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Langsame Verlage und geringe Margen verhindern Innovation

Woran es auf dem E-Book-Markt noch hakt

Riccardo Kabisch, Wissenschaftsautor, Die Welt des Wissens Quelle: Die Welt des Wissens Riccardo Kabisch Wissenschaftsautor Die Welt des Wissens 22.02.2018
INITIATOR DIESER FACHDEBATTE
Uwe Schimunek
Freier Journalist
Meinungsbarometer.info
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"Die Skizzen alter Schulbücher sollten im 21. Jahrhundert kein Standard mehr sein", sagt Wissenschaftsautor Riccardo Kabisch. Unter dem Label "Die Welt des Wissens" hat Kabisch eine Reihe viel beachteter interaktiver E-Books veröffentlicht. Er weiß auch Gründe, worum es auf dem Markt der interaktiven E-Books noch klemmt.







Auf der Leipziger Buchmesse werden auch in diesem Jahr wieder eine ganze Reihe interaktiver E-Books vorgestellt. Inwieweit sind interaktive E-Books nun dabei, die Nische zu verlassen?
Ich denke, interaktive E-Books haben eine rosige Zukunft. Es gibt so viele Genres, die perfekt dazu geeignet sind, ein interaktives E-Book zu gestalten. Denken wir nur an Sach- oder Kinderbücher. Aktuell stecken interaktive Bücher noch in einer Nische, obwohl fast jeder täglich Geräte nutzt, auf denen interaktive Bücher laufen könnten. Jedes Smartphone oder Tablet unterstützt interaktive E-Books. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, solche Bücher zu gestalten. Entweder als App, in iBooks oder über andere Publisher. In meinen Augen gibt es hauptsächlich zwei Gründe, weshalb interaktive E-Books nicht schon längst durchgestartet sind: Die großen Verlage sind zu langsam und Amazon vernachlässigt das Thema. Während Autoren in iBooks, Apples eigenem Book Store, schon seit Jahren interaktive E-Books mit 3D-Modellen, Videos und mehr schreiben können, gibt es bei Amazon solche Funktionen kaum. Außerdem führen die „Versandkosten“, die Autoren bei Amazon pro Megabyte zahlen müssen dazu, dass man sich als Autor überlegen sollte, ob man große Bücher mit vielen Bildern und mehr überhaupt veröffentlichen will. Die Margen sind nämlich viel zu gering.

Könnten zunehmende interaktive Elemente den im E-Book vergleichsweise schwachen Segmenten Sach- und Kinderbuch zu (digitalem) Wachstum verhelfen?
Ich denke, unsere Kinder werden sich wundern, dass es jemals Sachbuch-E-Books gab, die nicht interaktiv waren. Das Genre verlangt einfach danach, den Inhalt mit Videos und anderen interaktiven Inhalten aufzupeppen. Es ist doch viel schöner, Haie beim Schwimmen zu sehen, als nur davon zu lesen. Mit Videos kann ich mir komplexe Vorgänge in einer Zelle veranschaulichen und 3D-Modelle helfen dabei, die Orbitale von Atomen sichtbar zu machen. Die Skizzen alter Schulbücher sollten im 21. Jahrhundert kein Standard mehr sein.

Ganz ähnlich verhält es sich bei Kinderbüchern. Gerade die Kleinen sind neugierig und wollen alles anfassen. In einem interaktiven Kinderbuch können sie das auch tun. In einer Geschichte könnten kleine Spiele oder Animationen verpackt sein, die den Inhalt auflockern und die Fantasie anregen. Mit anderen Worten: Ich gehe davon aus, dass interaktive E-Books den Sach- und Kinderbüchern helfen können, sich neu zu erfinden.

E-Book-Reader sind für das Lesen von Texten optimiert – wie sollten die Geräte für mehr Interaktivität beschaffen sein?
Es gibt aktuell drei verschiedene Arten, ein Buch zu lesen: Als gedrucktes Buch, in einem klassischen E-Book Reader, oder einem Tablet, Smartphone oder erweitertem Reader. Nur auf letzteren lassen sich echte interaktive Bücher realisieren. Ich gehe davon aus, dass auch weiterhin die Romane einen sehr großen Teil des Buchgeschäftes ausmachen werden. Diese lassen sich in klassischen Büchern oder auf E-Readern wie dem Kindle Paperwhite am besten lesen. Deshalb haben klassische Bücher und E-Reader auch in Zukunft einen großen Markt. Smartphones und Tablets eignen sich hingegen für interaktive Bücher am besten.

Unterm Strich denke ich: Die Leseratte der Zukunft wird auch weiterhin klassische Bücher und E-Reader für den Urlaub kaufen. Wer eher auf Sachbücher steht, generell wenig liest oder seine Kinder unterhalten will, der greift auch in Zukunft zum Smartphone oder Tablet. Der Markt wird sich also aus meiner Sicht auch langfristig aufteilen.

Im internationalen Vergleich gibt es in Deutschland nur wenige reine interaktive Spiel- oder Rätsel-Titel für E-Reader. Woran liegt das aus Ihrer Sicht?
Wir Deutschen sind Traditionalisten. Wir tun uns auch mit Kreditkarten und Elektroautos schwer. Vielleicht haben die Autoren und Verlage diesen Umstand erkannt und investieren deshalb relativ wenig in interaktive Titel. Ich bin mir sicher, dass es mehr Käufer gäbe, wenn das Angebot größer wäre. Die Verlage und Autoren legen fest, was in den virtuellen Regalen steht. Ich für meinen Teil habe das Risiko gewagt und mehrere interaktive Sachbücher geschrieben und gestaltet. Bereut habe ich es nicht, vielleicht folgen bald mehr Autoren diesem Weg.

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