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Kommunikationsforscher kritisiert einseitige Berichterstattung zu Flüchtlingen

Wie die Medien vermutlich künftig berichten

Hans Mathias Kepplinger, Professor für Empirische Kommunikationsforschung am Institut für Publizistik der Universität Mainz Quelle: privat Prof. Dr. Hans Mathias Kepplinger Professor für Empirische Kommunikationsforschung Universität Mainz 09.10.2015
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In der Flüchtlingsfrage sei die Berichterstattung der deutschen Medien extrem konsonant gewesen, schätzt Hans Mathias Kepplinger, Professor für Empirische Kommunikationsforschung am Institut für Publizistik der Universität Mainz, ein. Wichtige Frage seinen gar nicht erst gestellt worden. Die Bereichterstattung werde andere Aspekte in den Vordergrund stellen, prognostiziert Kepplinger.







Wie beurteilen Sie die Rolle der Medien in der aktuellen Berichterstattung über Flüchtlinge in Deutschland?
Man muss zwei Phasen unterscheiden. Die erste Phase bildete die Berichterstattung über Migranten, die mit Booten aus Nordafrika und der südlichen Türkei über das Mittelmeer fuhren und z.T. dabei havarierten. Die Berichterstattung war extrem intensiv und dabei auf Opfer konzentriert. Entscheidende Fragen wurden meist nicht gestellt: Warum werden die Boote nicht an der nordafrikanischen und türkischen Küste abgefangen? Warum wird nichts Erkennbares gegen die Schleuser unternommen? Was sind die Ursachen der Flüchtlingswelle in deren Heimatländern, in Nordafrika?

Die zweite Phase bildete die Berichterstattung über Migranten, die über die Balkanroute kamen. Hier war die Berichterstattung zunächst auf die Wege konzentriert. Es fehlten meist Informationen, aus welchen Ländern die Migranten kommen. Ob es sich um Kriegsflüchtlinge, Arbeitssuchende oder Migranten andere Art handelte. Wie viele vermutlich pro Monat kommen. Wo und wie die Ankommenden registriert werden sollen. Wo die Ankommenden untergebracht werden sollen. Stattdessen wurde nach einiger Zeit alle ausnahmslos als "Flüchtlinge" bezeichnet.

Der Hauptmangel der Berichterstattung bestand in der nahezu völligen Ausblendung der Frage nach den unbeabsichtigten Folgen der humanitären Hilfsleistungen.

Berücksichtigen die Medien beim Flüchtlingsthema aus Ihrer Sicht alle Aspekte in ausgewogenem Verhältnis?
In den deutschen Medien wurde lange Zeit nahezu ausnahmslos der Eindruck vermittelt, alle Migranten seien unterschiedslos Opfer. Über die Folgen einer Massenankunft von Flüchtlingen in den Aufnahmeländern wurde lange Zeit nicht oder nur sehr unzureichend berichtet. Ausschreitungen von Migranten gegenüber Ordnungskräften z. B. in Ungarn wurden in den Deutschen Medien nahezu nicht berichtet.

Beim Flüchtlingsthema wird den großen Medien ein Trend zum Mainstream vorgeworfen. Wie sehen Sie das?
Die Berichterstattung der deutschen Medien war extrem konsonant. Kritik an den fehlenden oder getroffenen Maßnahmen der Politik zur Kanalisierung der Massenmigration gab es kaum. Grundtenor war die Betonung der Hilfsbereitschaft der Deutschen - der Notwendigkeit einer Willkommenskultur. Hinweise auf die möglicherweise unbeabsichtigten Nebenwirkungen dieser Selbstdarstellung – etwa auf die Motivation der Migrationswilligen - gab es nahezu nicht.

Wie wird sich die Berichterstattung in den Medien mit vermutlich steigenden Flüchtlingszahlen künftig entwickeln?
Vermutlich werden auch die Medien, die die deutsche Willkommenskultur gefordert und gefeiert haben, die Politik massiv wegen unzureichender Maßnahmen kritisieren. Das wird vermutlich spätestens geschehen, wenn bei sinkenden Temperaturen die Probleme mit der Unterbringung und Versorgung der Migranten allseits sichtbar werden. Die Kritik an der Politik könnte noch von Konflikten zwischen verschiedenen Gruppen von Migranten sowie der Unzufriedenheit von Migranten mit ihrer Situation in Deutschland verschärft werden. Insgesamt wird sich die Berichterstattung vermutlich von der Hilfsbereitschaft der Deutschen und den beabsichtigen Folgen der Migration - Einwanderung von Jungen, Begabten - auf ihre unbeabsichtigten negativen Nebenfolgen verlagern.

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