Meinungsbarometer: Herr Ministerpräsident Beck, wie kommentieren Sie die Entscheidung der ARD, bei der KEF für die Digitalisierung des terrestrischen Hörfunks die Freigabe zweckgebundener Gebührengelder zu beantragen?
Kurt Beck: Es kann nicht ein Ziel der Medienpolitik sein, die gewachsene UKW-Hörfunklandschaft mit einer überhasteten Digitalisierung zu zerschlagen. Vielmehr sind die Konzepte der Beteiligten gefragt. In diesem Sinne begrüße ich es, dass die ARD, nach langem Zaudern, ihre Vorstellungen für eine Digitalisierung des terrestrischen Hörfunks nunmehr vorgelegt hat. Das ist ein wichtiger Schritt. Andere müssen folgen. Dies gilt insbesondere für die Beteiligung der privaten Hörfunkveranstalter. Wenn hier ein vernünftiges Konzept vorgelegt wird, dann sollte die KEF die bereits in der Rundfunkgebührenanpassung 2009 veranschlagten Mittel auch freigeben.
Was würde eine Ablehnung des ARD-Digitalantrags durch die KEF für die Zukunft des Digital Radio in Deutschland bedeuten?
Die Digitalisierung des Radios ist eine sensible Geschichte. Sie kann nur funktionieren, wenn alle zusammenarbeiten. Dies gilt auch für die KEF. Wenn die Mittel nicht bereitgestellt werden, wird auch die ARD ihre Strategie überdenken. Dies hat dann natürlich Folgewirkungen auf private Veranstalter und dann auch auf die Medienpolitik.
Benötigt Radio weiterhin ein geschütztes Übertragungssystem und welche Chancen sehen Sie dabei für DAB+?
Ich glaube zumindest für die nächsten Jahrzehnte nicht daran, dass der individuelle Abruf von Musik oder Wortbeiträgen ein gestaltetes Radio ersetzen wird. Diese Formen werden neben die Gattung Radio treten. Aber ich meine deshalb: Auch im digitalen Zeitalter sollte es die Gattung Radio geben. Die Übertragungstechnik spielt für mich da weniger eine Rolle. DAB Alt ist unter ungünstigen Bedingungen gestartet und auch entsprechend gescheitert. Das neue Digitalradio wird jedoch einen anderen Standard und andere Frequenzen benutzen. Damit dürften mehr Programme mit einer besseren Sendeleistung zur Verfügung stehen. DAB+ und insbesondere DMB bieten zusätzliche Möglichkeiten für weitere Angebote. Ergänzt werden müssen die bundesweiten Offerten jedoch durch landesweite bzw. regionale Angebote des öffentlich-rechtlichen und privaten Rundfunks.
Welchen Einfluss hat die ausstehende KEF-Entscheidung auf die bevorstehende Bedarfsanmeldung der Länder bei der Bundesnetzagentur?
Ich denke, wir sollten nunmehr im Länderkreis die Bedarfsanmeldung auf den Weg bringen. Dies bedeutet zunächst in der Ländergemeinschaft die Bedarfsanmeldung für einen bundesweiten Multiplex für private und öffentlich-rechtliche Angebote. Die Thematik soll auf der Rundfunkkommissionssitzung am 25. März 2009 beraten werden. Neben dieser Bedarfsanmeldung auf bundesweiter Ebene der Länder müssen jedoch noch weitere Angebote auf Länder- bzw. regionaler Ebene treten. Für diese Bedarfsanmeldungen sind die einzelnen Länder auch länderübergreifend zuständig. Nur in diesem Mix hat der digitale Hörfunk überhaupt eine Chance.
Wie sieht der Zeitplan der Länder zur Digitalisierung der deutschen Radiolandschaft aus?
Die Bedarfsanmeldung ist nur der erste Schritt. Er schafft die Grundlage für die technische Verbreitung des digitalen Hörfunks in Deutschland. Nachdem der Netzbetreiber ausgewählt ist, müssen in den dafür vorgesehenen Verfahren auf Ebene der Ländergemeinschaft (ZAK) und auf der Ebene der Länder durch die Landesmedienanstalten und den öffentlich-rechtlichen Rundfunk die Angebotspakete geschnürt werden. Während nunmehr die ARD ein Gesamtkonzept vorgelegt hat, ist die Meinung des privaten Hörfunks zu DAB+/DRM durchaus unterschiedlich. Deshalb wird es auch keinen großen Big Bang geben. Alles was wir leisten können, ist ein koordinierter Start in möglichst vielen Gebieten Deutschlands. Wichtig ist für mich, dass die Industrie mitzieht. Es müssen Mehrnormgeräte eingeführt werden, die den Empfang auf verschiedenen Wegen ermöglichen. Auch eine gewisse Standardisierung der Zusatzdienste und damit der Geräte ist erforderlich. Nur mit einem attraktiven Angebot an Hörfunk, Zusatzdiensten und preisgünstigen Geräten wird digitaler Hörfunk seine Akzeptanz finden.