Meinungsbarometer: Herr Professor Reimers, würden die noch für August erwarteten Vertragsabschlüsse privater Hörfunkveranstalter mit Media Broadcast bedeuten, dass die am 25. Juni von der KEF bewilligten Digital Radio-Projektmittel für Deutschlandradio und ARD sofort verfügbar wären?
Ulrich Reimers: Ja, ein paar Tage Verspätung ändern nichts an der Grundsatzentscheidung der KEF. Wenn die Verträge mit der Media Broadcast zeitnah zustande kommen und die am 25. Juni von der KEF definierten weiteren Auflagen von ARD und Deutschlandradio fristgemäß erfüllt werden, stehen ihnen die Projektgelder unverzüglich zur Verfügung.
Für den Fall, dass keine Verträge zum nationalen Digital Radio-Multiplex zustande kommen, hat die KEF eine Überführung der Projektmittel von ARD und Deutschlandradio in anrechenbare Eigenmittel vorgesehen. Sind diese sofort oder später für Digital Radio nutzbar?
Eine Freigabe der Mittel für den Zeitraum 2009 bis 2012 ist ja – unter Vorgaben – bereits erfolgt. Spätestens im September werden wir sehen, ob es zum Projekt nationaler Digital Radio-Multiplex gekommen ist oder nicht. Sollten die Auflagen der KEF nicht erfüllt sein, so fließen die beantragten Projektmittel in die Finanzhaushalte von ARD beziehungsweise Deutschlandradio als Eigenmittel ein. Allerdings kann ich mir dann kaum vorstellen, dass die KEF einen Neuantrag für die Gebührenperiode ab 2013 positiv bescheiden würde. Dafür hat der deutsche Digital Radio-Prozess eine viel zu lange Vorgeschichte. In diesem Fall müsste die KEF wohl denen, die glauben einfach weitermachen zu können, eine Absage erteilen.
Die KEF hat sich in der Vergangenheit mit dem Projektantrag „Digital Radio“ schwer getan. Was hat Sie dazu bewogen, am 25. Juni doch „ja“ zu sagen?
Vergessen wir nicht, die KEF hat für Digital Radio bisher mehr als 200 Millionen Euro bewilligt. Viele Jahre haben wir es dem Projekt nicht besonders schwer gemacht. Den Mitgliedern der KEF war klar, dass die Einführung von Digital Radio einige Zeit in Anspruch nehmen würde. Doch mit jeder Verzögerung sind wir vorsichtiger geworden. In unserem 15. Bericht haben wir die Digital Radio-Mittel noch für die nächste Gebührenperiode verfügbar gehalten. Im 16. Bericht haben wir den Finanzbedarf für das damalige Projekt „DAB“ nicht erneut anerkennen können, aber Mittel für ein etwaiges neues Projekt für den Hörfunk der Zukunft anerkannt. Im 17. Bericht mussten wir dann feststellen, dass wichtige Anerkennungskriterien von ARD und Deutschlandradio nicht erfüllt waren. Unter anderem die Beteiligung der privaten Programmveranstalter fehlte damals. Jetzt haben wir eine neue Situation: neben der digitalen Terrestrik findet das Webradio erfolgreich statt und auch die Privaten wollen anscheinend in den nationalen Multiplex investieren.
Sie bezeichnen die jetzt angestrebten Vertragsabschlüsse mit Media Broadcast als „Lackmustest“. Was meinen Sie damit?
Ich denke, dass sich jetzt endgültig zeigen wird, ob die digital-terrestrische Verbreitung mit einem eigenständigen Radio-Übertragungssystem in Deutschland überhaupt marktfähig ist. Der Technologie habe ich vor 20 Jahren als Technischer Direktor des NDR eine große Zukunft vorausgesagt. Allerdings war damals noch nicht an Webradio als Konkurrenzmedium zu denken, geschweige denn an iPhone, iPad und Co. Gegen diese harte Konkurrenz muss die digitale Terrestrik nun ihre Markttauglichkeit beweisen.
Welche technologische Perspektive sehen Sie für das Radio der Zukunft – wird es die hybride Verbreitung über Terrestrik und Internet sein?
Da möchte ich mich nicht festlegen. Schauen Sie, morgens im Badezimmer höre ich UKW-Radio, im Büro nutze ich Webradio, unterwegs iPhone-Apps und am Wochenende höre ich Radio per DVB-S. Es wird auch in Zukunft diverse Verbreitungswege nebeneinander geben. Die Annahme, dass neue Medien die alten ersetzen, trifft oft nicht zu. Werden wir nicht bald auch im schnell fahrenden Auto Radio über Mobilfunknetze hören können – neben dem Empfang über UKW?