Bei den Lehrern herrscht große Skepsis gegenüber digitalen Lehrmedien, so glaubt nicht mal jeder vierte Lehrer daran, dass digitale Medien dabei helfen, den Lernerfolg ihrer Schüler zu verbessern. Woher kommt diese Skepsis?
Diese Skepsis ist für mich durchaus nachvollziehbar. So wurden insbesondere Grundschullehrpersonen schon im Multimedia-Boom der 90er-Jahre des letzten Jahrhunderts versprochen, dass durch digitale Medien Lernprozesse motivierter, leichter und passgenauer werden. Während einige Grundschulen und technikaffine Lehrpersonen begeistert durchstarteten, schlugen sich andere mit inkompatiblen Soundkarten, für den Nachmittagsmarkt produzierten Lernspielen und für den Bürobetrieb konzipierten Betriebssystemen herum. Auch die Forschungsergebnisse der jüngeren Vergangenheit (vgl. etwa im Überblick Hattie 2009 und Tamim et al.2011) zeigen ja nur leicht positive Effekte auf. Andererseits bieten digitale Medien gerade für die Grundschulbildung nicht unerhebliche Potenziale etwa im Bereich der Veranschaulichung von Lerninhalten, der sofortigen Leistungsrückmeldung und insbesondere auch für projektorientierte Arbeiten. Auch Studien zum Lernen mit mobilen Geräten zeigen (Sung et al. 2016), dass digitale Medien unter gewissen Voraussetzungen durchaus den Unterricht verbessern können. Zentral für sind aus unserer Sicht die Entwicklung didaktisch sinnvoller und umsetzbarer Konzepte für die Grundschule. Traditionelle Medien wie Bücher und Stifte behalten natürlich ihre Bedeutung ebenso wie die wichtigen Primärerfahrungen mit Originalobjekten. Bei allen Bemühungen die Grundschulen technisch auf einen aktuellen Stand zu bringen, sind solche Bestrebungen nur dann sinnvoll, wenn die Ausstattung von Schulen mit einer gezielten konzeptionellen Vorarbeit verbunden wird und in die Schulentwicklungsprozesse zur Weiterentwicklung der Grundschulen sinnvoll eingebunden wird.
Der Bildungsmonitor fordert Ausbildung an digitalen Medien als Lehr- und Lernmittel verpflichtend im Lehramtsstudium. Wie sehen Sie das?
Themen der Bildung in der digitalen Welt sind für eine Lehramtsausbildung heutzutage unverzichtbar. Die Veränderungen von Kindheit und Gesellschaft durch die Digitalität müssen auch von angehenden Lehrpersonen wahrgenommen werden. Es wird zunehmend Aufgabe der Lehrkräfte sein, Kinder zu befähigen, sich in der Welt mündig zu bewegen und die gesellschaftliche Entwicklung mitzugestalten. Im Lehramtsstudium müssen neben mediendidaktischen Inhalten auch viel stärker noch Aspekte der Medienwissenschaft, der Medienpsychologie, der Mediensozialisation und der Medienbildung verankert werden. Der KMK-Beschluss von 2016 beschränkt sich ja auch nicht auf das Lernen mit digitalen Medien. Vielmehr wird deutlich, dass Lernen mit Medien immer mit Lernen über Medien verbunden sein muss. Dies gilt auch für das Lehramtsstudium. Übrigens ist bei der von Ihnen genannten Forderung auch zu bedenken, dass Wissenschaftsministerien auch die Ausstattung der Lehramtsstudiengänge mit Finanzmitteln für das Lernen mit digitalen Medien vorantreiben müssen. Dies betrifft nicht nur Geräte, sondern auch Supportstrukturen.
Die Hälfte aller Lehrer ist unzufrieden mit der technischen Ausstattung ihrer Schule. Was muss die Politik tun?
Die von Ihnen genannte Unzufriedenheit beschränkt sich ja nicht nur auf die Ausstattung. Mindestens genauso wichtig sind Supportstrukturen. Für beide Problembereiche muss die Politik gezielt Lösungsszenarien entwickeln und wissenschaftlich untersuchen. Oft wird ja das Prinzip „Pädagogik first“ ins Feld geführt, wenn es um die Ausstattung von Schulen geht. Dem kann natürlich prinzipiell nicht widersprochen werden. Nicht die Technik darf vorgeben, welche Pädagogik realisiert wird, sondern die Pädagogik muss vorgeben, welche Technik eingesetzt werden soll (und wo diese nicht eingesetzt werden soll). ABER: Viele Lehrkräfte haben überhaupt keine Vorstellungen, welche Möglichkeiten die Technologien eigentlich bieten. Dies wäre aber erforderlich, um prüfen zu können, wo welcher Technologieeinsatz sinnvoll ist. Aus diesem Grund ist hier unbedingt eine Annäherung anzustreben. Dies sollte aus unserer Sicht mit gezielten Modellversuchen und einem geeigneten Transferkonzept realisiert werden. Wichtig dabei ist, dass diese Modellversuche auf aktuellen medienpädagogischen, grundschulpädagogischen und grundschulfachdidaktischen Forschungsergebnissen basieren.
Der Bildungsmonitor fordert ein gemeinsames Gütesiegel und eine deutschlandweit zugängliche Plattform für digitale Lernmaterialien. Wieviel Bildungsföderalismus ist angesichts einer vernetzten Welt noch sinnvoll?
Selbstverständlich kann der Bildungsföderalismus hier hinderlich sein und auch Mehrfachentwicklungen in verschiedenen Bundesländern sind angesichts des hohen Aufwands der Entwicklung kaum zu rechtfertigen. Wichtig ist allerdings bei allen Überlegungen zu Bildungsplattformen und Gütesiegeln, dass auch hier die besonderen Bedingungen des Grundschulunterrichts berücksichtigt werden. Insbesondere ist die Einpassung von technischen Lösungen in grundschulgerechte Arbeitsformen zu berücksichtigen. Hier ist anzustreben, dass an der Entwicklung solcher Plattformen Grundschulpädagoginnen und -pädagogen beteiligt werden, ganz gleich ob diese auf Länder- oder auf Bundesebene realisiert werden.