Herr Egenbauer, in der vergangenen Ausgabe des Meinungsbarometers Digitaler Rundfunk hat Bayerns Ministerpräsident Beckstein mehr Tempo bei der Digitalisierung des Hörfunks gefordert. Wo sehen Sie akuten Handlungsbedarf und vor allem durch wen?
Helmut Egenbauer: Wir haben mit unserem Thesenpapier aufgezeigt, was geschehen muss und sind damit weitestgehend unwidersprochen geblieben. Einen möglichen Umsetzungsplan hat RegioCast in seinem Dokument „Radio hoch 3“ detailliert dargestellt. Sicher könnte man stellenweise noch Ergänzungen einbringen, wichtig ist aber, dass nun die gesetzlichen Voraussetzungen geschaffen werden und die vorhandenen Kapazitäten wie geplant ausgeschrieben werden. Alle Beteiligten haben sich inzwischen zu einem Frequenznutzungskonzept auf der Grundlage der RRC’06 bekannt und es wird nicht an Bewerbern mangeln. Insofern ist jetzt politisch konsequentes Handeln gefordert, damit die Wirtschaft ihre Vorstellungen umsetzen kann. Wir begrüßen deshalb die Forderung von Herrn Ministerpräsidenten Beckstein.
Geht es nach der KEF, soll den öffentlichrechtlichen Sendeanstalten die DAB-Mittel stark gekürzt werden. Glauben Sie, dass der „Big Bang“ - also der anvisierte Neustart von Digital Radio im Jahr 2009 - durch diese Entscheidung in Gefahr ist?
Ich möchte mich ungern zu einem laufenden Prozess äußern, aus dem bisher nur einzelne Schritte in der Willensbildung gezielt an die Öffentlichkeit weitergegeben wurden. - Nur soviel: Es wäre fatal, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk von einer europäischen Entwicklung abzukoppeln, die immer mehr Fahrt gewinnt. Das öffentlich-rechtliche Radio ist Bestandteil unserer Kulturlandschaft. Wer dieses Kulturgut auf das Internet verweist oder auf Träger, die seiner Bedeutung nicht gerecht werden, der stellt das System in Frage.
Mit welchem tragfähigen wirtschaftlichen Konzept kann Digital Radio als eigenständiges Medium etabliert werden?
Wenn wir uns von der Vorstellung verabschieden, dass die Digitalisierung des Radios nicht mehr als eine Portierung der Inhalte von einem analogen auf einen digitalen Träger ist - und wenn darüber Einigkeit besteht, dass es hier um die Chance der Etablierung eines neuen Mediums mit neuen Inhalten geht, dann kann man in die Analyse eintreten und muss diese Frage differenziert betrachten:
Erstens, ist es möglich ein neues Produkt in den Markt einzuführen und über die Inhalte so schnell die erforderliche Penetration von Empfangsgeräten im Markt zu erreichen, dass der Break Even in absehbarer Zeit erreicht wird? Ich bin der Überzeugung, dass dies möglich ist, wenn das Produkt überzeugt und diese Überzeugung durch andere geteilt wird.
Zweitens, wird der Markt den steigenden Konkurrenzdruck, der durch die digitale Dividende entsteht, also die Vielfalt der Programme, aushalten? Auch davon bin ich überzeugt, da die Geschichte uns diese Frage in der Welt der Printmedien bereits beantwortet hat, und vielleicht können wir daraus auch für die Zukunft des Radios lernen.
Drittens, wird der analoge Hörfunkmarkt durch das neue Radio in Mitleidenschaft gezogen? Diese Frage vermag ich Ihnen nicht zu beantworten. Die Zeitung hat das Radio überlebt, das Radio hat sich neben dem Fernsehen behaupten können, das Internet hat weder Zeitung noch Radio noch Fernsehen verdrängt. Ich bin überzeugt davon, dass wir auch über 2015 hinaus noch UKW-Radio haben werden.
Welche Rolle werden Plattformbetreiber künftig bei Gestaltung und Vermarktung von Digital Radio spielen müssen bzw. spielen können?
Wer diesen Markt betritt, hat die gewaltige Aufgabe vor sich, mit dem angebotenen Produkt die massive und schnelle Endgerätepenetration zu fördern. Dies geht nur mit Konzepten, die auf Programmfamilien aufbauen und eine attraktive Vielfalt bieten. Als Unternehmer muss ein solcher Pionier flexibel sein, flexibel im Bereich seiner Inhalte, über die er die vollständige Kontrolle ausüben muss. Dies gilt zumindest in der oben beschriebenen Phase der Markterschließung. Auch wenn ich die Angst vor dem Gespenst des Plattformbetreibers nicht nachvollziehen kann, so wäre es vielleicht hilfreich, den Begriff des Bitraten-Managements zu verwenden, denn damit ist nichts anderes gemeint. Vielleicht ist dann auch der gedankliche Schritt leichter zu vollziehen, dass wir nicht notwendiger Weise über alles oder nichts reden. Den aufgezeigten Notwendigkeiten kann man auch gerecht werden, wenn man ausreichend große Anteile eines Multiplex an verschiedene Betreiber lizenziert. Mit einem halben Multiplex, lässt sich unter Verwendung moderner Kodierverfahren auch schon eine Menge anfangen.