Nach Medienberichten sollen nach dem künftigen Medienstaatsvertrag Web-Video-Kanäle bis zu einer Relevanzschwelle anmeldepflichtig und darüber zulassungspflichtig werden. Wie viel Regulierung brauchen Web-Video-Anbieter?
Die dynamische Entwicklung der Rezeption vom linearen TV hin zu Internetdiensten verändert insbesondere für Heranwachsende auch mögliche Gefährdungspotentiale, z.B. durch Gewalt, Desorientierung oder Konsumaufforderungen. Daher ist eine Regulierung prinzipiell sinnvoll.
Zulassungspflichtig sind auch zukünftig Livestreams, nicht hingegen bereits verfügbare Videos. Auch bislang haben die Medienanstalten – beispielsweise in Bayern, Berlin oder Nordrhein-Westfalen – solche Livestreams zugelassen. Die neue Festlegung auf mindestens 20.000 gleichzeitige Zuschauer ist eine sinnvolle Änderung gegenüber der bisher praktizierten Grenze von 500 Nutzern.
Die Werberegeln für klassische TV-Sender sollen gelockert werden, etwa bei Kinderprogrammen. Was würden die neuen Regeln für Anbieter und Zuschauer bedeuten?
Insbesondere Kindersendungen sollten nicht für Werbung unterbrochen werden. Die schutzwürdigen Interessen eines Kindes sind ebenso wichtig wie die von Menschen, die einem Gottesdienst folgen wollen. Zudem muss davon ausgegangen werden, dass gerade Kinder bis zu einem gewissen Alter inhaltliches Programm und Werbung noch nicht auseinanderhalten können und so überfordert werden. Insofern ist es absolut begrüßenswert, dass die Rundfunkkommission der Länder anderslautende Überlegungen gestrichen hat.
Plattformen wie YouTube oder Facebook sollen als "Medienintermediäre"
die Inhalteanbieter nicht diskriminieren dürfen und Angebote hervorheben, die in besonderem Maße die Meinungs- und Angebotsvielfalt fördern. Wie lässt sich das effektiv sicherstellen?
Die Regelungen in den §§ 91 bis 96 sollen zunächst die Entscheidungen hinsichtlich des Sammelns, Gliederns und Präsentierens von Inhalten transparenter machen. Die infrage kommenden Plattformen verfügen ohnehin über die entsprechenden Algorithmen und Kriterien. Damit ist die Transparenz ein erster Schritt zur Diskrimierungsfreiheit.
Die Umsetzung weitergehender Festlegungen zur Platzierung journalistisch-redaktionell gestalteter Angebote wird wohl weit komplexer werden. Einerseits ist auf Nutzer zugeschnittener Inhalt eine zentrale Währung im Netz – ein Abweichen davon dürfte die Attraktivität der Plattform beeinflussen. Andererseits ist die Einschätzung journalistischer Inhalte häufig umstritten, so dass allein die Definition schwierig wird.
Sogenannte "Social Bots" sollen künftig markiert werden. Wie sollte das konkret umgesetzt werden?
Prinzipiell ist es vor dem Hintergrund der verstärkenden Funktion von „Social Bots“ wichtig und richtig, die von ihnen generierten Inhalte und Mitteilungen zu kennzeichnen. Die technische Umsetzung ist eine Herausforderung, der sich die einzelnen Netzwerke stellen werden. Ebenso spannend wird sicher die Form der Kennzeichnung. Wichtig ist hier, dass solche Markierungen auch bei der automatisierten Verarbeitung von Informationen lesbar bleibt.
Auch aufgrund europäischer Vorgaben soll der Medienstaatsvertrag bald verabschiedet werden. Was sollte aus Ihrer Sicht in der endgültigen Fassung unbedingt noch stehen?
Mit der vorliegenden Version des Medienstaatsvertrages wird das erhebliche Maß der Aufgaben der Landesmedienanstalten als Zulassungs- und Aufsichtsbehörden deutlich. Die Divergenz des umfassenden und komplexen Aufgabenbereichs bei gleichzeitig begrenzter finanzieller Ausstattung und sehr heterogener Struktur der Gremien der Landesmedienanstalten bedarf noch einer Klärung.