Still ist es um das Projekt Viseo+ geworden, das vor knapp zwei Jahren mit großem Medienecho im Raum Stuttgart sowie kurz darauf in Leipzig/Halle angetreten war, Programme der RTL-Senderfamilie über das terrestrische „Überallfernsehen“ DVB-T zu verbreiten. Doch die Eutelsat visAvision GmbH, verantwortlich für den technischen Dienst und die Vermarktung von Viseo+, legte damals die Messlatte in verbraucherunfreundliche Höhen. Denn keiner der im Markt erhältlichen DVB-T Standard-Receiver konnte das von Viseo+ geschnürte Programmpaket aus RTL, VOX, RTL II, Super RTL, sowie den beiden Pay-TV Programmen RTL Crime und Passion im MPEG-4 Kodier-Algorithmus entschlüsseln. Die Zeche für den inhaltlichen Mehrwert sollte der Endkunde mit dem Kauf eines Viseo+ fähigen Decoders bezahlen.
„Damals“, so Martin Deitenbeck, der als Geschäftsführer der Sächsischen Landesanstalt für privaten Rundfunk und neue Medien (SLM), Viseo+ für Sachsen zugelassen hat, „war die technische Kombination optimal. Wir konnten erstmals den bewährten DVB-T Standard mit dem effektiven MPEG-4 verknüpfen“. Doch heute, fast zwei Jahre später, ist Viseo+ längst nicht mehr up-to-date im tempogetrieben Technikmarkt. So heißt es hinter vorgehaltener Hand immer öfter, dass Viseo+ nur noch als ein technischer Zwischenschritt und Frequenzhalter für den neuen DVB-T2 Standard taugt. Dagegen kontert Martina Rutenbeck, Geschäftsführerin der Eutelsat visAvision GmbH: „Unsere Plattform läuft ohne fix terminierten Zeitrahmen. Daher stellt sich in meinen Augen auch nicht die Frage nach einer künftigen Verwendung der Frequenzen für DVB-T2“. Ähnlich sieht es Martin Deitenbeck, der „keinen Sinn darin erkennen kann, außerhalb eines stimmigen Gesamtkonzepts, einen Übergang zu DVBT2 mit lediglich dem heute für Viseo+ genutzten TV-Kanal vorzubereiten“.
Selbst mit der Zuschauerresonanz, „die sich klar im Rahmen unserer Erwartungen bewegt“, so Rutenbeck, zeigen sich die Protagonisten zufrieden. Doch konkrete Zahlen will Eutelsat nicht kommunizieren. „Hier haben wir mit unseren Partnern Vertraulichkeit vereinbart“, so Rutenbeck. Deutungsspielraum lässt zumindest die Aussage von Andre Prahl, Mitglied der Geschäftsleitung CBC und verantwortlich für die Programmverbreitung der Mediengruppe RTL Deutschland, zu: „Wegen seiner nur lokalen Nutzbarkeit konnte Viseo+ nicht so intensiv wie andere bundesweite Projekte beworben werden“.
Und tatsächlich gelten in der Praxis Viseo+ Decoder als nahezu unverkäufliche Elektronikartikel, die mittlerweile fast flächendeckend aus den Fach- und Großmärkten verschwunden sind. Zwar gibt es in der Theorie derzeit zwei Viseo+ Geräte, doch vor allem die markttreibenden und beliebten DVB-T Sticks sind aufgrund der komplizierten Viseo+ Verschlüsselungstechnologie überhaupt nicht im Angebot. Immerhin setzt Rutenbeck jetzt große Hoffnungen auf den Vermarktungsstart des CI+ Moduls, Ende des dritten Quartals 2011. Denn dann könnte Viseo+ an TV-Geräten mit integriertem DVB-T Receiver und einer CI+ Schnittstelle Einzug halten. Doch ob Viseo+ tatsächlich bis zum 1. Juli 2019 – solange laufen die Zulassungen für die Programme des Viseo+ Angebots – durchhält, ist nach dem derzeitigen Stand der Dinge mehr als fraglich. Denn schon in drei bis fünf Jahren droht, mit der immer wahrscheinlicher werdenden Markteinführung von DVB-T2, das Aus.