Sie laufen über Straßen, sitzen blind hinterm Steuer oder verhindern Rettungsarbeiten. Der sogenannte Swombie ist auf Deutschlands Straßen auf dem Vormarsch. Wie groß schätzen Sie das Gefahrenpotential durch übermäßige Smartphone-Nutzung tatsächlich ein?
Die Nutzung von Smartphones lenkt von der konzentrierten Teilnahme am Straßenverkehr ab und erhöht das Unfallrisiko enorm. Das gilt für alle Verkehrsteilnehmenden: zu Fuß Gehende, Rad Fahrende, Kraftfahrzeugführende. Einige Umfrageergebnisse veranschaulichen das ganz gut. Daraus ergibt sich beispielsweise, dass das Risiko einen Unfall zu verursachen, zwölf Mal so hoch ist, wenn man während des Führens eines Kraftfahrzeuges eine Nummer ins Mobilphone eingibt oder eine Nachricht schreibt. Wer für nur zwei Sekunden eine WhatsApp-Nachricht, eine SMS oder eine E-Mail liest, fährt in dieser Zeit, bei einer Geschwindigkeit von 50 km/h, quasi 30 Meter im Blindflug. Verkehrsunfälle sind vorprogrammiert. Eine Umfrage des DVR, gemeinsam mit dem BMVI und Kantar TNS, hat ergeben, dass über ein Drittel aller Fußgänger, die von ihrem Mobiltelefon abgelenkt waren und in eine brenzlige Situation gerieten, zu spät reagierten oder andere Verkehrsteilnehmer übersahen.
Welche Empfehlungen gibt der DVR, in Bezug auf eine korrekte Nutzung von Smartphones im Straßenverkehr?
Multitasking ist ein Mythos. Aus diesem Grund empfehlen wir Smartphones im Straßenverkehr nicht aktiv zu nutzen. In die Hand genommen werden darf das Smartphone von Kraftfahrzeugführenden nur noch, wenn der Motor komplett ausgeschaltet ist. Wer das Smartphone als Navigationsgerät nutzen möchte, sollte es schon vor Beginn der Fahrt entsprechend programmieren. Wer mit dem Smartphone telefonieren möchte, kann das zwar tun. Voraussetzung ist allerdings, dass das Gerät fest eingebaut ist, in einer Halterung steckt und es per Sprachsteuerung bedient werden kann. Sofern zur Bedienung nur eine kurze, den Straßen,-, Verkehrs-, Sicht - und Wetterverhältnissen angepasste Blickzuwendung zum Gerät erfolgt oder erforderlich ist, ist auch das möglich. Auch wenn der Verordnungsgeber also erlaubt, einen kurzen, den Verhältnissen angemessenen Blick auf das Gerät zu werfen, halten wir das für kritisch. „Kurz“ ist reine Interpretationssache. Die meisten Verkehrsteilnehmenden sind sich nicht über das enorme Risiko im Klaren, das entsteht, wenn sie zum Smartphone greifen. Generell empfehlen wir daher allen Verkehrsteilnehmenden, auch Rad Fahrenden und zu Fuß Gehenden, lieber zu warten, bis sie nicht mehr aktiv am Straßenverkehr teilnehmen und dann ihre Anrufe, SMS oder ähnliches erledigen. Denn unser Gehirn kann Entscheidungen nur nacheinander treffen und ist bei zu vielen Aufgaben schnell überfordert.
Sollte der Gesetzgeber bis dahin den Missbrauch von Smartphones im Straßenverkehr stärker ahnden?
Erst vor wenigen Monaten, im September 2017, hat der Verordnungsgeber den Paragrafen, der die sonstigen Pflichten von Fahrzeugführenden regelt, verschärft - höchste Zeit. Das Verbot der „nicht bestimmungsgemäßen Nutzung“ von Mobil- und Autotelefonen gilt jetzt auch für andere Geräte der Unterhaltungselektronik, z.B. Tablets, tragbare Flachrechner, Fernseher mit Videofunktion oder Navigationsgeräte. Auch die Bußgelder für die Begehung dieser Ordnungswidrigkeiten wurden deutlich erhöht und die Möglichkeit zur Verhängung von Fahrverboten eingeführt. Unserer Ansicht nach erfüllt das die gewünschte Denkzettel-und Besinnungsfunktion wesentlich besser als in der Vergangenheit. Ob das Bußgeld im richtigen Verhältnis zur Bußgeldhöhe anderer Verkehrsordnungswidrigkeiten steht oder gegebenenfalls erneut angepasst werden muss, kann man erst sehen, wenn unser Sanktionensystem umfassend überprüft wird. Auch das muss die Politik jetzt auf den Weg bringen.