Menue-Button
← FACHDEBATTE Interview

Lernen mit Medien muss mit Lernen über Medien verbunden sein

Wie digital der Unterricht sein sollte

Prof. Dr. Thomas Irion, Direktor Zentrum für Medienbildung (ZfM) Quelle: Zentrum für Medienbildung (ZfM) Prof. Dr. Thomas Irion Direktor Zentrum für Medienbildung (ZfM) 30.11.2017
INITIATOR DIESER FACHDEBATTE
Uwe Schimunek
Freier Journalist
Meinungsbarometer.info
ZUR FACHDEBATTE

Aus Sicht von Prof. Dr. Thomas Irion vom Zentrum für Medienbildung (ZfM) bieten "digitale Medien gerade für die Grundschulbildung nicht unerhebliche Potenziale." Allerdings müsse die Ausstattung von Schulen mit einer gezielten konzeptionellen Vorarbeit verbunden sein. Er drängt darauf bei allen Bemühungen, die besonderen Bedingungen des Grundschulunterrichts zu berücksichtigen.







Bei den Lehrern herrscht große Skepsis gegenüber digitalen Lehrmedien, so glaubt nicht mal jeder vierte Lehrer daran, dass digitale Medien dabei helfen, den Lernerfolg ihrer Schüler zu verbessern. Woher kommt diese Skepsis?
Diese Skepsis ist für mich durchaus nachvollziehbar. So wurden insbesondere Grundschullehrpersonen schon im Multimedia-Boom der 90er-Jahre des letzten Jahrhunderts versprochen, dass durch digitale Medien Lernprozesse motivierter, leichter und passgenauer werden. Während einige Grundschulen und technikaffine Lehrpersonen begeistert durchstarteten, schlugen sich andere mit inkompatiblen Soundkarten, für den Nachmittagsmarkt produzierten Lernspielen und für den Bürobetrieb konzipierten Betriebssystemen herum. Auch die Forschungsergebnisse der jüngeren Vergangenheit (vgl. etwa im Überblick Hattie 2009 und Tamim et al.2011) zeigen ja nur leicht positive Effekte auf. Andererseits bieten digitale Medien gerade für die Grundschulbildung nicht unerhebliche Potenziale etwa im Bereich der Veranschaulichung von Lerninhalten, der sofortigen Leistungsrückmeldung und insbesondere auch für projektorientierte Arbeiten. Auch Studien zum Lernen mit mobilen Geräten zeigen (Sung et al. 2016), dass digitale Medien unter gewissen Voraussetzungen durchaus den Unterricht verbessern können. Zentral für sind aus unserer Sicht die Entwicklung didaktisch sinnvoller und umsetzbarer Konzepte für die Grundschule. Traditionelle Medien wie Bücher und Stifte behalten natürlich ihre Bedeutung ebenso wie die wichtigen Primärerfahrungen mit Originalobjekten. Bei allen Bemühungen die Grundschulen technisch auf einen aktuellen Stand zu bringen, sind solche Bestrebungen nur dann sinnvoll, wenn die Ausstattung von Schulen mit einer gezielten konzeptionellen Vorarbeit verbunden wird und in die Schulentwicklungsprozesse zur Weiterentwicklung der Grundschulen sinnvoll eingebunden wird.

Der Bildungsmonitor fordert Ausbildung an digitalen Medien als Lehr- und Lernmittel verpflichtend im Lehramtsstudium. Wie sehen Sie das?
Themen der Bildung in der digitalen Welt sind für eine Lehramtsausbildung heutzutage unverzichtbar. Die Veränderungen von Kindheit und Gesellschaft durch die Digitalität müssen auch von angehenden Lehrpersonen wahrgenommen werden. Es wird zunehmend Aufgabe der Lehrkräfte sein, Kinder zu befähigen, sich in der Welt mündig zu bewegen und die gesellschaftliche Entwicklung mitzugestalten. Im Lehramtsstudium müssen neben mediendidaktischen Inhalten auch viel stärker noch Aspekte der Medienwissenschaft, der Medienpsychologie, der Mediensozialisation und der Medienbildung verankert werden. Der KMK-Beschluss von 2016 beschränkt sich ja auch nicht auf das Lernen mit digitalen Medien. Vielmehr wird deutlich, dass Lernen mit Medien immer mit Lernen über Medien verbunden sein muss. Dies gilt auch für das Lehramtsstudium. Übrigens ist bei der von Ihnen genannten Forderung auch zu bedenken, dass Wissenschaftsministerien auch die Ausstattung der Lehramtsstudiengänge mit Finanzmitteln für das Lernen mit digitalen Medien vorantreiben müssen. Dies betrifft nicht nur Geräte, sondern auch Supportstrukturen.

Die Hälfte aller Lehrer ist unzufrieden mit der technischen Ausstattung ihrer Schule. Was muss die Politik tun?
Die von Ihnen genannte Unzufriedenheit beschränkt sich ja nicht nur auf die Ausstattung. Mindestens genauso wichtig sind Supportstrukturen. Für beide Problembereiche muss die Politik gezielt Lösungsszenarien entwickeln und wissenschaftlich untersuchen. Oft wird ja das Prinzip „Pädagogik first“ ins Feld geführt, wenn es um die Ausstattung von Schulen geht. Dem kann natürlich prinzipiell nicht widersprochen werden. Nicht die Technik darf vorgeben, welche Pädagogik realisiert wird, sondern die Pädagogik muss vorgeben, welche Technik eingesetzt werden soll (und wo diese nicht eingesetzt werden soll). ABER: Viele Lehrkräfte haben überhaupt keine Vorstellungen, welche Möglichkeiten die Technologien eigentlich bieten. Dies wäre aber erforderlich, um prüfen zu können, wo welcher Technologieeinsatz sinnvoll ist. Aus diesem Grund ist hier unbedingt eine Annäherung anzustreben. Dies sollte aus unserer Sicht mit gezielten Modellversuchen und einem geeigneten Transferkonzept realisiert werden. Wichtig dabei ist, dass diese Modellversuche auf aktuellen medienpädagogischen, grundschulpädagogischen und grundschulfachdidaktischen Forschungsergebnissen basieren.

Der Bildungsmonitor fordert ein gemeinsames Gütesiegel und eine deutschlandweit zugängliche Plattform für digitale Lernmaterialien. Wieviel Bildungsföderalismus ist angesichts einer vernetzten Welt noch sinnvoll?
Selbstverständlich kann der Bildungsföderalismus hier hinderlich sein und auch Mehrfachentwicklungen in verschiedenen Bundesländern sind angesichts des hohen Aufwands der Entwicklung kaum zu rechtfertigen. Wichtig ist allerdings bei allen Überlegungen zu Bildungsplattformen und Gütesiegeln, dass auch hier die besonderen Bedingungen des Grundschulunterrichts berücksichtigt werden. Insbesondere ist die Einpassung von technischen Lösungen in grundschulgerechte Arbeitsformen zu berücksichtigen. Hier ist anzustreben, dass an der Entwicklung solcher Plattformen Grundschulpädagoginnen und -pädagogen beteiligt werden, ganz gleich ob diese auf Länder- oder auf Bundesebene realisiert werden.

UNSER NEWSLETTER

Newsletter bestellen JETZT BESTELLEN

■■■ WEITERE BEITRÄGE DIESER FACHDEBATTE

EIN DEBATTENBEITRAG VON
Britta Ernst
Ministerin für Bildung, Jugend und Sport des Landes Brandenburg
Ministerium für Bildung, Jugend und Sport des Landes Brandenburg

Britta Ernst, Ministerin für Bildung, Jugend und Sport des Landes Brandenburg
Bildung | Föderalismus

Brandenburg will Richtlinie für ■ ■ ■

Wie Lehrer und Schüler fit für die Zukunft werden

EIN DEBATTENBEITRAG VON
Britta Ernst
Ministerin für Bildung, Jugend und Sport des Landes Brandenburg
Ministerium für Bildung, Jugend und Sport des Landes Brandenburg

EIN DEBATTENBEITRAG VON
Prof. Dr. R. Alexander Lorz
Minister
Hessisches Kultusministerium

Prof. Dr. R. Alexander Lorz, Minister im Hessischen Kultusministerium
Bildung | Föderalismus

Hessen für Wettbewerb zwischen den ■ ■ ■

Was der Föderalismus auch in Zeiten der ■ ■ ■

EIN DEBATTENBEITRAG VON
Prof. Dr. R. Alexander Lorz
Minister
Hessisches Kultusministerium

EIN DEBATTENBEITRAG VON
Jürgen Böhm
Bundesvorsitzender
Verband Deutscher Realschullehrer (VDR)

Jürgen Böhm, Bundesvorsitzender Verband Deutscher Realschullehrer (VDR)
Bildung | Föderalismus

Digitalisierung ersetzt keine Pädagogik

Warum es aus Sicht der Realschul-Lehrer auf das ■ ■ ■

EIN DEBATTENBEITRAG VON
Jürgen Böhm
Bundesvorsitzender
Verband Deutscher Realschullehrer (VDR)

ZUR FACHDEBATTE

ÜBER UNSERE FACHDEBATTEN

Meinungsbarometer.info ist die Plattform für Fachdebatten in der digitalen Welt. Unsere Fachdebatten vernetzen Meinungen, Wissen & Köpfe und richten sich an Entscheider auf allen Fach- und Führungsebenen. Unsere Fachdebatten vereinen die hellsten Köpfe, die sich in herausragender Weise mit den drängendsten Fragen unserer Zeit auseinandersetzen.

überparteilich, branchenübergreifend, interdisziplinär

Unsere Fachdebatten fördern Wissensaustausch, Meinungsbildung sowie Entscheidungsfindung in Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, Medien und Gesellschaft. Sie stehen für neue Erkenntnisse aus unterschiedlichen Perspektiven. Mit unseren Fachdebatten wollen wir den respektvollen Austausch von Argumenten auf Augenhöhe ermöglichen - faktenbasiert, in gegenseitiger Wertschätzung und ohne Ausklammerung kontroverser Meinungen.

kompetent, konstruktiv, reichweitenstark

Bei uns debattieren Spitzenpolitiker aus ganz Europa, Führungskräfte der Wirtschaft, namhafte Wissenschaftler, Top-Entscheider der Medienbranche, Vordenker aus allen gesellschaftlichen Bereichen sowie internationale und nationale Fachjournalisten. Wir haben bereits mehr als 600 Fachdebatten mit über 20 Millionen Teilnahmen online abgewickelt.

nachhaltig und budgetschonend

Mit unseren Fachdebatten setzen wir auf Nachhaltigkeit. Unsere Fachdebatten schonen nicht nur Umwelt und Klima, sondern auch das eigene Budget. Sie helfen, aufwendige Veranstaltungen und überflüssige Geschäftsreisen zu reduzieren – und trotzdem die angestrebten Kommunikationsziele zu erreichen.

mehr als nur ein Tweet

Unsere Fachdebatten sind mehr als nur ein flüchtiger Tweet, ein oberflächlicher Post oder ein eifriger Klick auf den Gefällt-mir-Button. Im Zeitalter von X (ehemals Twitter), Facebook & Co. und der zunehmenden Verkürzung, Verkümmerung und Verrohung von Sprache wollen wir ein Zeichen setzen für die Entwicklung einer neuen Debattenkultur im Internet. Wir wollen das gesamte Potential von Sprache nutzen, verständlich und respektvoll miteinander zu kommunizieren.