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Megatrend unsichtbarer Lautsprecher

Forscher fordern Paradigmenwechsel bei Soundsystemen auch im Auto

Dr. Daniel Beer, Leiter der Forschungsgruppe Electroacoustics am Fraunhofer Institute for Digital Media Technology IDMT Quelle: Fraunhofer Institute for Digital Media Technology IDMT Daniel Beer Leiter Fraunhofer Institute for Digital Media Technology 11.04.2018
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Alexander Hiller
Redakteur
Meinungsbarometer.info
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Das Fraunhofer IDMT hat eine neue Flachlautsprechertechnologie entwickelt, die sich in Möbel aber auch in Autos integrieren lässt. "Mit dem von uns entwickelten Flachlautsprecher, bestehend aus einem Array von Miniaturlautsprechern, eingebaut in ein weniger als 20 Millimeter flaches Lautsprechergehäuse, haben wir eine sehr gute Lösung gefunden." Das sagt der Lautsprecherexperte am Fraunhofer Institute for Digital Media Technology IDMT, Dr. Daniel Beer. "Egal ob im Auto, in Mobilgeräten oder Flachbildfernsehern – überall gibt es nur noch geringe Einbautiefen, so dass klassische Lautsprecheransätze deutlich an ihre Grenzen stoßen. Hier braucht es einen Paradigmenwechsel."







Das Fraunhofer IDMT hat eine neue Flachlautsprechertechnologie entwickelt, die sich bspw. in Möbel integrieren lässt. Was steckt hinter der Entwicklung und was ist das Besondere an der Technologie?
Hinter der Entwicklung steckt jahrelange Forschung am Wiedergabeverfahren der Wellenfeldsynthese. Dafür waren leider immer sehr viele Lautsprecher an festgelegten Positionen im Wiedergaberaum erforderlich. Dass sich dies, vor allem unter architektonischen und ästhetischen Aspekten, nicht durchsetzen würde (wir reden hier von 80 Lautsprechern und mehr) war schnell klar. Auf der Suche nach einer Lösung zur flexibleren und dezenteren Integration von Lautsprechern an und in Wänden und Möbeln fiel der Blick natürlich auf Flachlautsprecher. Mit den bis dato am Markt vorhandenen Flachlautsprechertechnologien (Elektrostaten, Magnetostaten, Biegewellenwandler) konnte dies jedoch nicht realisiert werden. Das Problem: sobald die herkömmlichen Flachlautsprecher direkt an der Wand installiert bzw. in eine Tür integriert werden, kommt es zu massiven Einbußen in der Klangqualität. In manchen Herstellerangaben sind deshalb auch einzuhaltende Mindestabstände zur Wand, von z.B. 60 cm, zu finden. Mit dem von uns entwickelten Flachlautsprecher, bestehend aus einem Array von Miniaturlautsprechern, eingebaut in ein weniger als 20 Millimeter flaches Lautsprechergehäuse, haben wir eine sehr gute Lösung gefunden. Problemlos lässt sich dieser Flachlautsprecher als Bild an der Wand installieren, aber auch in Möbeln und Türen integrieren – egal ob es eine gerade oder eine gewölbte Fläche ist. Das verwendete Konzept garantiert, dass die überzeugende Klangqualität bei jeder Installationsform erhalten bleibt.

Welche Anwendungsgebiete sind denkbar?
Im Heimbereich fallen mir sofort die Kinosysteme mit der klassischen Satellit-Subwoofer-Kombination ein. Vorteilhaft ist unser Flachlautsprecher auch dort, wo Musik als Hintergrundbeschallung dient, aber Lautsprecher nicht in Erscheinung treten dürfen, z.B. Bars, Lobbys, Stores, multifunktionale Bürokonzepte oder in denkmalgeschützter Bausubstanz. Aufgrund der Möglichkeit, den Lautsprecher auch gekrümmt zu gestalten, sind auch Installationen mit gehobenen Anforderungen an den Formfaktor, etwa an Säulen in Kirchen, möglich.

Wie sind die Klangeigenschaften der Flachlautsprecher im Vergleich mit herkömmlichen Lautsprechern?
Gegenüber herkömmlichen Lautsprechern müssen wir keinen Vergleich scheuen. Die Flachlautsprecher spielten bis über die heimischen Lautstärken hinaus überzeugend im Frequenzbereich von 100 Hz aufwärts. Darunter wurden sie ergänzt von einem Subwoofer.

In der Entwicklung haben Sie aktuell auch eine sogenannte Klangdusche und die MEMS-Lautsprecher? Was steckt hinter diesen Innovationen, wo sind ggf. praktische Einsatzgebiete?
Die Klangdusche setzt auf dem Grundkonzept des Flachlautsprechers auf. Die verbauten Miniaturlautsprecher werden so angesteuert, dass der Schall stark fokussiert in bestimmte Richtungen abstrahlt. Anwendungen dafür sind u.a. die gezielte Beschallung von Personen im öffentlichen Raum (Museen, Bahnhof, Produktinseln usw.). Aber auch zur individuellen Beschallung im Auto und zu Hause ist die Klangdusche sehr gut vorstellbar. Die Idee der MEMS-Lautsprecher resultiert aus der Erfolgsgeschichte der MEMS-Mikrofone. Diese werden bereits erfolgreich und qualitativ hochwertig in stark miniaturisierter Form  und zudem sehr kostengünstig  hergestellt. Das Gleiche wünscht sich der Mobilgerätemarkt auch für die Lautsprecher in Hearables, In-Ohr-Kopfhörern, Hörgeräten, Smartphones. Der zukünftige Lautsprecher für Mobilgeräte soll wie ein Computer-Chip aus Silizium fertigbar sein und mit winzigen Abmessungen aber großem Klang überzeugen. Auf der kürzlich stattgefundenen 44. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Akustik (DAGA) haben wir erfolgreich einen solchen, voll integrierten und leistungsstarken MEMS-Lautsprecher in einem InEar-Kopfhörer präsentiert, der das gesamte Frequenzspektrum von 20 Hz bis 20 kHz abdeckt. Die Resonanz aus Industrie und Wissenschaft war außerordentlich positiv.

Erleben wir generell gerade eine Revolution auf dem Lautsprechermarkt hin zu unsichtbaren und integrierten, bzw. designorientierten Audiolösungen?
Es ist ein Trend, denn in sehr vielen Anwendungsbereichen sind werden gut klingende Lautsprecher gefordert, die möglichst wenig Platz einnehmen oder, wenn möglich, ganz verschwinden. Ob im Auto, in Mobilgeräten oder Flachbildfernsehern – überall gibt es nur noch geringe Einbautiefen, so dass klassische Lautsprecheransätze deutlich an ihre Grenzen stoßen. Hier braucht es einen Paradigmenwechsel. Unser Flachlautsprecheransatz bietet eine hervorragend funktionierende Lösung fürs Auto bzw. Heimkino. Für den Mobilgerätemarkt sehe ich ein sehr großes Potential in unseren MEMS-Lautsprechern. Trotzdem wird es nach wie vor die klassischen Lautsprecher geben, für die Liebhaber zum Teil sehr viel Geld ausgeben und die natürlich nicht versteckt werden sollen.

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