrwert von Digitalradio steckt. Das ist nämlich die Programm- und Dienstevielfalt auf einem einfachen Weg – über frei empfangbares Radio. Das gibt es sonst auf keinem anderen Übertragungsweg.
Wie wollen Sie Millionen Radiohörer überzeugen, sich ein digitales Radiogerät zuzulegen – Branchenziel ist es ja, bis 2015 15 Millionen Geräte zu verkaufen?
Sehr wichtig wird es sein, die Hörer mit handfesten Gründen für Digitalradio zu gewinnen. Die handfesten Gründe sind: Im Digitalradio gibt es mehr Programme, mehr Angebote, Bilder, Texte und Daten zum laufenden Programm. Und: Im Digitalradio gibt es weiterhin alles, was die Hörer auch jetzt schon kennen. Digitalradio ist also „heute plus morgen“. Dass digitales Radio auch technische Vorteile hat, ist ebenfalls klar. Es gilt aber bei dieser Frage, zwischen dem Gattungsmarketing „Digitalradio“ und einem Produktmarketing „Programm X“ zu unterscheiden. Ohne die starken Programm-Marken der privaten und öffentlich-rechtlichen Veranstalter wird sich kein Gerät verkaufen lassen. Der Zugang zum Markt funktioniert nur über die Programme und Marken. Denn Digitalradio an sich ist kein Wert. Das ist einer der entscheidenden Unterschiede zu früheren Aktionen. Das Produkt muss überzeugen, die Produkte der Programmveranstalter heißen Programme und über die Programme funktioniert der Zugangsweg zum Hörer. Wenn es zum Hören der Programme auch günstige und stylische Geräte gibt: umso besser!
Warum wird Digitalradio in Zeiten von Internetradio überhaupt noch gebraucht?
Gegenfrage: Haben Sie schon einmal versucht auf der Autobahn zwischen Berlin und Hannover per Internet verbreitetes Radio durchgängig stabil zu empfangen? Im Ernst: Wir haben es hier – was die Verbreitungssituation angeht – mit keiner Konkurrenzsituation, sondern einander ergänzenden Vertriebswegen zu tun. Digitalradio via Internet ist dort gut, wo es eine stabile IP-Verbindung gibt. Digitalradio über Terrestrik ist unentbehrlich, um unsere Programme und Marken überall modern und zeitgemäß sicher zu verbreiten. Die Vision heißt hier „hybrid“. Das bedeutet, es gibt mehrere Wege zum Hörer und zum Nutzer und wir müssen diese Wege intelligent verknüpfen. Entscheidend ist, dass Hörer ihr Programm aussuchen und nicht – wie bis lang – zuerst den Verbreitungsweg wählen müssen. Das wird in der Zukunft vorbei sein. Die ersten Geräte dafür gibt es bereits, ebenso internationale Initiativen (z.B. RadioDNS), die die Verknüpfung sehr vielversprechend forcieren. „Radio der Zukunft“ meint eben die Inhalte, der Verbreitungsweg ist Mittel zum Zweck und so soll es auch sein.
Am 1. August startet das neue Digitalradio – was genau passiert an diesem Tag?
Am 1. August startet ein bundesweites neues Programmangebot. 14 Programme werden on air sein, und all diese Programme sind bereits am 1.8. zwischen Nord- und Süddeutschland in weiten Gebieten zu hören. Zeitgleich werden auch die Landesrundfunkanstalten der ARD in einigen Bundesländern (in Bayern etwa, in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen, auch in Nordrhein-Westfalen) ihr erweitertes Digitalradio anbieten. In den Wochen nach dem 1.8. werden private wie auch öffentlich-rechtliche Angebote in den Ländern rasch zunehmen. Bis zum Jahresende werden, je nach Sendegebiet, teils mehr als 25 Digitalradio-Programme zu empfangen sein.