Digitale Devices wie Mobilfunkgeräte oder Sprachassistenten können Menschen mit Behinderungen wertvolle Hilfe im Alltag leisten – wenn die Anbieter auf deren Bedürfnisse achten. Wie schätzen Sie das Angebot bezüglich der Barrierefreiheit ein?
Ja, es werden viele neue Möglichkeiten angeboten. Und immer mehr Menschen mit Behinderung, wenn sie es sich finanziell leisten können, nutzen diese Möglichkeiten. Auch ich profitiere davon bei meiner täglichen Arbeit. Als Beauftragte der Bayerischen Staatsregierung für die Belange von Menschen mit Behinderung bin ich viel unterwegs. Da ist es sehr wichtig, dass ich mit meiner hochgradigen Sehbehinderung mobil arbeiten kann und Kontakt zu meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern habe. Ich habe den Eindruck, es funktioniert gut, wenn die einzelne Nutzerin, der einzelne Nutzer sehr gute Kenntnisse hat. Ansonsten gibt es leider häufig auch Schwierigkeiten. Die Bedienung ist manchmal alles andere als intuitiv und von Gerät zu Gerät sehr unterschiedlich. Auch wird beispielsweise bei allgemeinen Updates die Barrierefreiheit hin und wieder einfach vergessen – bis zu einer Korrektur bedeutet dies dann: Ich kann nicht damit arbeiten!
Was wünschen Sie sich von Herstellern und Programmierern künftig?
Und genau da setzen auch meine Wünsche an die Programmierer an. Es ist wichtig, die Barrierefreiheit von Anfang an mitzudenken und umzusetzen. Dabei muss das sog. „Design for all“ das Ziel sein, d.h. Standardprogramme sind unmittelbar barrierefrei nutzbar. Die heute noch häufig notwendige Installation von Zusatzsoftware kostet nicht nur Geld und Zeit, es gibt auch immer wieder Schnittstellenprobleme. Einen weiteren Wunsch von mir teilen wahrscheinlich alle Nutzer: die leichte und intuitive Bedienbarkeit. Das heißt: Menschen mit Behinderung als Kunden ernst nehmen und bei der Entwicklung und der Kontrolle des Endproduktes aktiv einbeziehen. Einige Verbände von uns Menschen mit Behinderung haben hier eine große Expertise aufgebaut. Nennen möchte ich als Beispiel das BIT-Zentrum des Bayerischen Blinden- und Sehbehindertenbundes.
Welche Anreize sollte die Politik für Hersteller und Programmierer setzten?
Zunächst einmal setze ich darauf, dass die Hersteller die Marktchancen erkennen. Mit barrierefreien Produkten kann es gelingen, eine neue Zielgruppe zu erreichen, was gerade bei einem so umkämpften Markt, wie dem der mobilen Endgeräte wichtig ist. Nicht umsonst nutzen viele sehbehinderte und blinde Menschen mittlerweile Produkte von Apple. Aber bisher ist noch zu wenig auf dieser freiwilligen Ebene geschehen. Deshalb müssen wir eine ernsthafte Diskussion über eine Verpflichtung privater Unternehmen zu barrierefreien Produkten und Dienstleistungen führen. Die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ist ein Recht im Sinne der UN-Behindertenrechtskonvention, „angemessene Vorkehrungen treffen“ heißt das Stichwort. Digitale Kommunikation, egal ob im Privat- oder im Arbeitsleben, gehört heute selbstverständlich dazu und sowohl die Politik durch gesetzliche Mindestvorgaben, als auch die Hersteller mit entsprechend ausgestatteten Produkten, müssen hier ihrer Verantwortung gerecht werden.
Beim Bundes-Forschungsministerium gibt es ein Förderprogramm zur Inklusion in der beruflichen Bildung. Welche Programme gibt es bei Ihnen und welche würden Sie sich darüber hinaus wünschen?
Dies ist sicher ein sehr wichtiges Förderprogramm im Bereich der Forschung. Mein zentrales Anliegen ist es allerdings, dass die allgemeinen Fördermöglichkeiten im Bereich der Teilhabe am Arbeitsleben die Digitalisierung der Arbeitswelt berücksichtigen und auf der Höhe der Zeit sind. Dies gilt beispielsweise für Aus-, Fort- und Weiterbildungsförderung durch die Bundesagentur für Arbeit oder Maßnahmen der Integrationsämter. Umgekehrt muss bei allen Förderprogrammen zur Digitalisierung (bspw. E-Goverment) auch die Barrierefreiheit beachtet werden. Eine solche zukunftsorientierte Ausrichtung bestehender Programme ist mir deutlich wichtiger als einzelne neue Sonderprogramme.